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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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wie auch Sanct Peter seine eigenen Holzniederlcigen hatte. In Gemeinschaft mit
Russen dursten keine Geschäfte getrieben werden. Bei Strafe von fünfzig Mark
Silber war jedem deutschen Kaufmanne des Hofes geboten, kein Gut mit den
Russen in "Knmpagnie" zu haben und der Russen Gut nicht als Frachtgut zu
führen. Verbrecher mußten auf dem Hofe selbst, im "Thurme" bei Wasser und
Brot ihre Strafzeit absitzen. Starb einer der Gemeinde in Nowgorod, so nahm
der Begräbnißplatz Se. Peters seine Leiche auf. Andere Deutsche, die sich in
Nowgorod aufhielten, ohne sich der Innung anzuschließen, durften nur mit be¬
sonderer Erlaubniß des Acltermannes den Hof betreten. Um solche Fremde, so
wie Diebe und Gesindel am nächtlichen Einschleichen zu verhindern, waren für
den Hof und die Kirche eigene Wächter angestellt, die zu bestimmten Nachtstunden
anch die großen Kettenhunde loslassen durften.

In diese fast klösterliche Abgeschiedenheit des Hofes trat alljährlich zweimal,
wenn die deutschen Kanffahrteiflottcn mit ihren reichen Wagenladungen anlangten,
ein neues, verändertes Leben ein.

So gediehen durch deutsche Betriebsamkeit in Nowgorod wie ans der Insel
Gothland Handelsstiftuugen, die uuter sich wie mit dem Mutterlande im engsten
Verbände lebend, gar bald dem deutschen Wesen in allen nordischen Gebieten
Ansehen und Einfluß zu verschaffen wußten, zur selben Zeit, da jene Nittercolo-
nien in Estland und Livland, durch festen Anschluß an den deutschen Orden neu
gekräftigt, das Haus der deutschen Kirche hier zu schirmen und zu erweitern
strebten.




Die Hinrichtungen der Ungarn.
Von einem Ungarn ans Breslau.



Herr Redakteur! Recht war das Losungswort unseres Kampfes, Wahrheit
das Ziel, nach dem wir strebten. -- Wir sind erlegen. Ungarn, mein schö¬
nes Vaterland, liegt zerdrückt unter dem Habsburgischen Aar. Doch selbst die
Wiedergeburt meines Vaterlandes wollt' ich mit einer Lüge nicht erkaufen; und
es mußte mich um so mehr wundern, daß einer Ihrer ungarischen Korresponden¬
ten, die doch sonst gut unterrichtet zu sein Pflegen -- in dem Aufsatze "Ein Erlaß
des kommandirenden Generals in Ungarn" sich einer Unwahrheit bedient, um Hay-
nan zu persiffliren. --

Er behauptet nämlich, daß von Seite der ungarischen Regierung nicht mehr
als sechs standrechtliche Urtheile, fünf in Pesth nach dem Abzug von Windischgrätz,
und eines in Komorn, gefällt seien; und ferner, daß bis zu dem ersten Abzüge der


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wie auch Sanct Peter seine eigenen Holzniederlcigen hatte. In Gemeinschaft mit
Russen dursten keine Geschäfte getrieben werden. Bei Strafe von fünfzig Mark
Silber war jedem deutschen Kaufmanne des Hofes geboten, kein Gut mit den
Russen in „Knmpagnie" zu haben und der Russen Gut nicht als Frachtgut zu
führen. Verbrecher mußten auf dem Hofe selbst, im „Thurme" bei Wasser und
Brot ihre Strafzeit absitzen. Starb einer der Gemeinde in Nowgorod, so nahm
der Begräbnißplatz Se. Peters seine Leiche auf. Andere Deutsche, die sich in
Nowgorod aufhielten, ohne sich der Innung anzuschließen, durften nur mit be¬
sonderer Erlaubniß des Acltermannes den Hof betreten. Um solche Fremde, so
wie Diebe und Gesindel am nächtlichen Einschleichen zu verhindern, waren für
den Hof und die Kirche eigene Wächter angestellt, die zu bestimmten Nachtstunden
anch die großen Kettenhunde loslassen durften.

In diese fast klösterliche Abgeschiedenheit des Hofes trat alljährlich zweimal,
wenn die deutschen Kanffahrteiflottcn mit ihren reichen Wagenladungen anlangten,
ein neues, verändertes Leben ein.

