Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.in deren Folge die Kammern erst beinahe vier Wochen nach ihrer Zusammenberu¬ Die Bedeutung des gegenwärtigen sächsischen Landtags beruht weniger auf Die Stellung der sächsischen Volksvertretung zu dieser für Sachsen, wie sür Bei den Wahlen zum gegenwärtigen Landtage standen fast überall nur zwei in deren Folge die Kammern erst beinahe vier Wochen nach ihrer Zusammenberu¬ Die Bedeutung des gegenwärtigen sächsischen Landtags beruht weniger auf Die Stellung der sächsischen Volksvertretung zu dieser für Sachsen, wie sür Bei den Wahlen zum gegenwärtigen Landtage standen fast überall nur zwei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92893"/> <p xml:id="ID_197" prev="#ID_196"> in deren Folge die Kammern erst beinahe vier Wochen nach ihrer Zusammenberu¬<lb/> fung beschlußfähig wurden; an dem Reste haben die schwerfälligen sächsischen Ge¬<lb/> schäftsformen, die hergebrachte Umständlichkeit und Langsamkeit der Ausschußarbeiten,<lb/> das häufige Hin - und Herreisen vieler Abgeordneten zwischen dem Orte ihrer<lb/> ständische» Wirksamkeit und deu gewohnten Kreisen ihrer heimischen Berufsthätig¬<lb/> keit, der sie sich nicht entziehen wollen, so ziemlich gleichen Antheil.</p><lb/> <p xml:id="ID_198"> Die Bedeutung des gegenwärtigen sächsischen Landtags beruht weniger auf<lb/> dem, was er nach innen für die politische und materielle Entwicklung des kleinen<lb/> Ländchens wirken kann, (obgleich auch nach dieser Seite hin wichtige Aufgaben<lb/> seiner harren), als vielmehr auf dem Gewicht, das er durch seine Entscheidung<lb/> in der großen Lebensfrage der politischen Neugestaltung Deutschlands in die eine<lb/> oder andere der aus- und niederschwankenden Waagschalen zu werfen berufen scheint.<lb/> Sachsen ist militärisch, politisch, commerciell die wichtigste Position, wie für, so<lb/> gegen den Bundesstaat; Sachsens Beitritt arrondirt diesen an seiner wichtigsten<lb/> und gefährlichsten Stelle, an der Hauptgrenze gegen Oestreich, — drückt zugleich<lb/> am Unmittelbarsten aufBaieru, indem er dasselbe isolirt. Mit Sachsen zur Rechten,<lb/> mit Würtemberg zur Linken könnte Baiern allenfalls daran denken, eine selbst»<lb/> ständige Mittelstellung in Deutschland einzunehmen; ohne Sachsen ist es, selbst<lb/> mit Würtemberg und Hannover im Bunde, dazu außer Stande und hat, wenn<lb/> «s sich'dem Bundesstaate beharrlich entziehen will, keine Wahl, als das nackte<lb/> Vasalleuthum Oestreichs. Sehr begreiflich daher, daß diese wichtigste Position<lb/> von den Gegnern des Bundesstaates, (welche dieselbe leider zur Zeit innehaben),<lb/> am Hartnäckigsten und mit allen Mitteln vertheidigt wird, daß alle Fäden der<lb/> Intrigue hier zusammenlaufen und sich zu einem Knoten verschürzen, von dem<lb/> nur zu wünschen ist, daß nicht am Ende das Schwert ihn zerhauen müsse.</p><lb/> <p xml:id="ID_199"> Die Stellung der sächsischen Volksvertretung zu dieser für Sachsen, wie sür<lb/> ganz Deutschland wichtigsten Frage hängt aber mit der ganzen Haltung der Kam¬<lb/> mern, mit den Parteigegensätzen innerhalb derselben, mit ihrem Verhältniß zur<lb/> Regierung und zu deren politischem System überhaupt so eng zusammen, daß es<lb/> wohl der Mühe verlohnt, sie von diesem weiteren Gesichtspunkte aus ins Auge<lb/> zu fassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_200" next="#ID_201"> Bei den Wahlen zum gegenwärtigen Landtage standen fast überall nur zwei<lb/> Parteien, eine Rechte und eine Linke, ohne weitere Nüancirung einander gegen¬<lb/> über. Die abschreckende Erinnerung an die letztvorhergegangene, uuter dem Namen<lb/> des „Uuverstaudlandtags" sprichwörtlich gewordene Versammlung mahnte alle nicht¬<lb/> radikalen Elemente der Wählerschaft zum festen Zusammenhalten, mit Beiseitsetzung<lb/> jeder besondern Meinnngsschattirung innerhalb dieses allgemeinen Standpunktes.<lb/> Nur an einzelnen Orten ließ der zelotische Starrsinn der conservativen Ultras<lb/> eine solche Einigung nicht zu Stande kommen, wofür denn diese Fraction, freilich<lb/> aber mit ihr unverschuldeter Weise auch die gemäßigt conservative Partei, durch</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
in deren Folge die Kammern erst beinahe vier Wochen nach ihrer Zusammenberu¬
fung beschlußfähig wurden; an dem Reste haben die schwerfälligen sächsischen Ge¬
schäftsformen, die hergebrachte Umständlichkeit und Langsamkeit der Ausschußarbeiten,
das häufige Hin - und Herreisen vieler Abgeordneten zwischen dem Orte ihrer
ständische» Wirksamkeit und deu gewohnten Kreisen ihrer heimischen Berufsthätig¬
keit, der sie sich nicht entziehen wollen, so ziemlich gleichen Antheil.
