Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und Eigcnthnmsbeschränknng, der neuen Städteordnung, der Reformation der
Militairverfassung. Stein und Scharnhorst stehen ganz links hinter Hardenberg
im Gespräche. Vermuthlich konnte der Künstler diese Scene nicht umgehe", die
fast eben so ungünstig für die Darstellung ist, als die ehemals in illustrirten Ge¬
schichtsbüchern für höhere Töchterschulen beliebte: Wie Karl der Große Schule"
stiftet. War er aber anch genöthigt, die Principien künstlerischer Behandlung
dem Festhalten an der etiqnettcnmäßigen Wirklichkeit zum Opfer zu bringen? Wir
müssen es glauben, sonst hätte er wol die Figur des Königs nicht dnrch einen
breiten leeren Raum von den drei übrigen getrennt, und Stein und Scharnhorst
in etwas lebhaftere Beziehung zur Haupthandlung gesetzt.

Der Gegenstand des Reliefs anf der hintern Querseite ist die Errichtung
der Landwehr und ostpreußischen Rationalcavalerie. In der Mitte des Vorder¬
grundes steht Uork, die edlen ausdrucksvollen Züge von Begeisterung überflogen,
die rechte Hand im Feuer der Rede erhoben; mit der linken reicht er einem
Studenten ein Gewehr. Auf der andern Seite ein Cavalerist (Bardeleben)
etwas vorgeneigt, einen Fuß anf Militaireffccten gestellt, anf den Säbel gestützt.
In diesen drei Figuren concentrirt sich aber anch das Leben der ganzen Dar¬
stellung; die übrigen Personen stehen neben und hinter diesen dreien, weder zu
einer großen Gruppe vereint, noch in kleinere vertheilt, man sieht dreizehn Ge-
sichter neben einander ziemlich auf gleicher Höhe, wovon nur vier in der Seiten¬
ansicht: eine Anordnung, die unmöglich glücklich genannt werden kann. Auch tritt
das Unschöne des Costums hier am störendsteN hervor, weil zwei Figuren in der
Uniform der Landwehr und Nationalcavalerie wie absichtlich in die beiden Ecke"
des vordersten Grundes gestellt, und fast rund herausgearbeitet sind.

Die Reliefs der zweiten Längenseite stellen die Segnungen des erkämpfte"
Friedens bar. Auf der ersten Zwischen der Liebe und der Abundantia) D)^
ein Landmann den Pflug, der von zwei gewaltigen, trefflich ausgeführten Stie¬
ren gezogen wird, ein zweiter, neben dem Gespann gehend, hat eins von den bei¬
den Thieren, das sich widerspenstig zeigt, bei den Hörnern gefaßt, um es zu le"-
ten, ein dritter streut die Saat: schöne kräftige Figuren in natürlich freien Bewe-
gungen, und einem eben so günstigen als angemessenen Costum. Nur wünscht
man eine Schafherde weg, die weiter zurück in perspectivischer Verkleinerung ausge-
führt ist, und deren ins Komische streifendes Aufsehen recht geeignet ist, die Kunst^
Unmöglichkeit des malerischen Reliefs ins Licht zu setzen. ' Im Hintergrunde is
der Kirchthurm von Juditteu augedeutet, einem kleinen Dorfe bei Königsberg,
das sich jedoch rühmte, der Geburtsort des großen Gottsched zu sein.

Aus dem letzten Relief szwischew der Abundantia und der Weisheit) wird co
aus dem Kriege heimkehrender Wehrreiter von einem Gelehrten begrüßt, je"^
in kurzer Uniform mit vollständiger Bewaffnung, dieser im langen bequemen NocU-
Bücher unter dem Arm; sie reichen sich die Hände, während ein zwischen Beide"


und Eigcnthnmsbeschränknng, der neuen Städteordnung, der Reformation der
Militairverfassung. Stein und Scharnhorst stehen ganz links hinter Hardenberg
im Gespräche. Vermuthlich konnte der Künstler diese Scene nicht umgehe», die
fast eben so ungünstig für die Darstellung ist, als die ehemals in illustrirten Ge¬
schichtsbüchern für höhere Töchterschulen beliebte: Wie Karl der Große Schule»
stiftet. War er aber anch genöthigt, die Principien künstlerischer Behandlung
dem Festhalten an der etiqnettcnmäßigen Wirklichkeit zum Opfer zu bringen? Wir
müssen es glauben, sonst hätte er wol die Figur des Königs nicht dnrch einen
breiten leeren Raum von den drei übrigen getrennt, und Stein und Scharnhorst
in etwas lebhaftere Beziehung zur Haupthandlung gesetzt.

