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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Dschemschid soll zwischen 780 und 800 vor Christi Geburt zur Herrschaft ge¬
kommen sein. Er war, nach persischen Geschichtschreibern, Erbauer von Persepolis,
Ordner des Sonnenjahres, und ließ sich als Gott verehren. Im vierten Ara¬
beskenfelde zwei geflügelte phantastische Thiere mit Priesterköpfen, welche das
heilige Feuer auf dem Altare durch Altsblasen ihres Athems unterhalten. Dar¬
über ein Genius mit zwei umgekehrten Füllhörnern, aus denen Früchte herab¬
fallen, die spendende Gottheit. Im untern Oblvng ein sitzender Greis, der
eine Papyrusrolle über seinen Schooß gebreitet hat, Schrcibwerkzenge neben sich.
Wahrend er in dem Blatte eifrig studirt, hält er mit der Rechten die Leuchte.
Es ist Hom, der erste, göttliche Lehrer des Parsismus.

Den ägyptischen Pilaster eröffnet das räthselhafte Zeichen des Urwesens
oder Urlichtes: Kneph, das Unphysische, nur durch reines Denken Erkennbare.
AM ersten Arabeskenfelde: Neith, die Finsterniß, welche die Erde geboren.
Eine weibliche Gestalt mit fest an einander geschlossenen Beinen, in ein eng sich an¬
schmiegendes, streifiges Gewand gekleidet, und in einen vom Haupte herabwal-
lenden Schleier gehüllt. Sie trägt in den ausgestreckten Händen rechts das
Wasser, das Lebenselement des ägyptischen Bodens, und links den Schlüssel des
Nils, denn das Urseuchte war es, aus dem die Erde aufstieg. Am Fuße des
Kandelabers, auf welchem die Urgöttin steht, Ibis und Reiher, zwischen beiden
die Lotosblume. Aus dem obern Medaillon schaut der blöde lächelnde Kopf des
Amo n, auf seiner platten ägyptischen Mütze den Diskus, die Erdscheibe, tragend.
^Mon galt als die Seele der vier Elemente, der materiellen Welt, und wurde
vorzugsweise in Thcbe verehrt', wohin sein Cultus aus Aethiopien herüberkam.
Zu beiden Seiten seines Bildnisses bemerken wir das Zeichen des Königthums,
Hieroglyphe der geflügelten Schlange Uräus. Im zweiten Arabeskenselde
Auuke, die Göttin der Erde, und hält vor sich an den Flügeln ausgcbreiet
d/n heiligen Käfer. Ueber ihr die Weltscheibe, auf welche die Sonnenblume
ihre Strahle", die Lotosblume ihre Wasser sendet. Auf der Papyrusrolle des
Wügelten Genius unter dem mittlern Rundbogen lesen wir den Titel der
sweiuudvierzig Bücher des Tods, und Tods selber oder Hermes schreibt in
dem Arabeskenfelde darunter die ersten Gesetze nieder. Hermes erhob die
Aegpter über deu bloßen Thierdienst und Fetischismus zur Anbetung eines Ur¬
wesens. Er galt als Lehrer aller Wissenschaften und Künste. Zahlreiche Schriften
sollen von ihm abgefaßt worden sein, und Aegypten führte alle seine Erfindungen
""d Erkenntnisse auf ihn zurück. Das untere Medaillon umschließt den Kopf
des Königs Menes, welcher die zeugende Kraft besaß, wie Amon dagegen den
Stoff, die Materie beherrschte. Das vierte Arabeskenfeld zeigt uus den segens¬
reichen Horns als Knaben: Sinnbild der jungen Sonne, wiegt er sich auf
°>ner Lotosblume, und legt den Finger auf den Mund, als mahne er an die stille,
schweigsame Größe des ägyptischen Cultus. Ueber ihm das heilige Schiff, auf


Dschemschid soll zwischen 780 und 800 vor Christi Geburt zur Herrschaft ge¬
kommen sein. Er war, nach persischen Geschichtschreibern, Erbauer von Persepolis,
Ordner des Sonnenjahres, und ließ sich als Gott verehren. Im vierten Ara¬
beskenfelde zwei geflügelte phantastische Thiere mit Priesterköpfen, welche das
heilige Feuer auf dem Altare durch Altsblasen ihres Athems unterhalten. Dar¬
über ein Genius mit zwei umgekehrten Füllhörnern, aus denen Früchte herab¬
fallen, die spendende Gottheit. Im untern Oblvng ein sitzender Greis, der
eine Papyrusrolle über seinen Schooß gebreitet hat, Schrcibwerkzenge neben sich.
Wahrend er in dem Blatte eifrig studirt, hält er mit der Rechten die Leuchte.
Es ist Hom, der erste, göttliche Lehrer des Parsismus.

