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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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gezeigt wird, hat der Mönch die katholische Weltanschauung überwinden lernen,
und als er das Kloster verließ, ging er hervor als ritterlicher Herold, um bald
die Befreiung des deutschen Geistes zu verkünden. Die Vorbedeutung sei eine
günstige! Katholiken und Protestanten werden einig sein, wo es das gemeinsame
Vaterland gilt. Mögen alle Geistesschlachten, die hier geschlagen werden, zum
schnellen Siege deutscher Freiheit und Einheit führen!

Wir begeben uns aus dem Martiusstift in die Kirche selbst. Jetzt schon ein
deutliches Bild des herzustellenden Parlamentshauses zu gewinnen, ist schwer. Die
Arbeiten sind erst im Beginne, da die vorhandenen älteren Pläne der Kirche sich
als fehlerhaft erwiesen und die Aufnahme neuer einen Verzug herbeigeführt hat.
Kaum glaublich erscheint dem Unkundigen die bestimmte Versicherung der Bauver-
ständigen, daß der Ban bis zum zwanzigsten März vollendet sein werde. Doch
wird mit der größten Energie gearbeitet. Dreihundert und vierzig Arbeiter, bis
auf ein Paar sämmtlich aus Erfurt, eine wohldisziplinirte Schaar, über die zwei
dazu bestimmte Zimmerleute und zwei Maurer abwechselnd jeden Tag die Aufsicht
führen, sind Tag und Nacht thätig. Jetzt eben sind sie beschäftigt, breite und
tiefe Gruben zu graben für die Pfeiler, die, etwa zwölf Fuß über dem Boden
der Kirche, den Boden der Parlaments - Räumlichkeiten tragen sollen. Eine An¬
zahl vou Mönchs-Schädeln und Gebeinen, die bei der Umgrabuug zum Vorschein
gekommen sind, wird zur Ausfüllung jener Gruben gebraucht; vielleicht ist dieser
letzte Dienst der größte, den mancher jener Schädel je geleistet.

Für das Staatenhans ist das Chor der alten Kirche mit seinem buntgefärb-
ten Glasfenster bestimmt. Dies Haus wird 164 Plätze fassen, während für das,
dnrch eine Mauer von ihm zu trennende Volkshaus das Schiff der Kirche mit
341 Plätzen bestimmt ist. Das Staatenhaus wird der Präsident des Volkshauses
auf seinem Platze zur Rechten haben. Diesem Platze, so wie dem für die Schrift¬
führer bestimmten und der Rednerbühne gegenüber im weiten Halbkreise werden
eine große Anzahl Bänke für das Centrum errichtet werden, eine geringere zu bei¬
den Seiten für die Rechte und Linke. Zu den für die Zuhörer bestimmten Tri¬
bünen wird im Volkshaufe eine Freitreppe außerhalb, -- im Staatenhause inner¬
halb der Kirche führen. In der bisherigen Sakristei und den angrenzenden Räumen
werdeu die Heizungsapparate hergestellt, in den ehemaligen Klostergebäuden die
Bureaus des Hauses eingerichtet werden. Hier wird auch, in der Nähe eines mit
Darstellungen ans dem Todtentanz geschmückten Saales, der Verwaltungsrath seine
Sitzungen halten.

So viel kann ich Ihnen heut von den Arbeiten in unserm Parlamentshause
berichten, denen ganz Erfurt mit dem größten Interesse folgt.

Erfurt! Ich weiß nicht, ob Sie es kennen, mit seinem ehrwürdigen Dome, den
viele" Gärten, dem, südöstlich von der Stadt gelegenen Steigerwalde, von dem man aus
die, zum Anbau vou Küchengewächsen, namentlich von Brunnenkresse bestimmten.


gezeigt wird, hat der Mönch die katholische Weltanschauung überwinden lernen,
und als er das Kloster verließ, ging er hervor als ritterlicher Herold, um bald
die Befreiung des deutschen Geistes zu verkünden. Die Vorbedeutung sei eine
günstige! Katholiken und Protestanten werden einig sein, wo es das gemeinsame
Vaterland gilt. Mögen alle Geistesschlachten, die hier geschlagen werden, zum
schnellen Siege deutscher Freiheit und Einheit führen!

Wir begeben uns aus dem Martiusstift in die Kirche selbst. Jetzt schon ein
deutliches Bild des herzustellenden Parlamentshauses zu gewinnen, ist schwer. Die
Arbeiten sind erst im Beginne, da die vorhandenen älteren Pläne der Kirche sich
als fehlerhaft erwiesen und die Aufnahme neuer einen Verzug herbeigeführt hat.
Kaum glaublich erscheint dem Unkundigen die bestimmte Versicherung der Bauver-
ständigen, daß der Ban bis zum zwanzigsten März vollendet sein werde. Doch
wird mit der größten Energie gearbeitet. Dreihundert und vierzig Arbeiter, bis
auf ein Paar sämmtlich aus Erfurt, eine wohldisziplinirte Schaar, über die zwei
dazu bestimmte Zimmerleute und zwei Maurer abwechselnd jeden Tag die Aufsicht
führen, sind Tag und Nacht thätig. Jetzt eben sind sie beschäftigt, breite und
tiefe Gruben zu graben für die Pfeiler, die, etwa zwölf Fuß über dem Boden
der Kirche, den Boden der Parlaments - Räumlichkeiten tragen sollen. Eine An¬
zahl vou Mönchs-Schädeln und Gebeinen, die bei der Umgrabuug zum Vorschein
gekommen sind, wird zur Ausfüllung jener Gruben gebraucht; vielleicht ist dieser
letzte Dienst der größte, den mancher jener Schädel je geleistet.