Der Gegenstand des Reliefs anf der hintern Querseite ist die Errichtung
der Landwehr und ostpreußischen Rationalcavalerie. In der Mitte des Vorder¬
grundes steht Uork, die edlen ausdrucksvollen Züge von Begeisterung überflogen,
die rechte Hand im Feuer der Rede erhoben; mit der linken reicht er einem
Studenten ein Gewehr. Auf der andern Seite ein Cavalerist (Bardeleben)
etwas vorgeneigt, einen Fuß anf Militaireffccten gestellt, anf den Säbel gestützt.
In diesen drei Figuren concentrirt sich aber anch das Leben der ganzen Dar¬
stellung; die übrigen Personen stehen neben und hinter diesen dreien, weder zu
einer großen Gruppe vereint, noch in kleinere vertheilt, man sieht dreizehn Ge-
sichter neben einander ziemlich auf gleicher Höhe, wovon nur vier in der Seiten¬
ansicht: eine Anordnung, die unmöglich glücklich genannt werden kann. Auch tritt
das Unschöne des Costums hier am störendsteN hervor, weil zwei Figuren in der
Uniform der Landwehr und Nationalcavalerie wie absichtlich in die beiden Ecke»
des vordersten Grundes gestellt, und fast rund herausgearbeitet sind.

Die Reliefs der zweiten Längenseite stellen die Segnungen des erkämpfte"
Friedens bar. Auf der ersten Zwischen der Liebe und der Abundantia) D)^
ein Landmann den Pflug, der von zwei gewaltigen, trefflich ausgeführten Stie¬
ren gezogen wird, ein zweiter, neben dem Gespann gehend, hat eins von den bei¬
den Thieren, das sich widerspenstig zeigt, bei den Hörnern gefaßt, um es zu le»-
ten, ein dritter streut die Saat: schöne kräftige Figuren in natürlich freien Bewe-
gungen, und einem eben so günstigen als angemessenen Costum. Nur wünscht
man eine Schafherde weg, die weiter zurück in perspectivischer Verkleinerung ausge-
führt ist, und deren ins Komische streifendes Aufsehen recht geeignet ist, die Kunst^
Unmöglichkeit des malerischen Reliefs ins Licht zu setzen. ' Im Hintergrunde is
der Kirchthurm von Juditteu augedeutet, einem kleinen Dorfe bei Königsberg,
das sich jedoch rühmte, der Geburtsort des großen Gottsched zu sein.

Aus dem letzten Relief szwischew der Abundantia und der Weisheit) wird co
aus dem Kriege heimkehrender Wehrreiter von einem Gelehrten begrüßt, je»^
in kurzer Uniform mit vollständiger Bewaffnung, dieser im langen bequemen NocU-
Bücher unter dem Arm; sie reichen sich die Hände, während ein zwischen Beide»


