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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Spitze der großen Kathedrale Lausanne's, wo in dieser Zeit die grün und
weiße Fahne, die Cantonalfahne, ausgezogen wurde; -- wir befanden uns am
Vorabend der Ms eivicinv, der Jahresfeier der 18i!;.-Waadtländer Revolution,
de'r Feier des Jahrestags der Einführung der jetzigen neuesten Verfassung des
Landes. Es ist bekannt, daß der Canton WaM bis zur ersten Französischen
Revolution unter der Oberhoheit Beruf stand, welches dieses schöne Land mit
mehr als stiefmütterlicher Kargheit behandelte; daß die eigentliche Entwicke¬
lung des Landes erst seit der Zeit seiner, später 1813 durch die bekannten Ver¬
träge anerkannten Selbstständigkeit herdatirt, und daß, wenn gegenwärtig dieser
Canton an Bildung, Vortrefflichkeit seiner Schulen, öffentlichen Anstalten und
innern Verwaltung einer der ausgezeichnetsten der ganzen Schweiz genannt wer¬
den muß, es diesen Umstand namentlich der im Jahre 1845 gegebenen neuen
Verfassung zu danken hat. Kein Wunder also, daß dem Waadtländer Volke,
das die Segnungen seiner neuen Verfassung tagtäglich vor Augen hat, die Er¬
innerung der Entstehung derselben heilig ist, und daß dasselbe die Feier des Jah¬
restags der Einführung dieser segenbringenden Konstitution aufrecht erhalten
wissen will. Es war daher vorauszusehen, daß , als der. Große Rath im Lause
des letzten Monats beschlossen hatte, diese Feier auszusetzen, das Volk trotzdem
sein Fest, auch ohne Zuschuß aus der Staatskasse, feiern würde, und die Ueber¬
schrift über dem Eingang zu Festhütte: ,M jour no töte pour 1" kamÄv Vau-
ümse vör-it Ä" >r"p ?" die ovo den Ab- und Zugehenden beim Feste selbst mit
allgemeinen Beistimmungszeichen begrüßt wurde, war wol geeignet, den Groß-
"Aber, die gegen das Fest gestimmt hatten, zu beweisen, daß sie sich damit auf
ein höchst unpopuläres Feld versetzt hätten.

Ich meines Theils war neugierig, den Verlauf dieses Festes mit anzusehen,
^ ich einem solchen in der Schweiz noch nicht beigewohnt hatte, und aus frühe¬
rer Erfahrung wußte, daß es nicht leicht ist, Volksfeste, ohne langweilig zu wer¬
den, in entsprechender Weise durchzuführen. Freilich haben die Ansteller solcher
Feste in der Schweiz schon in sofern gegen Andere in andern Ländern ein leichteres
Spiel, als die herrliche Natur ihnen unter die Arme greift, und es ihnen leicht
'"acht, mit geringen Kosten jeden Halbweg geeigneten Platz in ein kleines Pa--
radies vorübergehender Lust und Herrlichkeit umzuwandeln! Lausanne besonders
mit seinem wundervoll gelegenen Montbenon bietet hierzu die schönste Gelegen¬
heit. Die Esplanade de Montbenon ist unstreitig der schönste Platz in der
""mittelbaren Nähe des schvngelegenen Lausanne. Ein ungeheurer, weiter Platz,
M beiden Seiten mit den schönsten Lindenalleen versehen, dient Montbenon den
Lcinsanncrn zu den meisten größern Festlichkeiten, vor Allem aber zum Exerciren
Ivwol des Militairs, wie der ocillvKivn^ und ist zugleich einer der schönsten
Spaziergänge, die mau sich denken kann. Die schönste Aussicht über den ganzen
ungeheuren Spiegel des Genfersees und die gegenüberliegenden Piemontesischen,


Grenzboten, UI. i"^. . 39

Spitze der großen Kathedrale Lausanne's, wo in dieser Zeit die grün und
weiße Fahne, die Cantonalfahne, ausgezogen wurde; — wir befanden uns am
Vorabend der Ms eivicinv, der Jahresfeier der 18i!;.-Waadtländer Revolution,
de'r Feier des Jahrestags der Einführung der jetzigen neuesten Verfassung des
Landes. Es ist bekannt, daß der Canton WaM bis zur ersten Französischen
Revolution unter der Oberhoheit Beruf stand, welches dieses schöne Land mit
mehr als stiefmütterlicher Kargheit behandelte; daß die eigentliche Entwicke¬
lung des Landes erst seit der Zeit seiner, später 1813 durch die bekannten Ver¬
träge anerkannten Selbstständigkeit herdatirt, und daß, wenn gegenwärtig dieser
Canton an Bildung, Vortrefflichkeit seiner Schulen, öffentlichen Anstalten und
innern Verwaltung einer der ausgezeichnetsten der ganzen Schweiz genannt wer¬
den muß, es diesen Umstand namentlich der im Jahre 1845 gegebenen neuen
Verfassung zu danken hat. Kein Wunder also, daß dem Waadtländer Volke,
das die Segnungen seiner neuen Verfassung tagtäglich vor Augen hat, die Er¬
innerung der Entstehung derselben heilig ist, und daß dasselbe die Feier des Jah¬
restags der Einführung dieser segenbringenden Konstitution aufrecht erhalten
wissen will. Es war daher vorauszusehen, daß , als der. Große Rath im Lause
des letzten Monats beschlossen hatte, diese Feier auszusetzen, das Volk trotzdem
sein Fest, auch ohne Zuschuß aus der Staatskasse, feiern würde, und die Ueber¬
schrift über dem Eingang zu Festhütte: ,M jour no töte pour 1» kamÄv Vau-
ümse vör-it Ä« >r»p ?" die ovo den Ab- und Zugehenden beim Feste selbst mit
allgemeinen Beistimmungszeichen begrüßt wurde, war wol geeignet, den Groß-
"Aber, die gegen das Fest gestimmt hatten, zu beweisen, daß sie sich damit auf
ein höchst unpopuläres Feld versetzt hätten.