Für das Staatenhans ist das Chor der alten Kirche mit seinem buntgefärb-
ten Glasfenster bestimmt. Dies Haus wird 164 Plätze fassen, während für das,
dnrch eine Mauer von ihm zu trennende Volkshaus das Schiff der Kirche mit
341 Plätzen bestimmt ist. Das Staatenhaus wird der Präsident des Volkshauses
auf seinem Platze zur Rechten haben. Diesem Platze, so wie dem für die Schrift¬
führer bestimmten und der Rednerbühne gegenüber im weiten Halbkreise werden
eine große Anzahl Bänke für das Centrum errichtet werden, eine geringere zu bei¬
den Seiten für die Rechte und Linke. Zu den für die Zuhörer bestimmten Tri¬
bünen wird im Volkshaufe eine Freitreppe außerhalb, — im Staatenhause inner¬
halb der Kirche führen. In der bisherigen Sakristei und den angrenzenden Räumen
werdeu die Heizungsapparate hergestellt, in den ehemaligen Klostergebäuden die
Bureaus des Hauses eingerichtet werden. Hier wird auch, in der Nähe eines mit
Darstellungen ans dem Todtentanz geschmückten Saales, der Verwaltungsrath seine
Sitzungen halten.

So viel kann ich Ihnen heut von den Arbeiten in unserm Parlamentshause
berichten, denen ganz Erfurt mit dem größten Interesse folgt.

Erfurt! Ich weiß nicht, ob Sie es kennen, mit seinem ehrwürdigen Dome, den
viele» Gärten, dem, südöstlich von der Stadt gelegenen Steigerwalde, von dem man aus
die, zum Anbau vou Küchengewächsen, namentlich von Brunnenkresse bestimmten.


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[0258] gezeigt wird, hat der Mönch die katholische Weltanschauung überwinden lernen, und als er das Kloster verließ, ging er hervor als ritterlicher Herold, um bald die Befreiung des deutschen Geistes zu verkünden. Die Vorbedeutung sei eine günstige! Katholiken und Protestanten werden einig sein, wo es das gemeinsame Vaterland gilt. Mögen alle Geistesschlachten, die hier geschlagen werden, zum schnellen Siege deutscher Freiheit und Einheit führen! Wir begeben uns aus dem Martiusstift in die Kirche selbst. Jetzt schon ein deutliches Bild des herzustellenden Parlamentshauses zu gewinnen, ist schwer. Die Arbeiten sind erst im Beginne, da die vorhandenen älteren Pläne der Kirche sich als fehlerhaft erwiesen und die Aufnahme neuer einen Verzug herbeigeführt hat. Kaum glaublich erscheint dem Unkundigen die bestimmte Versicherung der Bauver- ständigen, daß der Ban bis zum zwanzigsten März vollendet sein werde. Doch wird mit der größten Energie gearbeitet. Dreihundert und vierzig Arbeiter, bis auf ein Paar sämmtlich aus Erfurt, eine wohldisziplinirte Schaar, über die zwei dazu bestimmte Zimmerleute und zwei Maurer abwechselnd jeden Tag die Aufsicht führen, sind Tag und Nacht thätig. Jetzt eben sind sie beschäftigt, breite und tiefe Gruben zu graben für die Pfeiler, die, etwa zwölf Fuß über dem Boden der Kirche, den Boden der Parlaments - Räumlichkeiten tragen sollen. Eine An¬ zahl vou Mönchs-Schädeln und Gebeinen, die bei der Umgrabuug zum Vorschein gekommen sind, wird zur Ausfüllung jener Gruben gebraucht; vielleicht ist dieser letzte Dienst der größte, den mancher jener Schädel je geleistet. Für das Staatenhans ist das Chor der alten Kirche mit seinem buntgefärb- ten Glasfenster bestimmt. Dies Haus wird 164 Plätze fassen, während für das, dnrch eine Mauer von ihm zu trennende Volkshaus das Schiff der Kirche mit 341 Plätzen bestimmt ist. Das Staatenhaus wird der Präsident des Volkshauses auf seinem Platze zur Rechten haben. Diesem Platze, so wie dem für die Schrift¬ führer bestimmten und der Rednerbühne gegenüber im weiten Halbkreise werden eine große Anzahl Bänke für das Centrum errichtet werden, eine geringere zu bei¬ den Seiten für die Rechte und Linke. Zu den für die Zuhörer bestimmten Tri¬ bünen wird im Volkshaufe eine Freitreppe außerhalb, — im Staatenhause inner¬ halb der Kirche führen. In der bisherigen Sakristei und den angrenzenden Räumen werdeu die Heizungsapparate hergestellt, in den ehemaligen Klostergebäuden die Bureaus des Hauses eingerichtet werden. Hier wird auch, in der Nähe eines mit Darstellungen ans dem Todtentanz geschmückten Saales, der Verwaltungsrath seine Sitzungen halten. So viel kann ich Ihnen heut von den Arbeiten in unserm Parlamentshause berichten, denen ganz Erfurt mit dem größten Interesse folgt. Erfurt! Ich weiß nicht, ob Sie es kennen, mit seinem ehrwürdigen Dome, den viele» Gärten, dem, südöstlich von der Stadt gelegenen Steigerwalde, von dem man aus die, zum Anbau vou Küchengewächsen, namentlich von Brunnenkresse bestimmten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/258>, abgerufen am 27.06.2024.