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0328" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280945"/>
          <p xml:id="ID_986" prev="#ID_985"> und Eigcnthnmsbeschränknng, der neuen Städteordnung, der Reformation der<lb/>
Militairverfassung. Stein und Scharnhorst stehen ganz links hinter Hardenberg<lb/>
im Gespräche. Vermuthlich konnte der Künstler diese Scene nicht umgehe», die<lb/>
fast eben so ungünstig für die Darstellung ist, als die ehemals in illustrirten Ge¬<lb/>
schichtsbüchern für höhere Töchterschulen beliebte: Wie Karl der Große Schule»<lb/>
stiftet. War er aber anch genöthigt, die Principien künstlerischer Behandlung<lb/>
dem Festhalten an der etiqnettcnmäßigen Wirklichkeit zum Opfer zu bringen? Wir<lb/>
müssen es glauben, sonst hätte er wol die Figur des Königs nicht dnrch einen<lb/>
breiten leeren Raum von den drei übrigen getrennt, und Stein und Scharnhorst<lb/>
in etwas lebhaftere Beziehung zur Haupthandlung gesetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_987"> Der Gegenstand des Reliefs anf der hintern Querseite ist die Errichtung<lb/>
der Landwehr und ostpreußischen Rationalcavalerie. In der Mitte des Vorder¬<lb/>
grundes steht Uork, die edlen ausdrucksvollen Züge von Begeisterung überflogen,<lb/>
die rechte Hand im Feuer der Rede erhoben; mit der linken reicht er einem<lb/>
Studenten ein Gewehr. Auf der andern Seite ein Cavalerist (Bardeleben)<lb/>
etwas vorgeneigt, einen Fuß anf Militaireffccten gestellt, anf den Säbel gestützt.<lb/>
In diesen drei Figuren concentrirt sich aber anch das Leben der ganzen Dar¬<lb/>
stellung; die übrigen Personen stehen neben und hinter diesen dreien, weder zu<lb/>
einer großen Gruppe vereint, noch in kleinere vertheilt, man sieht dreizehn Ge-<lb/>
sichter neben einander ziemlich auf gleicher Höhe, wovon nur vier in der Seiten¬<lb/>
ansicht: eine Anordnung, die unmöglich glücklich genannt werden kann. Auch tritt<lb/>
das Unschöne des Costums hier am störendsteN hervor, weil zwei Figuren in der<lb/>
Uniform der Landwehr und Nationalcavalerie wie absichtlich in die beiden Ecke»<lb/>
des vordersten Grundes gestellt, und fast rund herausgearbeitet sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_988"> Die Reliefs der zweiten Längenseite stellen die Segnungen des erkämpfte"<lb/>
Friedens bar. Auf der ersten Zwischen der Liebe und der Abundantia) D)^<lb/>
ein Landmann den Pflug, der von zwei gewaltigen, trefflich ausgeführten Stie¬<lb/>
ren gezogen wird, ein zweiter, neben dem Gespann gehend, hat eins von den bei¬<lb/>
den Thieren, das sich widerspenstig zeigt, bei den Hörnern gefaßt, um es zu le»-<lb/>
ten, ein dritter streut die Saat: schöne kräftige Figuren in natürlich freien Bewe-<lb/>
gungen, und einem eben so günstigen als angemessenen Costum. Nur wünscht<lb/>
man eine Schafherde weg, die weiter zurück in perspectivischer Verkleinerung ausge-<lb/>
führt ist, und deren ins Komische streifendes Aufsehen recht geeignet ist, die Kunst^<lb/>
Unmöglichkeit des malerischen Reliefs ins Licht zu setzen. ' Im Hintergrunde is<lb/>
der Kirchthurm von Juditteu augedeutet, einem kleinen Dorfe bei Königsberg,<lb/>
das sich jedoch rühmte, der Geburtsort des großen Gottsched zu sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_989" next="#ID_990"> Aus dem letzten Relief szwischew der Abundantia und der Weisheit) wird co<lb/>
aus dem Kriege heimkehrender Wehrreiter von einem Gelehrten begrüßt, je»^<lb/>
in kurzer Uniform mit vollständiger Bewaffnung, dieser im langen bequemen NocU-<lb/>
Bücher unter dem Arm; sie reichen sich die Hände, während ein zwischen Beide»</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0328] und Eigcnthnmsbeschränknng, der neuen Städteordnung, der Reformation der Militairverfassung. Stein und Scharnhorst stehen ganz links hinter Hardenberg im Gespräche. Vermuthlich konnte der Künstler diese Scene nicht umgehe», die fast eben so ungünstig für die Darstellung ist, als die ehemals in illustrirten Ge¬ schichtsbüchern für höhere Töchterschulen beliebte: Wie Karl der Große Schule» stiftet. War er aber anch genöthigt, die Principien künstlerischer Behandlung dem Festhalten an der etiqnettcnmäßigen Wirklichkeit zum Opfer zu bringen? Wir müssen es glauben, sonst hätte er wol die Figur des Königs nicht dnrch einen breiten leeren Raum von den drei übrigen getrennt, und Stein und Scharnhorst in etwas lebhaftere Beziehung zur Haupthandlung gesetzt. Der Gegenstand des Reliefs anf der hintern Querseite ist die Errichtung der Landwehr und ostpreußischen Rationalcavalerie. In der Mitte des Vorder¬ grundes steht Uork, die edlen ausdrucksvollen Züge von Begeisterung überflogen, die rechte Hand im Feuer der Rede erhoben; mit der linken reicht er einem Studenten ein Gewehr. Auf der andern Seite ein Cavalerist (Bardeleben) etwas vorgeneigt, einen Fuß anf Militaireffccten gestellt, anf den Säbel gestützt. In diesen drei Figuren concentrirt sich aber anch das Leben der ganzen Dar¬ stellung; die übrigen Personen stehen neben und hinter diesen dreien, weder zu einer großen Gruppe vereint, noch in kleinere vertheilt, man sieht dreizehn Ge- sichter neben einander ziemlich auf gleicher Höhe, wovon nur vier in der Seiten¬ ansicht: eine Anordnung, die unmöglich glücklich genannt werden kann. Auch tritt das Unschöne des Costums hier am störendsteN hervor, weil zwei Figuren in der Uniform der Landwehr und Nationalcavalerie wie absichtlich in die beiden Ecke» des vordersten Grundes gestellt, und fast rund herausgearbeitet sind. Die Reliefs der zweiten Längenseite stellen die Segnungen des erkämpfte" Friedens bar. Auf der ersten Zwischen der Liebe und der Abundantia) D)^ ein Landmann den Pflug, der von zwei gewaltigen, trefflich ausgeführten Stie¬ ren gezogen wird, ein zweiter, neben dem Gespann gehend, hat eins von den bei¬ den Thieren, das sich widerspenstig zeigt, bei den Hörnern gefaßt, um es zu le»- ten, ein dritter streut die Saat: schöne kräftige Figuren in natürlich freien Bewe- gungen, und einem eben so günstigen als angemessenen Costum. Nur wünscht man eine Schafherde weg, die weiter zurück in perspectivischer Verkleinerung ausge- führt ist, und deren ins Komische streifendes Aufsehen recht geeignet ist, die Kunst^ Unmöglichkeit des malerischen Reliefs ins Licht zu setzen. ' Im Hintergrunde is der Kirchthurm von Juditteu augedeutet, einem kleinen Dorfe bei Königsberg, das sich jedoch rühmte, der Geburtsort des großen Gottsched zu sein. Aus dem letzten Relief szwischew der Abundantia und der Weisheit) wird co aus dem Kriege heimkehrender Wehrreiter von einem Gelehrten begrüßt, je»^ in kurzer Uniform mit vollständiger Bewaffnung, dieser im langen bequemen NocU- Bücher unter dem Arm; sie reichen sich die Hände, während ein zwischen Beide»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/328
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/328>, abgerufen am 23.07.2024.