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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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hoher Zaun aus Weidenbüschen geflochten, oben mit einem Kranze von Dornen
belegt, trennt Hof, Garten und Koppel von der ungepflasterten, je nach der
Witterung entweder sandigen, oder schmuzigen Dorfstraße. Ein breites, schlecht
aus ungehobelten Bretern zusammengeschlagenes Hofthor hängt lose in zwei etwas
stärkeren Pfählen, läßt sich aber uur mit Mühe schließen, daher es gewöhnlich in
der Nacht offen steht, oder höchstens halb angelehnt wird. Mehrere Flügel von
Eule", oder anch andern Raubvögeln, sind an den einen Pfahl angenagelt, weil
dies heilsame Wirkung ans das ein- und anstreichende Vieh äußern, nud die
Hexen abhalten soll. Von dem Thor sührt ein schlecht, gepflasterter und noch
schlechter unterhaltener Steindamm in die große Hauptthür des Wohnhauses,
welches ungefähr 23 Schritt davou liegt.. Diese, gleich kunstlos wie das Hofthor
gearbeitet, ist von der Höhe und Weite, daß ein voller Kornwagen ungehindert
hindnrchfahreu kann. Tritt man in dieses Tag und Nacht offenstehende Haus¬
thor, so befindet man sich in einem hohen, weiten Raum ohne Fenster, der sein
Licht allein durch die offenstehende Thür erhält. Die aus festem Lehm geschlagene
Diele desselben dient zum Dreschen, oder es stehe" beladene Wagen daraus, da
sie doch breiter als die Hausthür ist, und fast so lang, als das ganze Haus selbst.
Glänzend schwarz von Rauch gebeizt, der vom Heerde kommend durch alle Fuge"
und Löcher sich einen Ausweg sucht, denn der Gebrauch des Schornsteins ist in
den meisten Mecklenburgischen Bauernhäusern noch unbekannt, ist alles Holzwerk
aus dieser "Dahl" (Diele). Am Eude derselben, der Thür gegenüber, schließt
eine Lehmwand von i ---> Fuß die Küche von dem übrigen Raum ab. Ein aus
Steinen gemauerter Heerd, auf dessen einer Seite ein großer eiserner Kessel hängt,
rings herum mit eiuer Borde sür die irdenen Teller und Schüsseln umgeben, an der
Seite der Lehmwand einige Wassereimer, Grapen, eine Biertonue, ein Butterfaß
bilden die Ausstattung dieser Küche. Da sie ihr Licht nur von der Diele empfängt,
so ist sie nie hell. An beiden lauge" Seite" der Diele, uur durch eine niedrige,
oft nur aus Holzstämmen bestehende Wand vo" derselbe" getrennt, sind die Ställe
für das Rindvieh und die Pferde, gewöhnlich 18--24 Kühe und 8 Pferde
enthaltend. Die Thiere schaneu mit den Köpfen frei in den Dielenraum hinei",
und können, da die Raufen und Krippe" a"f der nieder" Scheidewand ange¬
bracht sind, sehr bequem vou derselben.aus gefüttert werden. An dem Ende jeder
dieses Ställe, nach der Küche zu, befindet sich auf jeder Seile eine kleine Kam¬
mer, die auch ein winziges Feuster uach außen hat, und aus der eine Thür "ach
der Diele führt. Die Kammer auf der Seite des Pferdestalls enthält die "Laden",
Koffer der Knechte nud das zweischläfrige Bett, in dem die beiden Pferdeknechte
schlafen, die auf der Seite des Kuhstalls die gleiche Einrichtung für die bilden
Dienstmädchen. So schläft Jedes an der Seite deö Viehes, das seiner besonder"
Pflege anvertraut ist, und da die Zwischenräume oft sehr mangelhaft sind, so kau"
es sein, daß ein Pferd in das Bett des Knechtes mit dem Kopfe schnuppert, oder
eine Kuh in das der Magd.


