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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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und er an demselben über einen Abgrund aufgehängt, bis es reißt, und er hinun¬
terfällt. Oder ein Mann mit seinem Kinde schwebt an einem Seil über einem
Gewölbe, und wird durch die Schwankungen desselben an die Mauern geschmet¬
tert, mittlerweile entehrt man vor seinen Augen seine Frau, bis endlich die ganze
Geschichte den Tiegern vorgeworfen wird. U. f. w. -- Cedar selbst ist nicht sehr
zart; er soll zum Eunuchen gemacht werden, ein freilich nicht sehr tugendhaftes
Mädchen rettet ihn und entflieht mit ihm, er hält sie für seine Fran, bis er die
Wahrheit entdeckt, und sie voller Ekel mit den Füßen in einen Cloak stößt, wo sie
erstickt; vorher küßt sie noch inbrünstig seine Füße. Er eilt nach der Stadt zu¬
rück, findet gerade einen "Gott" im Begriff, seinem Weibe Gewalt anzuthun,
beißt ihm die Rippen durch, bis er an's Herz kommt, und dieses
durch einen tüchtigen Biß tödtet, und flieht dann in die Wüste Sahara, wo er,
in Gefahr, zu verhungern, sich mit seinem Weibe auf einem Scheiterhaufen
verbrennt.

Das Stück sieht gerade so aus, als wenn es im Delirium elemens geschrie¬
ben wäre. Aber diese blutig-wollüstige Trunkenheit ist nur die audere Seite jenes
unnatürlichen spiritualistischen Empfindelns, welches das Herz nicht adelt, weil
es stech und ohnmächtig ist. Auch Robespierre zeigte in seinen Gewohnheiten viel
Delicatesse. Hier ist noch dazu die ganze Grenelschilderuug vollständig unnütz,
denn es wird nichts dadurch motivirt, nichts geschildert.

In der letzten lyrischen Gedichtsammlung, den Recueillements, spricht der
Dichter es aus, daß er früher nur die eignen, subjectiven Leiden empfunden habe,
jetzt dagegen leide sein Herz nur an den Leiden des Menschengeschlechts, der Ge¬
schichte. I-ig, lilivrte Pie l'lwmmo immnle on nrostitue^ nu neu^Je (lui let sniMe
"u t^ran <M In, tue, nussirnt ach (Äelmts ä I'vAmit! . . le Sir^e ä" ciel, p.erkent
yaillbolös! "Iili^e ä'eeilrtor on tremblant eos Symboles, alö "cur "le antiker
le l)ieu! u. s. w. Er ist jetzt die Magdalena der gekreuzigten Menschheit: --
pron-me tes äöux niecls kroills contre mir peitrine, je los eimutke en mon sein
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wir I^re "levieut I'inne 6e Nittleleine ulnrs "zu'elle ombaumnit le coips lie san
luUeiiie biens I'ilrome -le ses nleul^!^ Die Welt wird glücklich, frei und heilig
werden, und Christus ihr Hort:


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und er an demselben über einen Abgrund aufgehängt, bis es reißt, und er hinun¬
terfällt. Oder ein Mann mit seinem Kinde schwebt an einem Seil über einem
Gewölbe, und wird durch die Schwankungen desselben an die Mauern geschmet¬
tert, mittlerweile entehrt man vor seinen Augen seine Frau, bis endlich die ganze
Geschichte den Tiegern vorgeworfen wird. U. f. w. — Cedar selbst ist nicht sehr
zart; er soll zum Eunuchen gemacht werden, ein freilich nicht sehr tugendhaftes
Mädchen rettet ihn und entflieht mit ihm, er hält sie für seine Fran, bis er die
Wahrheit entdeckt, und sie voller Ekel mit den Füßen in einen Cloak stößt, wo sie
erstickt; vorher küßt sie noch inbrünstig seine Füße. Er eilt nach der Stadt zu¬
rück, findet gerade einen „Gott" im Begriff, seinem Weibe Gewalt anzuthun,
beißt ihm die Rippen durch, bis er an's Herz kommt, und dieses
durch einen tüchtigen Biß tödtet, und flieht dann in die Wüste Sahara, wo er,
in Gefahr, zu verhungern, sich mit seinem Weibe auf einem Scheiterhaufen
verbrennt.

Das Stück sieht gerade so aus, als wenn es im Delirium elemens geschrie¬
ben wäre. Aber diese blutig-wollüstige Trunkenheit ist nur die audere Seite jenes
unnatürlichen spiritualistischen Empfindelns, welches das Herz nicht adelt, weil
es stech und ohnmächtig ist. Auch Robespierre zeigte in seinen Gewohnheiten viel
Delicatesse. Hier ist noch dazu die ganze Grenelschilderuug vollständig unnütz,
denn es wird nichts dadurch motivirt, nichts geschildert.

