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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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freundlich, da die Blüthe der Stadt von der innigsten Verbindung mit diesem
Elemente bedingt ist, und der Magyar im Geschäft von einer seltenen Ehrlichkeit,
ja oft von einer zum Betrug einladenden Naivetät ist. Nationale Reibungen
finden in diesen nördlichen Zwischenstädten, bei dem bekannten Umstände, daß
die Nordslaven überhaupt treu zu den Magyaren halten, und nur einige an der
Landesgrenze liegende Gegenden, wie Lipto, der nordwestliche Theil von Neutra,
und einige Theile von Thurocz von dem Panslavismus inficirt siud, selten Statt;
aber Losoncz war und ist anch durch seine Lage den Gefahren des offenen Krieges
um so mehr ausgesetzt. Seit 1128, wo dieser Stadt zum ersten Mal in den Chroniken
Erwähnung geschieht, ging selten ein Decennium vorüber, wo die Einwohner nicht
von deu Kriegen der Ungarischen Könige unter einander und mit ihren mächtige"
.Vasallen, oder von den Raubzügen und Brandschcchungen der gewaltigen Burg¬
herren von Gans, Dio6up und Fület, von deu Hussiten unter Giskra, von den
Türken und den Ungarischen Insurgenten Bvcskay, Bethlen, Tvkvly Naknczy, oder
ihren Gegnern hart mitgenommen worden wären.

Ihr großes Unglück im Sommer -1849 hat diese Stadt, wie wir sogleich
sehen werden, ebenfalls nnr ihrer strategischen Lage, durchaus aber nicht ihrer
eigenen Verschuldung zuzuschreiben. Hier nur noch eine vorläufige Bemerkung-
In Ungarn bestanden im Vormärz, außer den Dörfern und Marktflecken, Zwei
Gattungen von eigentlichen Städten, nämlich: königliche Freistätte, welche einen
selbstständigen Magistrat und das Recht hatten, den Reichstag mit zwei Dey>>-
tirten zu beschicken, und sogenannte freie und bischöfliche Städte, deren Senat
in juridischen und Administrationsangelegenhciten eine bedeutende Competenz hatte,
aber dennoch unter der Controle und Oberhoheit des Cvmitats stand, und die
beim Reichstag gar uicht vertreten waren. Manche dieser letztem standen so"M'
noch in gewissen Punkten unter gruudherrlicher Botmäßigkeit. Diese Städte
waren in den lejztew Decennien die treuesten und eifrigsten Genossen der liberalen
Opposition, während die Notteubvrvughs, wie Ruft, Sz. Georgen, Skaltz
u. s. w. ans den Reichstagen der conservativen Partei den Schlepp trugen, und
zwar aus dem ganz natürliche" Grunde, weil diese bereits ihr unveräußerliches
Recht einer königliche" Freistadt besaßen; die noch nicht privilegirten Städte aber,
und besonders jene, welche wenig Hoffnung hatten, je ein solches Privilegium z"
erhalten, waren durch die Verhältnisse in die Arme der Opposition gedrängt, da
ihnen nur vou dieser Seite eine Vertretung i" der Legislative und freiere Be¬
wegung im Gemeindeleben versprochen, und auch mit ziemlicher Wahrscheinlichst
in Aussicht MM wurde. Zu dieser letztem Klasse gehörte auch Losoncz, ""d
diese Gesinnung fand, wie in andern ähnlichen Städten, im öffentlichen und
Privatleben der Einwohner ihren Ausdruck. Ich habe diesen Gegenstand etwas
genauer erörtert, weil sie den ausländischen Leser einen leichtern Blick in die
vormärzlichen /Verhältnisse unsers Landes thun läßt. Man findet es in gewissen


freundlich, da die Blüthe der Stadt von der innigsten Verbindung mit diesem
Elemente bedingt ist, und der Magyar im Geschäft von einer seltenen Ehrlichkeit,
ja oft von einer zum Betrug einladenden Naivetät ist. Nationale Reibungen
finden in diesen nördlichen Zwischenstädten, bei dem bekannten Umstände, daß
die Nordslaven überhaupt treu zu den Magyaren halten, und nur einige an der
Landesgrenze liegende Gegenden, wie Lipto, der nordwestliche Theil von Neutra,
und einige Theile von Thurocz von dem Panslavismus inficirt siud, selten Statt;
aber Losoncz war und ist anch durch seine Lage den Gefahren des offenen Krieges
um so mehr ausgesetzt. Seit 1128, wo dieser Stadt zum ersten Mal in den Chroniken
Erwähnung geschieht, ging selten ein Decennium vorüber, wo die Einwohner nicht
von deu Kriegen der Ungarischen Könige unter einander und mit ihren mächtige»
.Vasallen, oder von den Raubzügen und Brandschcchungen der gewaltigen Burg¬
herren von Gans, Dio6up und Fület, von deu Hussiten unter Giskra, von den
Türken und den Ungarischen Insurgenten Bvcskay, Bethlen, Tvkvly Naknczy, oder
ihren Gegnern hart mitgenommen worden wären.

Ihr großes Unglück im Sommer -1849 hat diese Stadt, wie wir sogleich
sehen werden, ebenfalls nnr ihrer strategischen Lage, durchaus aber nicht ihrer
eigenen Verschuldung zuzuschreiben. Hier nur noch eine vorläufige Bemerkung-
In Ungarn bestanden im Vormärz, außer den Dörfern und Marktflecken, Zwei
Gattungen von eigentlichen Städten, nämlich: königliche Freistätte, welche einen
selbstständigen Magistrat und das Recht hatten, den Reichstag mit zwei Dey>>-
tirten zu beschicken, und sogenannte freie und bischöfliche Städte, deren Senat
in juridischen und Administrationsangelegenhciten eine bedeutende Competenz hatte,
aber dennoch unter der Controle und Oberhoheit des Cvmitats stand, und die
beim Reichstag gar uicht vertreten waren. Manche dieser letztem standen so«M'
noch in gewissen Punkten unter gruudherrlicher Botmäßigkeit. Diese Städte
waren in den lejztew Decennien die treuesten und eifrigsten Genossen der liberalen
Opposition, während die Notteubvrvughs, wie Ruft, Sz. Georgen, Skaltz
u. s. w. ans den Reichstagen der conservativen Partei den Schlepp trugen, und
zwar aus dem ganz natürliche» Grunde, weil diese bereits ihr unveräußerliches
Recht einer königliche» Freistadt besaßen; die noch nicht privilegirten Städte aber,
und besonders jene, welche wenig Hoffnung hatten, je ein solches Privilegium z"
erhalten, waren durch die Verhältnisse in die Arme der Opposition gedrängt, da
ihnen nur vou dieser Seite eine Vertretung i» der Legislative und freiere Be¬
wegung im Gemeindeleben versprochen, und auch mit ziemlicher Wahrscheinlichst
in Aussicht MM wurde. Zu dieser letztem Klasse gehörte auch Losoncz, "»d
diese Gesinnung fand, wie in andern ähnlichen Städten, im öffentlichen und
Privatleben der Einwohner ihren Ausdruck. Ich habe diesen Gegenstand etwas
genauer erörtert, weil sie den ausländischen Leser einen leichtern Blick in die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/450>, abgerufen am 04.07.2024.