Ich meines Theils war neugierig, den Verlauf dieses Festes mit anzusehen,
^ ich einem solchen in der Schweiz noch nicht beigewohnt hatte, und aus frühe¬
rer Erfahrung wußte, daß es nicht leicht ist, Volksfeste, ohne langweilig zu wer¬
den, in entsprechender Weise durchzuführen. Freilich haben die Ansteller solcher
Feste in der Schweiz schon in sofern gegen Andere in andern Ländern ein leichteres
Spiel, als die herrliche Natur ihnen unter die Arme greift, und es ihnen leicht
'»acht, mit geringen Kosten jeden Halbweg geeigneten Platz in ein kleines Pa--
radies vorübergehender Lust und Herrlichkeit umzuwandeln! Lausanne besonders
mit seinem wundervoll gelegenen Montbenon bietet hierzu die schönste Gelegen¬
heit. Die Esplanade de Montbenon ist unstreitig der schönste Platz in der
"»mittelbaren Nähe des schvngelegenen Lausanne. Ein ungeheurer, weiter Platz,
M beiden Seiten mit den schönsten Lindenalleen versehen, dient Montbenon den
Lcinsanncrn zu den meisten größern Festlichkeiten, vor Allem aber zum Exerciren
Ivwol des Militairs, wie der ocillvKivn^ und ist zugleich einer der schönsten
Spaziergänge, die mau sich denken kann. Die schönste Aussicht über den ganzen
ungeheuren Spiegel des Genfersees und die gegenüberliegenden Piemontesischen,


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[0473] Spitze der großen Kathedrale Lausanne's, wo in dieser Zeit die grün und weiße Fahne, die Cantonalfahne, ausgezogen wurde; — wir befanden uns am Vorabend der Ms eivicinv, der Jahresfeier der 18i!;.-Waadtländer Revolution, de'r Feier des Jahrestags der Einführung der jetzigen neuesten Verfassung des Landes. Es ist bekannt, daß der Canton WaM bis zur ersten Französischen Revolution unter der Oberhoheit Beruf stand, welches dieses schöne Land mit mehr als stiefmütterlicher Kargheit behandelte; daß die eigentliche Entwicke¬ lung des Landes erst seit der Zeit seiner, später 1813 durch die bekannten Ver¬ träge anerkannten Selbstständigkeit herdatirt, und daß, wenn gegenwärtig dieser Canton an Bildung, Vortrefflichkeit seiner Schulen, öffentlichen Anstalten und innern Verwaltung einer der ausgezeichnetsten der ganzen Schweiz genannt wer¬ den muß, es diesen Umstand namentlich der im Jahre 1845 gegebenen neuen Verfassung zu danken hat. Kein Wunder also, daß dem Waadtländer Volke, das die Segnungen seiner neuen Verfassung tagtäglich vor Augen hat, die Er¬ innerung der Entstehung derselben heilig ist, und daß dasselbe die Feier des Jah¬ restags der Einführung dieser segenbringenden Konstitution aufrecht erhalten wissen will. Es war daher vorauszusehen, daß , als der. Große Rath im Lause des letzten Monats beschlossen hatte, diese Feier auszusetzen, das Volk trotzdem sein Fest, auch ohne Zuschuß aus der Staatskasse, feiern würde, und die Ueber¬ schrift über dem Eingang zu Festhütte: ,M jour no töte pour 1» kamÄv Vau- ümse vör-it Ä« >r»p ?" die ovo den Ab- und Zugehenden beim Feste selbst mit allgemeinen Beistimmungszeichen begrüßt wurde, war wol geeignet, den Groß- "Aber, die gegen das Fest gestimmt hatten, zu beweisen, daß sie sich damit auf ein höchst unpopuläres Feld versetzt hätten. Ich meines Theils war neugierig, den Verlauf dieses Festes mit anzusehen, ^ ich einem solchen in der Schweiz noch nicht beigewohnt hatte, und aus frühe¬ rer Erfahrung wußte, daß es nicht leicht ist, Volksfeste, ohne langweilig zu wer¬ den, in entsprechender Weise durchzuführen. Freilich haben die Ansteller solcher Feste in der Schweiz schon in sofern gegen Andere in andern Ländern ein leichteres Spiel, als die herrliche Natur ihnen unter die Arme greift, und es ihnen leicht '»acht, mit geringen Kosten jeden Halbweg geeigneten Platz in ein kleines Pa-- radies vorübergehender Lust und Herrlichkeit umzuwandeln! Lausanne besonders mit seinem wundervoll gelegenen Montbenon bietet hierzu die schönste Gelegen¬ heit. Die Esplanade de Montbenon ist unstreitig der schönste Platz in der "»mittelbaren Nähe des schvngelegenen Lausanne. Ein ungeheurer, weiter Platz, M beiden Seiten mit den schönsten Lindenalleen versehen, dient Montbenon den Lcinsanncrn zu den meisten größern Festlichkeiten, vor Allem aber zum Exerciren Ivwol des Militairs, wie der ocillvKivn^ und ist zugleich einer der schönsten Spaziergänge, die mau sich denken kann. Die schönste Aussicht über den ganzen ungeheuren Spiegel des Genfersees und die gegenüberliegenden Piemontesischen, Grenzboten, UI. i«^. . 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/473>, abgerufen am 04.07.2024.