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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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ruug ausgeschlossen, sondern seine Privat-Speculationen waren oft und plötzlich
durch einen gouvernementalen Gaunerstreich über den Hansen geworfen, wie uns
folgendes Kunststück zeigen soll. '

Die löbliche Handels-Camarilla hatte, zufolge ihrer Monopole, in der Zeit
ihrer Blüthe große Getreidelicfcrungen zu leiste"; plötzlich erschien ein kaiserlicher
Firman, der alle und jede Getreideausfuhr für das laufende Jahr im Interesse
der öffentlichen Wohlfahrt verbot. Massenhafte Vorräthe waren aufgehäuft
und zur Versendung bereit; panischer Schrecken ergreift Producenten und Expor¬
teurs, Schritte aller Art werden gethan, enorme Geldspendnngen nicht gescheut;
endlich nach einigen Wochen wird der Firman zurückgenommen; zwar eine große
Zahl minder vermöglicher Speculanten ist zu Grunde gerichtet, aber auch der
doppelte Zweck erreicht: nämlich der Ankauf ungeheurer Getreidemassen zu Schand¬
preisen, welche nun wieder hiuaufzuschraul'en vortheilhaft war.

Zuletzt verbündete sich der gesammte Handelsstand gegen diese offenkun¬
diger Umtriebe unter dem Vorwande, daß die Staatsschatze zur Ausbeute für
einige wenige Individuen herhalten müssen; eigentlich aber, weil er sich in seinen
eigenen Interessen verletzt und bedroht fühlte. Mehrfache Bittgesuche und selbst
von ftemdcu Consuln unterstützte Manifeste blieben jedoch lange ohne Erfolg,
bis endlich klingende Anerbietungen gehörigen Eindruck machten und das Un¬
wesen Einiger abgeschafft wurde, um gleich darauf von der Gesammtheit im
Großen fortgesetzt zu werde".

Untersuchen wir, welche Erfolge die vielfachen Reformen der Neuzeit her¬
vorgebracht, so ist allerdings nicht zu läugnen, daß sie vielen Unterthanen der Pforte
große Vortheile gebracht haben. Dank denselben kauu die erwähnte Erpessnngs-
sucht doch nur im Innern des Landes mit ganzer Rohheit und offen auftreten;
^u den etwas entlegneren Provinzen bewahrt jedoch der erhobene Karbatsch
^mu'd.le1lo) seine ganze hohe Ueberzeuguugstraft und das unstreitbare Recht
Etlichen Gelderwerbs.

Alle Wege führen ins Paradies! könnte man ausrufen, wenn man
^ B. seiner Zeit zu Koniah mit angesehen, daß sogar der zufällige, aber gewalt¬
same Tod eiues alten Bettcltürkeu den Behörden einen willkommenen Vorwand zu
großem Gewinn abgab. Die griechische Gemeinde der Stadt, obgleich dem Morde
g"Nz fremd, wurde plötzlich der That bezüchtiget; mau fällt kurz und gut über
sie her, wirft die reichste" uuter ihnen ins Gefängniß, denn natürlich, nnr diese
sind fort u"d fort die Schuldige", u"d foltert sie so, daß mehrere an Händen
Und Füßen verstümmelt, alle aber als Bettler den Kerker verlassen. Die Sache
wurde ruchbar, die Gesandtschaften legten sich ins Mittel, endlich kommt es zu
enim^ Resultate, d. h. es erscheint ein Firman, der die schon früher öffentlich
verpönte Tortur von Neuem abschafft, und dein Urheber des Uebels, einem ein¬
gefleischter altmoslimschen Pascha eine bedeutende Strafsumme an de" Fiscus auf-


ruug ausgeschlossen, sondern seine Privat-Speculationen waren oft und plötzlich
durch einen gouvernementalen Gaunerstreich über den Hansen geworfen, wie uns
folgendes Kunststück zeigen soll. '

Die löbliche Handels-Camarilla hatte, zufolge ihrer Monopole, in der Zeit
ihrer Blüthe große Getreidelicfcrungen zu leiste»; plötzlich erschien ein kaiserlicher
Firman, der alle und jede Getreideausfuhr für das laufende Jahr im Interesse
der öffentlichen Wohlfahrt verbot. Massenhafte Vorräthe waren aufgehäuft
und zur Versendung bereit; panischer Schrecken ergreift Producenten und Expor¬
teurs, Schritte aller Art werden gethan, enorme Geldspendnngen nicht gescheut;
endlich nach einigen Wochen wird der Firman zurückgenommen; zwar eine große
Zahl minder vermöglicher Speculanten ist zu Grunde gerichtet, aber auch der
doppelte Zweck erreicht: nämlich der Ankauf ungeheurer Getreidemassen zu Schand¬
preisen, welche nun wieder hiuaufzuschraul'en vortheilhaft war.

Zuletzt verbündete sich der gesammte Handelsstand gegen diese offenkun¬
diger Umtriebe unter dem Vorwande, daß die Staatsschatze zur Ausbeute für
einige wenige Individuen herhalten müssen; eigentlich aber, weil er sich in seinen
eigenen Interessen verletzt und bedroht fühlte. Mehrfache Bittgesuche und selbst
von ftemdcu Consuln unterstützte Manifeste blieben jedoch lange ohne Erfolg,
bis endlich klingende Anerbietungen gehörigen Eindruck machten und das Un¬
wesen Einiger abgeschafft wurde, um gleich darauf von der Gesammtheit im
Großen fortgesetzt zu werde».