Die Bedeutung des gegenwärtigen sächsischen Landtags beruht weniger auf
dem, was er nach innen für die politische und materielle Entwicklung des kleinen
Ländchens wirken kann, (obgleich auch nach dieser Seite hin wichtige Aufgaben
seiner harren), als vielmehr auf dem Gewicht, das er durch seine Entscheidung
in der großen Lebensfrage der politischen Neugestaltung Deutschlands in die eine
oder andere der aus- und niederschwankenden Waagschalen zu werfen berufen scheint.
Sachsen ist militärisch, politisch, commerciell die wichtigste Position, wie für, so
gegen den Bundesstaat; Sachsens Beitritt arrondirt diesen an seiner wichtigsten
und gefährlichsten Stelle, an der Hauptgrenze gegen Oestreich, — drückt zugleich
am Unmittelbarsten aufBaieru, indem er dasselbe isolirt. Mit Sachsen zur Rechten,
mit Würtemberg zur Linken könnte Baiern allenfalls daran denken, eine selbst»
ständige Mittelstellung in Deutschland einzunehmen; ohne Sachsen ist es, selbst
mit Würtemberg und Hannover im Bunde, dazu außer Stande und hat, wenn
«s sich'dem Bundesstaate beharrlich entziehen will, keine Wahl, als das nackte
Vasalleuthum Oestreichs. Sehr begreiflich daher, daß diese wichtigste Position
von den Gegnern des Bundesstaates, (welche dieselbe leider zur Zeit innehaben),
am Hartnäckigsten und mit allen Mitteln vertheidigt wird, daß alle Fäden der
Intrigue hier zusammenlaufen und sich zu einem Knoten verschürzen, von dem
nur zu wünschen ist, daß nicht am Ende das Schwert ihn zerhauen müsse.
Die Stellung der sächsischen Volksvertretung zu dieser für Sachsen, wie sür
ganz Deutschland wichtigsten Frage hängt aber mit der ganzen Haltung der Kam¬
mern, mit den Parteigegensätzen innerhalb derselben, mit ihrem Verhältniß zur
Regierung und zu deren politischem System überhaupt so eng zusammen, daß es
wohl der Mühe verlohnt, sie von diesem weiteren Gesichtspunkte aus ins Auge
zu fassen.
Bei den Wahlen zum gegenwärtigen Landtage standen fast überall nur zwei
Parteien, eine Rechte und eine Linke, ohne weitere Nüancirung einander gegen¬
über. Die abschreckende Erinnerung an die letztvorhergegangene, uuter dem Namen
des „Uuverstaudlandtags" sprichwörtlich gewordene Versammlung mahnte alle nicht¬
radikalen Elemente der Wählerschaft zum festen Zusammenhalten, mit Beiseitsetzung
jeder besondern Meinnngsschattirung innerhalb dieses allgemeinen Standpunktes.
Nur an einzelnen Orten ließ der zelotische Starrsinn der conservativen Ultras
eine solche Einigung nicht zu Stande kommen, wofür denn diese Fraction, freilich
aber mit ihr unverschuldeter Weise auch die gemäßigt conservative Partei, durch
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