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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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det ihr eS zugeben, daß der alte Heldenruhm der Söhne Arpad's wieder befleckt,
unser freie Boden entweiht, unser heiliges Nationalpalladium: Ungarns Freiheit
uns abermals entrissen werde? -- Wir sind in euere Mitte gekommen, nicht, weil
wir Pesel) verlassen mußten, sondern weil wir es uns zum le-leerten Grundge¬
setz gemacht, unsere eigene Bequemlichkeit, die Sicherheit des Regierungssitzes, zu
jeder Zeit den Erfordernissen der Kriegsvperationen zu unterordnen, und so diese
es erheischen, jenen unverzüglich zu wechseln. Wir sind auch darum in Euere
Mitte gekommen, weil wir wissen, daß wir auch im schlimmsten Fall auf euch
zählen können, daß ihr uicht nur des Sieges Früchte in Ehren angemeßen, im
Momente der Gefahr aber die heilige Sache feige verlasse" wollet (eine Anspie¬
lung auf das Verhalten der Pesth-Ofener Bürger, gegen welche Kossuth damals
sehr aufgebracht war, und die er auch in der Pesthcr Neichstagssttznng vom
2. Juli mit Vorwürfen überhäuft hatte) daß ihr bereit seid, euch sammt Weib
und Kind lieber unter den Ruinen der Stadt und in den Wellen der Theiß zu
begraben, als eueren Nacken neuerdings in das Joch russisch-habsburgischen
Despotismus zu beugen. -- So weit soll es jedoch nicht kommen. Noch lebt
der alte Gott der Magyaren, noch lebt ihr alter Heldenmuth und ihre unbesieg¬
bare Tapferkeit, welche die kriegerprobteu Feiudesschaaren schon so oft zu Paaren
getrieben. Das Schicksal will uns prüfen. Wir werden die Probe glänzend be¬
stehen. Denn uns ward in der Geschichte der Neuzeit das schönste Loos zuge¬
wiesen: Mit uns siegt die Freiheit Enropas; unserem Grabe entsprießt in neuer
Kraft die Nieseneiche des Despotismus. -- Ihr wißt, daß meine Prophezeihungen
selten trügen. Nun denn, wie ich es -- als unsere Sache dem völligen Unter¬
gang nahe schien -- prophczeihte, daß von Debreczin aus die Unabhängig¬
keit Ungarns verkündet werden wird, und diese Prophezeihung buchstäblich er¬
füllt wurde, so prophezeie ich jetzt, daß von Szegedin aus die Freiheit Euro¬
pas decretirt und errungen wird." .....

Der freundliche Mond war eben aufgegangen und beleuchtete mit seinem Sil¬
berglanze des Redners verklärtes Gesicht. Der Glanz der hundert und hundert
Fackeln umgab es mit einem blendenden Glorienschein. Die Situation war so
hinreißend, seine Sprache so bezaubernd, daß es schwer war, seinen Prophezei¬
ungen nicht Glaube" zu schenken.

Jede hervorragende Stelle der Rede wurde von tausendstimmiger Eljen's,
Betheuerungen und Versicherungen begleitet. Und es war ein fast schauerlicher, aber
ergreifender und erhebender Anblick, wenn in der fackelerhellten Nacht bei manchen
Stellen der Rede tausende und tausende Hände in die Höhe fuhren, um im An¬
gesichts des Himmels die patriotischen Versicherungen durch den heiligsten Schwur
zu bekräftigen. "Leben und Sterben für das Vaterland und für die Freiheit",
erscholl es immer wieder aus allen Kehlen. Und ein tausendstimmiger Chorus


det ihr eS zugeben, daß der alte Heldenruhm der Söhne Arpad's wieder befleckt,
unser freie Boden entweiht, unser heiliges Nationalpalladium: Ungarns Freiheit
uns abermals entrissen werde? — Wir sind in euere Mitte gekommen, nicht, weil
wir Pesel) verlassen mußten, sondern weil wir es uns zum le-leerten Grundge¬
setz gemacht, unsere eigene Bequemlichkeit, die Sicherheit des Regierungssitzes, zu
jeder Zeit den Erfordernissen der Kriegsvperationen zu unterordnen, und so diese
es erheischen, jenen unverzüglich zu wechseln. Wir sind auch darum in Euere
Mitte gekommen, weil wir wissen, daß wir auch im schlimmsten Fall auf euch
zählen können, daß ihr uicht nur des Sieges Früchte in Ehren angemeßen, im
Momente der Gefahr aber die heilige Sache feige verlasse» wollet (eine Anspie¬
lung auf das Verhalten der Pesth-Ofener Bürger, gegen welche Kossuth damals
sehr aufgebracht war, und die er auch in der Pesthcr Neichstagssttznng vom
2. Juli mit Vorwürfen überhäuft hatte) daß ihr bereit seid, euch sammt Weib
und Kind lieber unter den Ruinen der Stadt und in den Wellen der Theiß zu
begraben, als eueren Nacken neuerdings in das Joch russisch-habsburgischen
Despotismus zu beugen. — So weit soll es jedoch nicht kommen. Noch lebt
der alte Gott der Magyaren, noch lebt ihr alter Heldenmuth und ihre unbesieg¬
bare Tapferkeit, welche die kriegerprobteu Feiudesschaaren schon so oft zu Paaren
getrieben. Das Schicksal will uns prüfen. Wir werden die Probe glänzend be¬
stehen. Denn uns ward in der Geschichte der Neuzeit das schönste Loos zuge¬
wiesen: Mit uns siegt die Freiheit Enropas; unserem Grabe entsprießt in neuer
Kraft die Nieseneiche des Despotismus. — Ihr wißt, daß meine Prophezeihungen
selten trügen. Nun denn, wie ich es — als unsere Sache dem völligen Unter¬
gang nahe schien — prophczeihte, daß von Debreczin aus die Unabhängig¬
keit Ungarns verkündet werden wird, und diese Prophezeihung buchstäblich er¬
füllt wurde, so prophezeie ich jetzt, daß von Szegedin aus die Freiheit Euro¬
pas decretirt und errungen wird." .....

Der freundliche Mond war eben aufgegangen und beleuchtete mit seinem Sil¬
berglanze des Redners verklärtes Gesicht. Der Glanz der hundert und hundert
Fackeln umgab es mit einem blendenden Glorienschein. Die Situation war so
hinreißend, seine Sprache so bezaubernd, daß es schwer war, seinen Prophezei¬
ungen nicht Glaube» zu schenken.

Jede hervorragende Stelle der Rede wurde von tausendstimmiger Eljen's,
Betheuerungen und Versicherungen begleitet. Und es war ein fast schauerlicher, aber
ergreifender und erhebender Anblick, wenn in der fackelerhellten Nacht bei manchen
Stellen der Rede tausende und tausende Hände in die Höhe fuhren, um im An¬
gesichts des Himmels die patriotischen Versicherungen durch den heiligsten Schwur
zu bekräftigen. „Leben und Sterben für das Vaterland und für die Freiheit",
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/80>, abgerufen am 24.07.2024.