Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.ihrer Stellung gedeihlich auf die Entwickelung gesunder Existenzen wirkte. Ans der großen Straße, welche von Osten nach Westen geht, parallel mit Jeder Reisende, der von Osten ans durch das Land geht, wird mit Verwun¬ ihrer Stellung gedeihlich auf die Entwickelung gesunder Existenzen wirkte. Ans der großen Straße, welche von Osten nach Westen geht, parallel mit Jeder Reisende, der von Osten ans durch das Land geht, wird mit Verwun¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0286" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280903"/> <p xml:id="ID_858" prev="#ID_857"> ihrer Stellung gedeihlich auf die Entwickelung gesunder Existenzen wirkte.<lb/> Sie genießen das seltene Glück, auch in dieser Zeit von den Bürgern ihrer kleinen<lb/> Länder geliebt zu werden, und wenn irgend wo in Deutschland das Verhältniß<lb/> zwischen Fürst und Unterthanen in seiner Erscheinung wohlthuend genannt werden<lb/> kann, so ist es hier. Dafür sind die Fürsten auch sämmtlich gute Thüringer, und<lb/> die Eigenthümlichkeiten des Stammes sind an ihnen zu erkennen, wie an dem<lb/> Bürger und Bauer des Gebiets. Gutherzig, bieder, gastfrei, fleißig, sehr em¬<lb/> pfänglich für ideale Empfindungen ist der ganze Volksstamm; körperlich und<lb/> geistig mehr zu behäbigen Erfassen, als zu nachhaltiger Kraftanstrengung ausge¬<lb/> rüstet. Die Sitten sind noch wunderbar einfach, und viel alter Brauch und Her¬<lb/> kommen umschließt das Leben der Individuen.</p><lb/> <p xml:id="ID_859"> Ans der großen Straße, welche von Osten nach Westen geht, parallel mit<lb/> den niedrigen Höhenzügen, welche die Hochebene in ihrer Länge durchziehen, braust<lb/> das große Leben der Gegenwart durch die Landschaft, die Hauptstädte der Gegend,<lb/> Erfurt, Weimar, Gotha, Eisenach berührend. In den Ebenen aber und den<lb/> Gebirgsthälern, welche vom Harz nud Thüringer Wald aus sich nach der Land¬<lb/> schaft öffnen, sitzt das Volk noch still an seinem Boden, denn die Cultur deS<lb/> Landes: Production, Industrie nud Handel hängen noch vollständig ab von dem,<lb/> was die Natur gewährt, von der fruchtbaren Scholle, dem Gebirgswald, dem<lb/> Bergbau. Die Souveräne des Landes sind die großen Gutsbesitzer, ihre<lb/> Schlosser schmücken die Anhöhen, die schönsten Wälder, die größten Ackercom-<lb/> plexe gehören ihnen, den Herren. Jetzt freilich ist dieser Grundbesitz wenigstens<lb/> zum Theil „Staatsgut" geworden. Außer den fürstlichen Familien sind verhältni߬<lb/> mäßig wenig größere Grundbesitzer in der Landschaft, dagegen eine sehr große<lb/> Anzahl von stattlichem Dorfgemeinden, durch welche die zahlreichen kleinen Städte<lb/> in bescheidenem Wohlstande erhalten werden. Es ist daher wenig aristokratischer<lb/> Stolz und verschwenderischer Luxus auch an den Hvflagern der Fürsten zu sehen, und<lb/> viel hat dieser Umstand dazu beigetragen, den Herren des Landes die Einfachheit<lb/> und wohlwollende Bonhommie zu bewahren, welche sie im Allgemeinen auszeichnet.<lb/> Aber für die Cultur des Bodens und die productive Kraft der Landschaft ist die<lb/> verhältnißmäßige Seltenheit größerer Privatgüter gerade jetzt nicht eben s»<lb/> vorteilhaft gewesen. Zwar hat der Thüringer von je mit ämsigen Fleiß W<lb/> seinem Boden gearbeitet, und seine Hand hat den Grund der goldenen Ane und<lb/> das Gebiet des kalkhaltigen Thous (die Kcuperformativu) auf der Nordseite des<lb/> Thüringer Waldes durch ganz Deutschland in guten Nuf gebracht, aber der<lb/> Ackerbau in Thüringen leidet doch an einem alten und gefährlichen Uebel, welches<lb/> alle neue Cultur lahmt, und energischen Aufschwung der Landescnltnr hindert,<lb/> an einer übermäßigen, seltsamen und abenteuerlichen Zerstückelung des Bodens.</p><lb/> <p xml:id="ID_860" next="#ID_861"> Jeder Reisende, der von Osten ans durch das Land geht, wird mit Verwun¬<lb/> derung die zahllosen gestreckten Ackerstreifen und kleinen Beete aus beiden Seiten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0286]
ihrer Stellung gedeihlich auf die Entwickelung gesunder Existenzen wirkte.