Den ägyptischen Pilaster eröffnet das räthselhafte Zeichen des Urwesens
oder Urlichtes: Kneph, das Unphysische, nur durch reines Denken Erkennbare.
AM ersten Arabeskenfelde: Neith, die Finsterniß, welche die Erde geboren.
Eine weibliche Gestalt mit fest an einander geschlossenen Beinen, in ein eng sich an¬
schmiegendes, streifiges Gewand gekleidet, und in einen vom Haupte herabwal-
lenden Schleier gehüllt. Sie trägt in den ausgestreckten Händen rechts das
Wasser, das Lebenselement des ägyptischen Bodens, und links den Schlüssel des
Nils, denn das Urseuchte war es, aus dem die Erde aufstieg. Am Fuße des
Kandelabers, auf welchem die Urgöttin steht, Ibis und Reiher, zwischen beiden
die Lotosblume. Aus dem obern Medaillon schaut der blöde lächelnde Kopf des
Amo n, auf seiner platten ägyptischen Mütze den Diskus, die Erdscheibe, tragend.
^Mon galt als die Seele der vier Elemente, der materiellen Welt, und wurde
vorzugsweise in Thcbe verehrt', wohin sein Cultus aus Aethiopien herüberkam.
Zu beiden Seiten seines Bildnisses bemerken wir das Zeichen des Königthums,
Hieroglyphe der geflügelten Schlange Uräus. Im zweiten Arabeskenselde
Auuke, die Göttin der Erde, und hält vor sich an den Flügeln ausgcbreiet
d/n heiligen Käfer. Ueber ihr die Weltscheibe, auf welche die Sonnenblume
ihre Strahle», die Lotosblume ihre Wasser sendet. Auf der Papyrusrolle des
Wügelten Genius unter dem mittlern Rundbogen lesen wir den Titel der
sweiuudvierzig Bücher des Tods, und Tods selber oder Hermes schreibt in
dem Arabeskenfelde darunter die ersten Gesetze nieder. Hermes erhob die
Aegpter über deu bloßen Thierdienst und Fetischismus zur Anbetung eines Ur¬
wesens. Er galt als Lehrer aller Wissenschaften und Künste. Zahlreiche Schriften
sollen von ihm abgefaßt worden sein, und Aegypten führte alle seine Erfindungen
"»d Erkenntnisse auf ihn zurück. Das untere Medaillon umschließt den Kopf
des Königs Menes, welcher die zeugende Kraft besaß, wie Amon dagegen den
Stoff, die Materie beherrschte. Das vierte Arabeskenfeld zeigt uus den segens¬
reichen Horns als Knaben: Sinnbild der jungen Sonne, wiegt er sich auf
°>ner Lotosblume, und legt den Finger auf den Mund, als mahne er an die stille,
schweigsame Größe des ägyptischen Cultus. Ueber ihm das heilige Schiff, auf


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[0219] Dschemschid soll zwischen 780 und 800 vor Christi Geburt zur Herrschaft ge¬ kommen sein. Er war, nach persischen Geschichtschreibern, Erbauer von Persepolis, Ordner des Sonnenjahres, und ließ sich als Gott verehren. Im vierten Ara¬ beskenfelde zwei geflügelte phantastische Thiere mit Priesterköpfen, welche das heilige Feuer auf dem Altare durch Altsblasen ihres Athems unterhalten. Dar¬ über ein Genius mit zwei umgekehrten Füllhörnern, aus denen Früchte herab¬ fallen, die spendende Gottheit. Im untern Oblvng ein sitzender Greis, der eine Papyrusrolle über seinen Schooß gebreitet hat, Schrcibwerkzenge neben sich. Wahrend er in dem Blatte eifrig studirt, hält er mit der Rechten die Leuchte. Es ist Hom, der erste, göttliche Lehrer des Parsismus. Den ägyptischen Pilaster eröffnet das räthselhafte Zeichen des Urwesens oder Urlichtes: Kneph, das Unphysische, nur durch reines Denken Erkennbare. AM ersten Arabeskenfelde: Neith, die Finsterniß, welche die Erde geboren. Eine weibliche Gestalt mit fest an einander geschlossenen Beinen, in ein eng sich an¬ schmiegendes, streifiges Gewand gekleidet, und in einen vom Haupte herabwal- lenden Schleier gehüllt. Sie trägt in den ausgestreckten Händen rechts das Wasser, das Lebenselement des ägyptischen Bodens, und links den Schlüssel des Nils, denn das Urseuchte war es, aus dem die Erde aufstieg. Am Fuße des Kandelabers, auf welchem die Urgöttin steht, Ibis und Reiher, zwischen beiden die Lotosblume. Aus dem obern Medaillon schaut der blöde lächelnde Kopf des Amo n, auf seiner platten ägyptischen Mütze den Diskus, die Erdscheibe, tragend. ^Mon galt als die Seele der vier Elemente, der materiellen Welt, und wurde vorzugsweise in Thcbe verehrt', wohin sein Cultus aus Aethiopien herüberkam. Zu beiden Seiten seines Bildnisses bemerken wir das Zeichen des Königthums, Hieroglyphe der geflügelten Schlange Uräus. Im zweiten Arabeskenselde Auuke, die Göttin der Erde, und hält vor sich an den Flügeln ausgcbreiet d/n heiligen Käfer. Ueber ihr die Weltscheibe, auf welche die Sonnenblume ihre Strahle», die Lotosblume ihre Wasser sendet. Auf der Papyrusrolle des Wügelten Genius unter dem mittlern Rundbogen lesen wir den Titel der sweiuudvierzig Bücher des Tods, und Tods selber oder Hermes schreibt in dem Arabeskenfelde darunter die ersten Gesetze nieder. Hermes erhob die Aegpter über deu bloßen Thierdienst und Fetischismus zur Anbetung eines Ur¬ wesens. Er galt als Lehrer aller Wissenschaften und Künste. Zahlreiche Schriften sollen von ihm abgefaßt worden sein, und Aegypten führte alle seine Erfindungen "»d Erkenntnisse auf ihn zurück. Das untere Medaillon umschließt den Kopf des Königs Menes, welcher die zeugende Kraft besaß, wie Amon dagegen den Stoff, die Materie beherrschte. Das vierte Arabeskenfeld zeigt uus den segens¬ reichen Horns als Knaben: Sinnbild der jungen Sonne, wiegt er sich auf °>ner Lotosblume, und legt den Finger auf den Mund, als mahne er an die stille, schweigsame Größe des ägyptischen Cultus. Ueber ihm das heilige Schiff, auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/219>, abgerufen am 23.07.2024.