In der letzten lyrischen Gedichtsammlung, den Recueillements, spricht der
Dichter es aus, daß er früher nur die eignen, subjectiven Leiden empfunden habe,
jetzt dagegen leide sein Herz nur an den Leiden des Menschengeschlechts, der Ge¬
schichte. I-ig, lilivrte Pie l'lwmmo immnle on nrostitue^ nu neu^Je (lui let sniMe
»u t^ran <M In, tue, nussirnt ach (Äelmts ä I'vAmit! . . le Sir^e ä» ciel, p.erkent
yaillbolös! »Iili^e ä'eeilrtor on tremblant eos Symboles, alö »cur «le antiker
le l)ieu! u. s. w. Er ist jetzt die Magdalena der gekreuzigten Menschheit: —
pron-me tes äöux niecls kroills contre mir peitrine, je los eimutke en mon sein
80U8 mon trout cjui s'iucline et Jo harnte so ctiiui^e en kenne «le clvuleurs, et
wir I^re «levieut I'inne 6e Nittleleine ulnrs «zu'elle ombaumnit le coips lie san
luUeiiie biens I'ilrome -le ses nleul^!^ Die Welt wird glücklich, frei und heilig
werden, und Christus ihr Hort:


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[0502] und er an demselben über einen Abgrund aufgehängt, bis es reißt, und er hinun¬ terfällt. Oder ein Mann mit seinem Kinde schwebt an einem Seil über einem Gewölbe, und wird durch die Schwankungen desselben an die Mauern geschmet¬ tert, mittlerweile entehrt man vor seinen Augen seine Frau, bis endlich die ganze Geschichte den Tiegern vorgeworfen wird. U. f. w. — Cedar selbst ist nicht sehr zart; er soll zum Eunuchen gemacht werden, ein freilich nicht sehr tugendhaftes Mädchen rettet ihn und entflieht mit ihm, er hält sie für seine Fran, bis er die Wahrheit entdeckt, und sie voller Ekel mit den Füßen in einen Cloak stößt, wo sie erstickt; vorher küßt sie noch inbrünstig seine Füße. Er eilt nach der Stadt zu¬ rück, findet gerade einen „Gott" im Begriff, seinem Weibe Gewalt anzuthun, beißt ihm die Rippen durch, bis er an's Herz kommt, und dieses durch einen tüchtigen Biß tödtet, und flieht dann in die Wüste Sahara, wo er, in Gefahr, zu verhungern, sich mit seinem Weibe auf einem Scheiterhaufen verbrennt. Das Stück sieht gerade so aus, als wenn es im Delirium elemens geschrie¬ ben wäre. Aber diese blutig-wollüstige Trunkenheit ist nur die audere Seite jenes unnatürlichen spiritualistischen Empfindelns, welches das Herz nicht adelt, weil es stech und ohnmächtig ist. Auch Robespierre zeigte in seinen Gewohnheiten viel Delicatesse. Hier ist noch dazu die ganze Grenelschilderuug vollständig unnütz, denn es wird nichts dadurch motivirt, nichts geschildert. In der letzten lyrischen Gedichtsammlung, den Recueillements, spricht der Dichter es aus, daß er früher nur die eignen, subjectiven Leiden empfunden habe, jetzt dagegen leide sein Herz nur an den Leiden des Menschengeschlechts, der Ge¬ schichte. I-ig, lilivrte Pie l'lwmmo immnle on nrostitue^ nu neu^Je (lui let sniMe »u t^ran <M In, tue, nussirnt ach (Äelmts ä I'vAmit! . . le Sir^e ä» ciel, p.erkent yaillbolös! »Iili^e ä'eeilrtor on tremblant eos Symboles, alö »cur «le antiker le l)ieu! u. s. w. Er ist jetzt die Magdalena der gekreuzigten Menschheit: — pron-me tes äöux niecls kroills contre mir peitrine, je los eimutke en mon sein 80U8 mon trout cjui s'iucline et Jo harnte so ctiiui^e en kenne «le clvuleurs, et wir I^re «levieut I'inne 6e Nittleleine ulnrs «zu'elle ombaumnit le coips lie san luUeiiie biens I'ilrome -le ses nleul^!^ Die Welt wird glücklich, frei und heilig werden, und Christus ihr Hort: >1»n tut c^i'«n lviikslre« ano<!»l5 I^'eülio Ininlsin cui «»mein-inn Lu l-uiis», lüll' In tuom «vn«, UiU«, to> <in'«n 8S« llivine« 1^« kreirt it>i <^(,ni'nnn«> ä'estime!» 8'i>>>iminitil ni'um jour «on^in; ineitine <l-»n« I» p-n'olL, ol>-u alone elisi^ne hommo e«t Is sont)»!«^ s^e sonn» ,In ölnist .in jardin!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/502>, abgerufen am 23.06.2024.