Sie genießen das seltene Glück, auch in dieser Zeit von den Bürgern ihrer kleinen
Länder geliebt zu werden, und wenn irgend wo in Deutschland das Verhältniß
zwischen Fürst und Unterthanen in seiner Erscheinung wohlthuend genannt werden
kann, so ist es hier. Dafür sind die Fürsten auch sämmtlich gute Thüringer, und
die Eigenthümlichkeiten des Stammes sind an ihnen zu erkennen, wie an dem
Bürger und Bauer des Gebiets. Gutherzig, bieder, gastfrei, fleißig, sehr em¬
pfänglich für ideale Empfindungen ist der ganze Volksstamm; körperlich und
geistig mehr zu behäbigen Erfassen, als zu nachhaltiger Kraftanstrengung ausge¬
rüstet. Die Sitten sind noch wunderbar einfach, und viel alter Brauch und Her¬
kommen umschließt das Leben der Individuen.
Ans der großen Straße, welche von Osten nach Westen geht, parallel mit
den niedrigen Höhenzügen, welche die Hochebene in ihrer Länge durchziehen, braust
das große Leben der Gegenwart durch die Landschaft, die Hauptstädte der Gegend,
Erfurt, Weimar, Gotha, Eisenach berührend. In den Ebenen aber und den
Gebirgsthälern, welche vom Harz nud Thüringer Wald aus sich nach der Land¬
schaft öffnen, sitzt das Volk noch still an seinem Boden, denn die Cultur deS
Landes: Production, Industrie nud Handel hängen noch vollständig ab von dem,
was die Natur gewährt, von der fruchtbaren Scholle, dem Gebirgswald, dem
Bergbau. Die Souveräne des Landes sind die großen Gutsbesitzer, ihre
Schlosser schmücken die Anhöhen, die schönsten Wälder, die größten Ackercom-
plexe gehören ihnen, den Herren. Jetzt freilich ist dieser Grundbesitz wenigstens
zum Theil „Staatsgut" geworden. Außer den fürstlichen Familien sind verhältni߬
mäßig wenig größere Grundbesitzer in der Landschaft, dagegen eine sehr große
Anzahl von stattlichem Dorfgemeinden, durch welche die zahlreichen kleinen Städte
in bescheidenem Wohlstande erhalten werden. Es ist daher wenig aristokratischer
Stolz und verschwenderischer Luxus auch an den Hvflagern der Fürsten zu sehen, und
viel hat dieser Umstand dazu beigetragen, den Herren des Landes die Einfachheit
und wohlwollende Bonhommie zu bewahren, welche sie im Allgemeinen auszeichnet.
Aber für die Cultur des Bodens und die productive Kraft der Landschaft ist die
verhältnißmäßige Seltenheit größerer Privatgüter gerade jetzt nicht eben s»
vorteilhaft gewesen. Zwar hat der Thüringer von je mit ämsigen Fleiß W
seinem Boden gearbeitet, und seine Hand hat den Grund der goldenen Ane und
das Gebiet des kalkhaltigen Thous (die Kcuperformativu) auf der Nordseite des
Thüringer Waldes durch ganz Deutschland in guten Nuf gebracht, aber der
Ackerbau in Thüringen leidet doch an einem alten und gefährlichen Uebel, welches
alle neue Cultur lahmt, und energischen Aufschwung der Landescnltnr hindert,
an einer übermäßigen, seltsamen und abenteuerlichen Zerstückelung des Bodens.
Jeder Reisende, der von Osten ans durch das Land geht, wird mit Verwun¬
derung die zahllosen gestreckten Ackerstreifen und kleinen Beete aus beiden Seiten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |