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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Deutschland, wo er sich den größten Theil dieser Zeit aufhielt und noch heute lebt.
Er veröffentlichte 1849 "Gedichte von Alexander Petöfl, nebst einem Anhang Lieder
anderer ungarischer Dichter" (Frankfurt), diesen folgten 1831 "Der Held Janos von
Alexander Petöfi" (Stuttgart), "Erzählende Dichtungen von I. Arany" (Leipzig),
und "Ausgewählte ungarische Volkslieder" (Darmstadt).

Herr Kertbcni ist der einzige unter alleu seinen Kollegen, der ein bestimmtes Ziel
vor Augen hat, und mit einer Konsequenz und Ausdauer verfolgt, die an Hartnäckig¬
keit grenzt; er sucht nicht nur seine Uebersetzungen fertig zu machen und sie an den
Mann zu bringen, sondern er behandelt sie wie seine eigenen Kinder, ja er thut mehr
sür sie, als mancher Vater für seine Kinder thun kann. Seine Uebertragungen sind mit
^'läuternden Einleitungen, erklärenden Anmerkungen und selbst kleinen Wortregistern
Zu Verdeutschung der in den Liedern vorkommenden und mit einem Worte nicht gut
^'ersetzbaren magyarischen Wörter versehen; außerdem sucht der wohlwollende Ueber-
^tzer auch noch für das Fortkommen seiner Pflegekinder das Mögliche zu thun, Alles,
UM den europäischen Völkern zu beweisen, daß "das ungarische Volk zu leben berech¬
tigt fil." --

Das ist ein Verdienst, welches hier gern anerkannt wird. Aber über den litera-
^sehen Werth seiner Leistungen können wir uus leider nicht so anerkennend aussprechen;
denn wir bedauern, daß sich nicht vor K. ein anderer Ungar gesunden, der mit
^"'selben Eiser an's Werk gegangen wäre. Es ist traurig, daß dieser eifrige Ueber-
^tzer, der seinem Zwecke alles zu opfern im Stand ist, der selbst in den mißlichsten
Pnvatvcrhältnissen nie sein Vorhaben, das fast zur fixen Idee geworden war, vergaß,
b°es nicht die Macht über sich selbst hatte, zu den Elementarwissenschaften hinabzu-
^>gar, und sich wenigstens jene Kenntnisse zu holen, die zum Arbeiten in zwei Sprachen
unumgänglich nöthig sind. Herr K. ist noch heute nicht ganz mit der ungarischen Sprache
vertraut, verursacht uns noch heute Ohrenwch durch seinen fürchterlichen Rythmus, und
^'Mangelt noch heute aller Kraft poetisch zu reproduciren. Wir brauchen hier keine
Beispiele anzuführen, denn die deutsche Presse hat, zwar mit Nachsicht, aber doch
^use, siiue Fehler gegen das Deutsche gerügt. Die Verstöße gegen das ungarische
^^ginal wärcir doch immer nur für Ungarn verständlich. Kertbcni muß zu seinen vielen
Opfern Opfer eines gründlichen Studiums bringen, wenn er seinen
^°eden und seinem Vaterlande einen wirklichen Dienst erweisen will, oder wir müssen
^"Jöcher, daß seine Thätigkeit unmöglich werde, und daß sich Andere, mit dem nöthi-
^°u Talent und Wissen Versehene mit seinem Eiser an die schöne Aufgabe machen,
ungarischen Literatur Freunde zu erwerben. Denn wir hoffen mit Vörvsmarti:


"ES kann nicht sein, daß so viel Geist
Und Kraft und heil'ge Gluth
Vergeblich sei, weil auf dem Volk
Des Fluches Schwere ruht."

Vaski.


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Deutschland, wo er sich den größten Theil dieser Zeit aufhielt und noch heute lebt.
Er veröffentlichte 1849 „Gedichte von Alexander Petöfl, nebst einem Anhang Lieder
anderer ungarischer Dichter" (Frankfurt), diesen folgten 1831 „Der Held Janos von
Alexander Petöfi" (Stuttgart), „Erzählende Dichtungen von I. Arany" (Leipzig),
und „Ausgewählte ungarische Volkslieder" (Darmstadt).

Herr Kertbcni ist der einzige unter alleu seinen Kollegen, der ein bestimmtes Ziel
vor Augen hat, und mit einer Konsequenz und Ausdauer verfolgt, die an Hartnäckig¬
keit grenzt; er sucht nicht nur seine Uebersetzungen fertig zu machen und sie an den
Mann zu bringen, sondern er behandelt sie wie seine eigenen Kinder, ja er thut mehr
sür sie, als mancher Vater für seine Kinder thun kann. Seine Uebertragungen sind mit
^'läuternden Einleitungen, erklärenden Anmerkungen und selbst kleinen Wortregistern
Zu Verdeutschung der in den Liedern vorkommenden und mit einem Worte nicht gut
^'ersetzbaren magyarischen Wörter versehen; außerdem sucht der wohlwollende Ueber-
^tzer auch noch für das Fortkommen seiner Pflegekinder das Mögliche zu thun, Alles,
UM den europäischen Völkern zu beweisen, daß „das ungarische Volk zu leben berech¬
tigt fil." —

Das ist ein Verdienst, welches hier gern anerkannt wird. Aber über den litera-
^sehen Werth seiner Leistungen können wir uus leider nicht so anerkennend aussprechen;
denn wir bedauern, daß sich nicht vor K. ein anderer Ungar gesunden, der mit
^»'selben Eiser an's Werk gegangen wäre. Es ist traurig, daß dieser eifrige Ueber-
^tzer, der seinem Zwecke alles zu opfern im Stand ist, der selbst in den mißlichsten
Pnvatvcrhältnissen nie sein Vorhaben, das fast zur fixen Idee geworden war, vergaß,
b°es nicht die Macht über sich selbst hatte, zu den Elementarwissenschaften hinabzu-
^>gar, und sich wenigstens jene Kenntnisse zu holen, die zum Arbeiten in zwei Sprachen
unumgänglich nöthig sind. Herr K. ist noch heute nicht ganz mit der ungarischen Sprache
vertraut, verursacht uns noch heute Ohrenwch durch seinen fürchterlichen Rythmus, und
^'Mangelt noch heute aller Kraft poetisch zu reproduciren. Wir brauchen hier keine
Beispiele anzuführen, denn die deutsche Presse hat, zwar mit Nachsicht, aber doch
^use, siiue Fehler gegen das Deutsche gerügt. Die Verstöße gegen das ungarische
^^ginal wärcir doch immer nur für Ungarn verständlich. Kertbcni muß zu seinen vielen
Opfern Opfer eines gründlichen Studiums bringen, wenn er seinen
^°eden und seinem Vaterlande einen wirklichen Dienst erweisen will, oder wir müssen
^"Jöcher, daß seine Thätigkeit unmöglich werde, und daß sich Andere, mit dem nöthi-
^°u Talent und Wissen Versehene mit seinem Eiser an die schöne Aufgabe machen,
ungarischen Literatur Freunde zu erwerben. Denn wir hoffen mit Vörvsmarti:


„ES kann nicht sein, daß so viel Geist
Und Kraft und heil'ge Gluth
Vergeblich sei, weil auf dem Volk
Des Fluches Schwere ruht."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/161>, abgerufen am 26.06.2024.