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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Ernst einen Ehrenpunkt darin suchen wollten, alle die klaffenden Nisse zu verstopfen
"ut auszubessern, die zwei Jahrhunderte in den weiten Mantel der Herrschaft
gerissen, ihre Kräfte doch eben nur ausreichen würden, ihnen in drei Theilen der
Erde nicht nnr die gewaltigsten Feinde zu erwecken, sondern sie dem angenblicklich
wild auflodernden Vernichtnngskampfe, somit unvermeidlichen und raschem Unter¬
gänge zuzuführen.

Werfen wir das Ange ans unsre eigenen Zustände zurück, so müssen wir
erkennen, daß äußere Kraft und innere Wohlfahrt, das ganze Gedeihen der
Nationen die klarste und aufrichtigste Sorgfalt, die schärfste Berechnung und die
rascheste Thatkraft ihrer im Volksbewußtsein selbst lebenden, durch die Mitwirkung
aller edlen Theile getragenen Regierungen erheischen; und gewiß, wir sind nicht
so kühn, weder das Eine von den osmanischen und nicht osmanischen Unter¬
thanen der hohen Pforte, noch weniger aber das Andere von ihrem Rathgeber
und Lenker, demi erleuchteten Divan, zu fordern, diesem ehrwürdigen Aeropag,
zusammengesetzt ans Pascha's zweier und dreier Roßschweife, deren Diensttitel
sie zum Theil als frühere Ruderknechte, LieblingSsclavcn") und überhaupt Leute
bezeichnen, die durch die schändlichsten Amtsleistungen sich zu ihrer jetzigen Würde
hinaufgeschwungen haben.

Rasch zieht die Zeit heran, in der alle diese Fehler und Schwächen ihre
Strafe finden Müssen. Die türkische Bevölkerung beginnt schon durch die Thä¬
tigkeit und Wohlhabenheit ihrer Unterthanen, der so verachteten Raja, in den
Hintergrund gedrängt zu werden; überall, wo die Letzteren sich finden, vermehrt
sich rasch ihre Zahl; sicherer des Verdienstes ihrer Hände als früher, kaufen sie
Anich und nach fast alle Besitzungen der theils verarmenden, theils in steter Ver¬
minderung begriffenen Türken an, der Art, -daß, als der Großherr ans einer
Immer letzten Reisen Smyrna, die zweite Hauptstadt des Reiches, sehen wollte,
sich nicht ein einziges passendes türkisches Hans mehr vorfand, um ihn zu beher¬
bergen. Er hätte demnach "nothgedrungen bei einem seiner ungläubigen Unterthanen
absteigen müssen, dort hätte sein Ange betroffen den unvergleichlich großem Wohlstand
dieser Lastern schauen und Vergleiche ziehen müssen mit dem Schicksale seiner
Moslims, die, wie hin und wieder bei uns die Juden, in einer elenden Vorstadt
Zurückgedrängt leben. Daher redete ihm seine Umgebung unter den erbärmlichsten
^orwänden ab, wobei natürlich befürchtete Unruhen, nicht fehlten, über den arm¬
seligen Flecken Metelin, die ehemalige Hauptstadt der Insel Lesbos, hinauszu-
Kchcn; ,"g" versammelte daselbst die wenigen Notabeln, meistens griechische Oel-
händler, vertheilte an sie einige schöne Worte und Ehrenkaftane, und ließ den



Wir wolle" im Interesse öffentlicher Sittlichkeit uns enthalten, unsren Lesern den im
Orient übrigens nichts weniger als geheim gehaltenen Begriff eines Lieblingöselavcn auch nur
""zubanden.
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Ernst einen Ehrenpunkt darin suchen wollten, alle die klaffenden Nisse zu verstopfen
»ut auszubessern, die zwei Jahrhunderte in den weiten Mantel der Herrschaft
gerissen, ihre Kräfte doch eben nur ausreichen würden, ihnen in drei Theilen der
Erde nicht nnr die gewaltigsten Feinde zu erwecken, sondern sie dem angenblicklich
wild auflodernden Vernichtnngskampfe, somit unvermeidlichen und raschem Unter¬
gänge zuzuführen.

Werfen wir das Ange ans unsre eigenen Zustände zurück, so müssen wir
erkennen, daß äußere Kraft und innere Wohlfahrt, das ganze Gedeihen der
Nationen die klarste und aufrichtigste Sorgfalt, die schärfste Berechnung und die
rascheste Thatkraft ihrer im Volksbewußtsein selbst lebenden, durch die Mitwirkung
aller edlen Theile getragenen Regierungen erheischen; und gewiß, wir sind nicht
so kühn, weder das Eine von den osmanischen und nicht osmanischen Unter¬
thanen der hohen Pforte, noch weniger aber das Andere von ihrem Rathgeber
und Lenker, demi erleuchteten Divan, zu fordern, diesem ehrwürdigen Aeropag,
zusammengesetzt ans Pascha's zweier und dreier Roßschweife, deren Diensttitel
sie zum Theil als frühere Ruderknechte, LieblingSsclavcn") und überhaupt Leute
bezeichnen, die durch die schändlichsten Amtsleistungen sich zu ihrer jetzigen Würde
hinaufgeschwungen haben.

