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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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wirklich schönen Organ und kunstrechten Tonfall leicht hinperlcnde, rasche Sähe
in ziemlich dialcktlosem Deutsch. Er wollte durchaus keinen Beschluß gefaßt
wissen, bevor die Vorlage der Regierung berathen sei. Die Leidenschaftlichkeit
der Gegner kam ihm zu Hilfe; mau mußte seine Mäßigung, seine Ruhe, seine
Klarheit bewundern. Eine nicht ungünstige Wendung der Stimmung begann
schon hier und da in leisen Bemerkungen aufzutauchen, während aus der Oppo¬
sition die Anklage herandrängte: den Bürgerkrieg, deu Hr. v. d. Pfordten in
Sachsen entzündet habe, wolle er anch hier entzünden. Da beging er den Fehler,
dieser Anklage kein selbstbewußtes Schweigen, sondern den kecken Satz entgegen-
zuwerfen: er ziehe deu Bürgerkrieg der kleinsten Abweichung von den coustitutivucll-
mvuarchischeu Bahnen vor. In diesem Augenblick erstickten wieder die Keime
jener günstigern Stimmung unter deu Hörern, und nnr der gedankenlosen Ab¬
hebung der Beschuldigung, er erkläre sich sonach als Freund des Bürgerkriegs,
war es zuzuschreiben, daß seine weinerlich gemüthliche Berufung auf das Zeugniß
der Freunde seines frühern Bayerischen Lebens, die ihn ja stets als "friedlieben¬
den Manu" gekannt, nicht zum parlamentarischen Fiasko wurde. Schüler, der
bleiche Hussit an Krücken, gesellschaftlicher und geistiger Aristokrat durch und durch,
dazu moderner Republikaner bis in seine feinsten Organe, geschult durch sech¬
zehnjährige Studien in den Französischen Kammern, erbittert durch sechzehnjährige
Verbannung von der Heimath --- er bemerkte augenblicklich die dem neuen Pre¬
mier drohende Schwäche, und führte nun furchtbare, scharfe, kurze Degenstöße
gegen den ganzen Geist des Ministeriums, dessen Seele H. v. d. Pfordte".
Frischroth, beinahe heiter spielend hatte dieser bisher die Hanpttugeln der Oppo¬
sition in die Luft geworfen, unbefangen, beinahe lächelnd im Regen der Pfeile
gesessen, die machtlos an ihm herabrasfelten. Aber dieses neue Degenspiel, Man"
an Manu, wobei der Gegner nicht verfehlte, des Ministers eigene Redewendungen
als.ätzendes Gift in jede geschlagene Wunde zu stoßen, dies entfärbte sogar mit¬
unter seine Wangen, und ließ ihn die Lippen zusammenpressen. Dennoch, schwieg
er gerade jetzt; der Minister konnte Dem nicht antworten, dessen Ausschließung
aus der Kammer als Rebell bereits formulirt war. Ein Paar laugathmige
Pfarrer, geschäftstrockeue Beamte, sogar der furchtbare Hr. v. Oberkamp glaubten
sich als hilfreiche Freunde berufen, und verdarben Alles. Die Wahl der Adreß-
commissivu ward beschlossen, das Ministerium hatte eine Niederlage erlitten, ehe
noch formell das Mißtrauensvotum ausgesprochen war. Hr. v. d. Pfordte",
der Parlamentsredner, trug keine Schuld an diesem Ausgange der ersten Sitzung.
Aber sein Nimbus war vernichtet, dies wirkte weiter, und erschuf die Mehrheit
der Zehn, welche schwerlich zu Stande gekommen wäre, wenn in der ersten Sitzung
nicht die guten Freunde gewesen wären.