So gediehen durch deutsche Betriebsamkeit in Nowgorod wie ans der Insel
Gothland Handelsstiftuugen, die uuter sich wie mit dem Mutterlande im engsten
Verbände lebend, gar bald dem deutschen Wesen in allen nordischen Gebieten
Ansehen und Einfluß zu verschaffen wußten, zur selben Zeit, da jene Nittercolo-
nien in Estland und Livland, durch festen Anschluß an den deutschen Orden neu
gekräftigt, das Haus der deutschen Kirche hier zu schirmen und zu erweitern
strebten.




Die Hinrichtungen der Ungarn.
Von einem Ungarn ans Breslau.



Herr Redakteur! Recht war das Losungswort unseres Kampfes, Wahrheit
das Ziel, nach dem wir strebten. — Wir sind erlegen. Ungarn, mein schö¬
nes Vaterland, liegt zerdrückt unter dem Habsburgischen Aar. Doch selbst die
Wiedergeburt meines Vaterlandes wollt' ich mit einer Lüge nicht erkaufen; und
es mußte mich um so mehr wundern, daß einer Ihrer ungarischen Korresponden¬
ten, die doch sonst gut unterrichtet zu sein Pflegen — in dem Aufsatze „Ein Erlaß
des kommandirenden Generals in Ungarn" sich einer Unwahrheit bedient, um Hay-
nan zu persiffliren. —

Er behauptet nämlich, daß von Seite der ungarischen Regierung nicht mehr
als sechs standrechtliche Urtheile, fünf in Pesth nach dem Abzug von Windischgrätz,
und eines in Komorn, gefällt seien; und ferner, daß bis zu dem ersten Abzüge der


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[0515] wie auch Sanct Peter seine eigenen Holzniederlcigen hatte. In Gemeinschaft mit Russen dursten keine Geschäfte getrieben werden. Bei Strafe von fünfzig Mark Silber war jedem deutschen Kaufmanne des Hofes geboten, kein Gut mit den Russen in „Knmpagnie" zu haben und der Russen Gut nicht als Frachtgut zu führen. Verbrecher mußten auf dem Hofe selbst, im „Thurme" bei Wasser und Brot ihre Strafzeit absitzen. Starb einer der Gemeinde in Nowgorod, so nahm der Begräbnißplatz Se. Peters seine Leiche auf. Andere Deutsche, die sich in Nowgorod aufhielten, ohne sich der Innung anzuschließen, durften nur mit be¬ sonderer Erlaubniß des Acltermannes den Hof betreten. Um solche Fremde, so wie Diebe und Gesindel am nächtlichen Einschleichen zu verhindern, waren für den Hof und die Kirche eigene Wächter angestellt, die zu bestimmten Nachtstunden anch die großen Kettenhunde loslassen durften. In diese fast klösterliche Abgeschiedenheit des Hofes trat alljährlich zweimal, wenn die deutschen Kanffahrteiflottcn mit ihren reichen Wagenladungen anlangten, ein neues, verändertes Leben ein. So gediehen durch deutsche Betriebsamkeit in Nowgorod wie ans der Insel Gothland Handelsstiftuugen, die uuter sich wie mit dem Mutterlande im engsten Verbände lebend, gar bald dem deutschen Wesen in allen nordischen Gebieten Ansehen und Einfluß zu verschaffen wußten, zur selben Zeit, da jene Nittercolo- nien in Estland und Livland, durch festen Anschluß an den deutschen Orden neu gekräftigt, das Haus der deutschen Kirche hier zu schirmen und zu erweitern strebten. Die Hinrichtungen der Ungarn. Von einem Ungarn ans Breslau. Herr Redakteur! Recht war das Losungswort unseres Kampfes, Wahrheit das Ziel, nach dem wir strebten. — Wir sind erlegen. Ungarn, mein schö¬ nes Vaterland, liegt zerdrückt unter dem Habsburgischen Aar. Doch selbst die Wiedergeburt meines Vaterlandes wollt' ich mit einer Lüge nicht erkaufen; und es mußte mich um so mehr wundern, daß einer Ihrer ungarischen Korresponden¬ ten, die doch sonst gut unterrichtet zu sein Pflegen — in dem Aufsatze „Ein Erlaß des kommandirenden Generals in Ungarn" sich einer Unwahrheit bedient, um Hay- nan zu persiffliren. — Er behauptet nämlich, daß von Seite der ungarischen Regierung nicht mehr als sechs standrechtliche Urtheile, fünf in Pesth nach dem Abzug von Windischgrätz, und eines in Komorn, gefällt seien; und ferner, daß bis zu dem ersten Abzüge der 64*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/515>, abgerufen am 23.06.2024.