hoher Zaun aus Weidenbüschen geflochten, oben mit einem Kranze von Dornen
belegt, trennt Hof, Garten und Koppel von der ungepflasterten, je nach der
Witterung entweder sandigen, oder schmuzigen Dorfstraße. Ein breites, schlecht
aus ungehobelten Bretern zusammengeschlagenes Hofthor hängt lose in zwei etwas
stärkeren Pfählen, läßt sich aber uur mit Mühe schließen, daher es gewöhnlich in
der Nacht offen steht, oder höchstens halb angelehnt wird. Mehrere Flügel von
Eule», oder anch andern Raubvögeln, sind an den einen Pfahl angenagelt, weil
dies heilsame Wirkung ans das ein- und anstreichende Vieh äußern, nud die
Hexen abhalten soll. Von dem Thor sührt ein schlecht, gepflasterter und noch
schlechter unterhaltener Steindamm in die große Hauptthür des Wohnhauses,
welches ungefähr 23 Schritt davou liegt.. Diese, gleich kunstlos wie das Hofthor
gearbeitet, ist von der Höhe und Weite, daß ein voller Kornwagen ungehindert
hindnrchfahreu kann. Tritt man in dieses Tag und Nacht offenstehende Haus¬
thor, so befindet man sich in einem hohen, weiten Raum ohne Fenster, der sein
Licht allein durch die offenstehende Thür erhält. Die aus festem Lehm geschlagene
Diele desselben dient zum Dreschen, oder es stehe» beladene Wagen daraus, da
sie doch breiter als die Hausthür ist, und fast so lang, als das ganze Haus selbst.
Glänzend schwarz von Rauch gebeizt, der vom Heerde kommend durch alle Fuge"
und Löcher sich einen Ausweg sucht, denn der Gebrauch des Schornsteins ist in
den meisten Mecklenburgischen Bauernhäusern noch unbekannt, ist alles Holzwerk
aus dieser „Dahl" (Diele). Am Eude derselben, der Thür gegenüber, schließt
eine Lehmwand von i —-> Fuß die Küche von dem übrigen Raum ab. Ein aus
Steinen gemauerter Heerd, auf dessen einer Seite ein großer eiserner Kessel hängt,
rings herum mit eiuer Borde sür die irdenen Teller und Schüsseln umgeben, an der
Seite der Lehmwand einige Wassereimer, Grapen, eine Biertonue, ein Butterfaß
bilden die Ausstattung dieser Küche. Da sie ihr Licht nur von der Diele empfängt,
so ist sie nie hell. An beiden lauge» Seite» der Diele, uur durch eine niedrige,
oft nur aus Holzstämmen bestehende Wand vo» derselbe» getrennt, sind die Ställe
für das Rindvieh und die Pferde, gewöhnlich 18—24 Kühe und 8 Pferde
enthaltend. Die Thiere schaneu mit den Köpfen frei in den Dielenraum hinei»,
und können, da die Raufen und Krippe» a»f der nieder» Scheidewand ange¬
bracht sind, sehr bequem vou derselben.aus gefüttert werden. An dem Ende jeder
dieses Ställe, nach der Küche zu, befindet sich auf jeder Seile eine kleine Kam¬
mer, die auch ein winziges Feuster uach außen hat, und aus der eine Thür »ach
der Diele führt. Die Kammer auf der Seite des Pferdestalls enthält die „Laden",
Koffer der Knechte nud das zweischläfrige Bett, in dem die beiden Pferdeknechte
schlafen, die auf der Seite des Kuhstalls die gleiche Einrichtung für die bilden
Dienstmädchen. So schläft Jedes an der Seite deö Viehes, das seiner besonder"
Pflege anvertraut ist, und da die Zwischenräume oft sehr mangelhaft sind, so kau"
es sein, daß ein Pferd in das Bett des Knechtes mit dem Kopfe schnuppert, oder
eine Kuh in das der Magd.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/410>, abgerufen am 30.06.2024.