Hr. v. d. Pfordten hatte den Muth, mit der Auflösung der Kammer Z'l
antworten. Die neuen Wahlen wurden ausgeschrieben, als die Badisch-Pfälzische


wirklich schönen Organ und kunstrechten Tonfall leicht hinperlcnde, rasche Sähe
in ziemlich dialcktlosem Deutsch. Er wollte durchaus keinen Beschluß gefaßt
wissen, bevor die Vorlage der Regierung berathen sei. Die Leidenschaftlichkeit
der Gegner kam ihm zu Hilfe; mau mußte seine Mäßigung, seine Ruhe, seine
Klarheit bewundern. Eine nicht ungünstige Wendung der Stimmung begann
schon hier und da in leisen Bemerkungen aufzutauchen, während aus der Oppo¬
sition die Anklage herandrängte: den Bürgerkrieg, deu Hr. v. d. Pfordten in
Sachsen entzündet habe, wolle er anch hier entzünden. Da beging er den Fehler,
dieser Anklage kein selbstbewußtes Schweigen, sondern den kecken Satz entgegen-
zuwerfen: er ziehe deu Bürgerkrieg der kleinsten Abweichung von den coustitutivucll-
mvuarchischeu Bahnen vor. In diesem Augenblick erstickten wieder die Keime
jener günstigern Stimmung unter deu Hörern, und nnr der gedankenlosen Ab¬
hebung der Beschuldigung, er erkläre sich sonach als Freund des Bürgerkriegs,
war es zuzuschreiben, daß seine weinerlich gemüthliche Berufung auf das Zeugniß
der Freunde seines frühern Bayerischen Lebens, die ihn ja stets als „friedlieben¬
den Manu" gekannt, nicht zum parlamentarischen Fiasko wurde. Schüler, der
bleiche Hussit an Krücken, gesellschaftlicher und geistiger Aristokrat durch und durch,
dazu moderner Republikaner bis in seine feinsten Organe, geschult durch sech¬
zehnjährige Studien in den Französischen Kammern, erbittert durch sechzehnjährige
Verbannung von der Heimath —- er bemerkte augenblicklich die dem neuen Pre¬
mier drohende Schwäche, und führte nun furchtbare, scharfe, kurze Degenstöße
gegen den ganzen Geist des Ministeriums, dessen Seele H. v. d. Pfordte».
Frischroth, beinahe heiter spielend hatte dieser bisher die Hanpttugeln der Oppo¬
sition in die Luft geworfen, unbefangen, beinahe lächelnd im Regen der Pfeile
gesessen, die machtlos an ihm herabrasfelten. Aber dieses neue Degenspiel, Man"
an Manu, wobei der Gegner nicht verfehlte, des Ministers eigene Redewendungen
als.ätzendes Gift in jede geschlagene Wunde zu stoßen, dies entfärbte sogar mit¬
unter seine Wangen, und ließ ihn die Lippen zusammenpressen. Dennoch, schwieg
er gerade jetzt; der Minister konnte Dem nicht antworten, dessen Ausschließung
aus der Kammer als Rebell bereits formulirt war. Ein Paar laugathmige
Pfarrer, geschäftstrockeue Beamte, sogar der furchtbare Hr. v. Oberkamp glaubten
sich als hilfreiche Freunde berufen, und verdarben Alles. Die Wahl der Adreß-
commissivu ward beschlossen, das Ministerium hatte eine Niederlage erlitten, ehe
noch formell das Mißtrauensvotum ausgesprochen war. Hr. v. d. Pfordte»,
der Parlamentsredner, trug keine Schuld an diesem Ausgange der ersten Sitzung.
Aber sein Nimbus war vernichtet, dies wirkte weiter, und erschuf die Mehrheit
der Zehn, welche schwerlich zu Stande gekommen wäre, wenn in der ersten Sitzung
nicht die guten Freunde gewesen wären.

Hr. v. d. Pfordten hatte den Muth, mit der Auflösung der Kammer Z'l
antworten. Die neuen Wahlen wurden ausgeschrieben, als die Badisch-Pfälzische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/102>, abgerufen am 23.07.2024.