Rasch zieht die Zeit heran, in der alle diese Fehler und Schwächen ihre
Strafe finden Müssen. Die türkische Bevölkerung beginnt schon durch die Thä¬
tigkeit und Wohlhabenheit ihrer Unterthanen, der so verachteten Raja, in den
Hintergrund gedrängt zu werden; überall, wo die Letzteren sich finden, vermehrt
sich rasch ihre Zahl; sicherer des Verdienstes ihrer Hände als früher, kaufen sie
Anich und nach fast alle Besitzungen der theils verarmenden, theils in steter Ver¬
minderung begriffenen Türken an, der Art, -daß, als der Großherr ans einer
Immer letzten Reisen Smyrna, die zweite Hauptstadt des Reiches, sehen wollte,
sich nicht ein einziges passendes türkisches Hans mehr vorfand, um ihn zu beher¬
bergen. Er hätte demnach "nothgedrungen bei einem seiner ungläubigen Unterthanen
absteigen müssen, dort hätte sein Ange betroffen den unvergleichlich großem Wohlstand
dieser Lastern schauen und Vergleiche ziehen müssen mit dem Schicksale seiner
Moslims, die, wie hin und wieder bei uns die Juden, in einer elenden Vorstadt
Zurückgedrängt leben. Daher redete ihm seine Umgebung unter den erbärmlichsten
^orwänden ab, wobei natürlich befürchtete Unruhen, nicht fehlten, über den arm¬
seligen Flecken Metelin, die ehemalige Hauptstadt der Insel Lesbos, hinauszu-
Kchcn; ,„g„ versammelte daselbst die wenigen Notabeln, meistens griechische Oel-
händler, vertheilte an sie einige schöne Worte und Ehrenkaftane, und ließ den



Wir wolle» im Interesse öffentlicher Sittlichkeit uns enthalten, unsren Lesern den im
Orient übrigens nichts weniger als geheim gehaltenen Begriff eines Lieblingöselavcn auch nur
"»zubanden.
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[0151] Ernst einen Ehrenpunkt darin suchen wollten, alle die klaffenden Nisse zu verstopfen »ut auszubessern, die zwei Jahrhunderte in den weiten Mantel der Herrschaft gerissen, ihre Kräfte doch eben nur ausreichen würden, ihnen in drei Theilen der Erde nicht nnr die gewaltigsten Feinde zu erwecken, sondern sie dem angenblicklich wild auflodernden Vernichtnngskampfe, somit unvermeidlichen und raschem Unter¬ gänge zuzuführen. Werfen wir das Ange ans unsre eigenen Zustände zurück, so müssen wir erkennen, daß äußere Kraft und innere Wohlfahrt, das ganze Gedeihen der Nationen die klarste und aufrichtigste Sorgfalt, die schärfste Berechnung und die rascheste Thatkraft ihrer im Volksbewußtsein selbst lebenden, durch die Mitwirkung aller edlen Theile getragenen Regierungen erheischen; und gewiß, wir sind nicht so kühn, weder das Eine von den osmanischen und nicht osmanischen Unter¬ thanen der hohen Pforte, noch weniger aber das Andere von ihrem Rathgeber und Lenker, demi erleuchteten Divan, zu fordern, diesem ehrwürdigen Aeropag, zusammengesetzt ans Pascha's zweier und dreier Roßschweife, deren Diensttitel sie zum Theil als frühere Ruderknechte, LieblingSsclavcn") und überhaupt Leute bezeichnen, die durch die schändlichsten Amtsleistungen sich zu ihrer jetzigen Würde hinaufgeschwungen haben. Rasch zieht die Zeit heran, in der alle diese Fehler und Schwächen ihre Strafe finden Müssen. Die türkische Bevölkerung beginnt schon durch die Thä¬ tigkeit und Wohlhabenheit ihrer Unterthanen, der so verachteten Raja, in den Hintergrund gedrängt zu werden; überall, wo die Letzteren sich finden, vermehrt sich rasch ihre Zahl; sicherer des Verdienstes ihrer Hände als früher, kaufen sie Anich und nach fast alle Besitzungen der theils verarmenden, theils in steter Ver¬ minderung begriffenen Türken an, der Art, -daß, als der Großherr ans einer Immer letzten Reisen Smyrna, die zweite Hauptstadt des Reiches, sehen wollte, sich nicht ein einziges passendes türkisches Hans mehr vorfand, um ihn zu beher¬ bergen. Er hätte demnach "nothgedrungen bei einem seiner ungläubigen Unterthanen absteigen müssen, dort hätte sein Ange betroffen den unvergleichlich großem Wohlstand dieser Lastern schauen und Vergleiche ziehen müssen mit dem Schicksale seiner Moslims, die, wie hin und wieder bei uns die Juden, in einer elenden Vorstadt Zurückgedrängt leben. Daher redete ihm seine Umgebung unter den erbärmlichsten ^orwänden ab, wobei natürlich befürchtete Unruhen, nicht fehlten, über den arm¬ seligen Flecken Metelin, die ehemalige Hauptstadt der Insel Lesbos, hinauszu- Kchcn; ,„g„ versammelte daselbst die wenigen Notabeln, meistens griechische Oel- händler, vertheilte an sie einige schöne Worte und Ehrenkaftane, und ließ den Wir wolle» im Interesse öffentlicher Sittlichkeit uns enthalten, unsren Lesern den im Orient übrigens nichts weniger als geheim gehaltenen Begriff eines Lieblingöselavcn auch nur "»zubanden. 19*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/151>, abgerufen am 23.07.2024.