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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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steht gcdankenklar vor ihrem Geiste, und sie zeichnet die Ereignisse derselben in
das große Buch der Weltgeschichte, das die jüngste Zeit, ein geflügelter Genius
in Krähengestalt, ihr hält. Das Werk der Geschichtschreibung geht in stiller,
einsamer Geisteösammlnng vor sich. Die Studirlampe auf dem nebenstehenden
Candelaber deutet uns an, daß die Einflüsse des unruhigen Tages mit der er¬
regten Mannichfaltigkeit geschäftig treibender Interessen ans das unparteiische Ur¬
theil der Geschichte keine Wirkung üben dürfen. Hinter dem großen Buche ist
die jüngste Zeit dem Blicke der Schreibenden entzogen. Gern würde der geflü¬
gelte Knabe auf den Fittigen der Ideen und des Dampfes von bannen fliegen,
und rastlos vorwärts dringen in die idealen Regionen unbedingter Freiheit, aber
im Dienste der Geschichte hat er die Last der Ueberlieferung zu tragen. Hoffend
blickt er hinab auf die am Boden liegenden Papiere, die noch unbeschriebene"
Blätter der Zukunft.

Auch zu beiden Seiten der Geschichte werden zwei Candelaber eine orna¬
mentale Einfassung bilden; sie sind jedoch erst im Carton skizzirt. Krieg und
Frieden gaben den Inhalt der Komposition. Als Relief am Sockel des ersten
Kandelabers sehen wir die zum Kampfe rufende Bellona. Ein französischer Adler
liegt zu ihren Füßen; sie eilt mit geschwungenen Fackeln über ihn hinweg. Dr¬
über arbeiten Waffenschmiede an Helm und Schild. Ein junger Bursch waffnet
sich und betrachtet sein Bild wohlgefällig im Spiegel eines Schildes. Alte Sie-
gestrophäen sind am Stamme ausgehängt. Aus dem mittlern Rande drei sitzende
weibliche Gestalten, allegorische Figuren mit Gedenktafeln, auf denen als die drei
großen Schlachttage verzeichnet sind: Leipzig, Belle-Alliance und Krim. Drei
junge Krieger des preußischen Heeres tragen das obere Rund, auf dessen Schild
sie Friedrich Wilhelm den Dritten als königlichen Sieger gehoben. Der König
ist mit dem Hermelinmantel angethan, und hält in der Rechten das Schwert-
Der Sockel des zweiten Candelaberö, welcher den Frieden darstellt, zeigt eine
Mutter mit vielen Kindern, eine Charitas. Darüber entfaltet sich mit Geigen¬
spiel bei Tanz und Bier der Erntejnbel. Am Stamm hängen Ackergeräthschastc",
von Kränzen und Früchten umgeben. Ans dem mittlern Rund sitzen drei Künst-
lergestalteu: Schinkel, Rauch und Cornelius, die Vertreter der Baukunst, Bild¬
hauer- und Malerkunst, und vou drei allegorischen Figuren, den Tugenden
Frömmigkeit, Vaterlandsliebe und Beharrlichkeit, auf den Schild gehoben, krönt
das Ganze die Gestalt der Königin Louise, welche in der Hand die Palme deo
Friedens trägt.-

Zum Schlusse sei es mir nun gestattet, auf den große", grau in grau g>
malten, zur Hälfte ausgeführten Fries zurückzukommen, welcher nach oben hin den
Abschluß bildet. Ich gedachte desselben bereits mit wenigen Zügen in meiner
frühern allgemeinen Uebersicht, und hob damals besonders seine ideelle Bedeutung
zur Gesammtcvmposition hervor. Er giebt in humoristischer Weise den Reflex


steht gcdankenklar vor ihrem Geiste, und sie zeichnet die Ereignisse derselben in
das große Buch der Weltgeschichte, das die jüngste Zeit, ein geflügelter Genius
in Krähengestalt, ihr hält. Das Werk der Geschichtschreibung geht in stiller,
einsamer Geisteösammlnng vor sich. Die Studirlampe auf dem nebenstehenden
Candelaber deutet uns an, daß die Einflüsse des unruhigen Tages mit der er¬
regten Mannichfaltigkeit geschäftig treibender Interessen ans das unparteiische Ur¬
theil der Geschichte keine Wirkung üben dürfen. Hinter dem großen Buche ist
die jüngste Zeit dem Blicke der Schreibenden entzogen. Gern würde der geflü¬
gelte Knabe auf den Fittigen der Ideen und des Dampfes von bannen fliegen,
und rastlos vorwärts dringen in die idealen Regionen unbedingter Freiheit, aber
im Dienste der Geschichte hat er die Last der Ueberlieferung zu tragen. Hoffend
blickt er hinab auf die am Boden liegenden Papiere, die noch unbeschriebene»
Blätter der Zukunft.

Auch zu beiden Seiten der Geschichte werden zwei Candelaber eine orna¬
mentale Einfassung bilden; sie sind jedoch erst im Carton skizzirt. Krieg und
Frieden gaben den Inhalt der Komposition. Als Relief am Sockel des ersten
Kandelabers sehen wir die zum Kampfe rufende Bellona. Ein französischer Adler
liegt zu ihren Füßen; sie eilt mit geschwungenen Fackeln über ihn hinweg. Dr¬
über arbeiten Waffenschmiede an Helm und Schild. Ein junger Bursch waffnet
sich und betrachtet sein Bild wohlgefällig im Spiegel eines Schildes. Alte Sie-
gestrophäen sind am Stamme ausgehängt. Aus dem mittlern Rande drei sitzende
weibliche Gestalten, allegorische Figuren mit Gedenktafeln, auf denen als die drei
großen Schlachttage verzeichnet sind: Leipzig, Belle-Alliance und Krim. Drei
junge Krieger des preußischen Heeres tragen das obere Rund, auf dessen Schild
sie Friedrich Wilhelm den Dritten als königlichen Sieger gehoben. Der König
ist mit dem Hermelinmantel angethan, und hält in der Rechten das Schwert-
Der Sockel des zweiten Candelaberö, welcher den Frieden darstellt, zeigt eine
Mutter mit vielen Kindern, eine Charitas. Darüber entfaltet sich mit Geigen¬
spiel bei Tanz und Bier der Erntejnbel. Am Stamm hängen Ackergeräthschastc»,
von Kränzen und Früchten umgeben. Ans dem mittlern Rund sitzen drei Künst-
lergestalteu: Schinkel, Rauch und Cornelius, die Vertreter der Baukunst, Bild¬
hauer- und Malerkunst, und vou drei allegorischen Figuren, den Tugenden
Frömmigkeit, Vaterlandsliebe und Beharrlichkeit, auf den Schild gehoben, krönt
das Ganze die Gestalt der Königin Louise, welche in der Hand die Palme deo
Friedens trägt.-

Zum Schlusse sei es mir nun gestattet, auf den große», grau in grau g>
malten, zur Hälfte ausgeführten Fries zurückzukommen, welcher nach oben hin den
Abschluß bildet. Ich gedachte desselben bereits mit wenigen Zügen in meiner
frühern allgemeinen Uebersicht, und hob damals besonders seine ideelle Bedeutung
zur Gesammtcvmposition hervor. Er giebt in humoristischer Weise den Reflex


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/254>, abgerufen am 23.07.2024.