Untersuchen wir, welche Erfolge die vielfachen Reformen der Neuzeit her¬
vorgebracht, so ist allerdings nicht zu läugnen, daß sie vielen Unterthanen der Pforte
große Vortheile gebracht haben. Dank denselben kauu die erwähnte Erpessnngs-
sucht doch nur im Innern des Landes mit ganzer Rohheit und offen auftreten;
^u den etwas entlegneren Provinzen bewahrt jedoch der erhobene Karbatsch
^mu'd.le1lo) seine ganze hohe Ueberzeuguugstraft und das unstreitbare Recht
Etlichen Gelderwerbs.

Alle Wege führen ins Paradies! könnte man ausrufen, wenn man
^ B. seiner Zeit zu Koniah mit angesehen, daß sogar der zufällige, aber gewalt¬
same Tod eiues alten Bettcltürkeu den Behörden einen willkommenen Vorwand zu
großem Gewinn abgab. Die griechische Gemeinde der Stadt, obgleich dem Morde
g"Nz fremd, wurde plötzlich der That bezüchtiget; mau fällt kurz und gut über
sie her, wirft die reichste» uuter ihnen ins Gefängniß, denn natürlich, nnr diese
sind fort u»d fort die Schuldige», u»d foltert sie so, daß mehrere an Händen
Und Füßen verstümmelt, alle aber als Bettler den Kerker verlassen. Die Sache
wurde ruchbar, die Gesandtschaften legten sich ins Mittel, endlich kommt es zu
enim^ Resultate, d. h. es erscheint ein Firman, der die schon früher öffentlich
verpönte Tortur von Neuem abschafft, und dein Urheber des Uebels, einem ein¬
gefleischter altmoslimschen Pascha eine bedeutende Strafsumme an de» Fiscus auf-


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[0147] ruug ausgeschlossen, sondern seine Privat-Speculationen waren oft und plötzlich durch einen gouvernementalen Gaunerstreich über den Hansen geworfen, wie uns folgendes Kunststück zeigen soll. ' Die löbliche Handels-Camarilla hatte, zufolge ihrer Monopole, in der Zeit ihrer Blüthe große Getreidelicfcrungen zu leiste»; plötzlich erschien ein kaiserlicher Firman, der alle und jede Getreideausfuhr für das laufende Jahr im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt verbot. Massenhafte Vorräthe waren aufgehäuft und zur Versendung bereit; panischer Schrecken ergreift Producenten und Expor¬ teurs, Schritte aller Art werden gethan, enorme Geldspendnngen nicht gescheut; endlich nach einigen Wochen wird der Firman zurückgenommen; zwar eine große Zahl minder vermöglicher Speculanten ist zu Grunde gerichtet, aber auch der doppelte Zweck erreicht: nämlich der Ankauf ungeheurer Getreidemassen zu Schand¬ preisen, welche nun wieder hiuaufzuschraul'en vortheilhaft war. Zuletzt verbündete sich der gesammte Handelsstand gegen diese offenkun¬ diger Umtriebe unter dem Vorwande, daß die Staatsschatze zur Ausbeute für einige wenige Individuen herhalten müssen; eigentlich aber, weil er sich in seinen eigenen Interessen verletzt und bedroht fühlte. Mehrfache Bittgesuche und selbst von ftemdcu Consuln unterstützte Manifeste blieben jedoch lange ohne Erfolg, bis endlich klingende Anerbietungen gehörigen Eindruck machten und das Un¬ wesen Einiger abgeschafft wurde, um gleich darauf von der Gesammtheit im Großen fortgesetzt zu werde». Untersuchen wir, welche Erfolge die vielfachen Reformen der Neuzeit her¬ vorgebracht, so ist allerdings nicht zu läugnen, daß sie vielen Unterthanen der Pforte große Vortheile gebracht haben. Dank denselben kauu die erwähnte Erpessnngs- sucht doch nur im Innern des Landes mit ganzer Rohheit und offen auftreten; ^u den etwas entlegneren Provinzen bewahrt jedoch der erhobene Karbatsch ^mu'd.le1lo) seine ganze hohe Ueberzeuguugstraft und das unstreitbare Recht Etlichen Gelderwerbs. Alle Wege führen ins Paradies! könnte man ausrufen, wenn man ^ B. seiner Zeit zu Koniah mit angesehen, daß sogar der zufällige, aber gewalt¬ same Tod eiues alten Bettcltürkeu den Behörden einen willkommenen Vorwand zu großem Gewinn abgab. Die griechische Gemeinde der Stadt, obgleich dem Morde g"Nz fremd, wurde plötzlich der That bezüchtiget; mau fällt kurz und gut über sie her, wirft die reichste» uuter ihnen ins Gefängniß, denn natürlich, nnr diese sind fort u»d fort die Schuldige», u»d foltert sie so, daß mehrere an Händen Und Füßen verstümmelt, alle aber als Bettler den Kerker verlassen. Die Sache wurde ruchbar, die Gesandtschaften legten sich ins Mittel, endlich kommt es zu enim^ Resultate, d. h. es erscheint ein Firman, der die schon früher öffentlich verpönte Tortur von Neuem abschafft, und dein Urheber des Uebels, einem ein¬ gefleischter altmoslimschen Pascha eine bedeutende Strafsumme an de» Fiscus auf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/147>, abgerufen am 23.07.2024.