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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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der Eiche, eine muhamedanische Schwurformel vor, in dem durch illyrische Worte
verdorbensten türkischen Patois, wie es die Renegaten in Bosnien und der Herze-
govina sprechen und auch des Verkehrs mit den Städten wegen einige Christen:

"Wirst Du halten Dein Versprechen, so heilig Dir Dein Glaube?" ama ti
W0 Kik? --
'

"vin-l mi!" So heilig der Glaube mir. -- ".Imi-toll ti?" So Dir die Barm¬
herzigkeit? -- ,,^nun!>, mi." So mir die Barmherzigkeit. -- "R."in.lzana ti?"
So Dir der Ramazan i. o. Festmonat? -- "ki-un-rz-rü-t mi." So mir der Ra-
mazan. -- "Kor-mir ti? So Dir der Koran? -- "lior-eng, mi." So mir der
Koran. -- "Qü>o ti?" So Dir die Kaba?*) -- "L-rde mi." So mir die
Kaba. --

Nach diesem Schwur winkte Gergo dem gezähmten Tobsüchtigen fortzureiten,
folgte ihm jedoch so lauge mit Aug und Flintenrohr, bis er an der nächsten
Straßenwindung in den Bäumen verschwand. Jetzt erst warf Gergo froher auf¬
athmend die treue Flinte über den Rücken und schritt leichten Herzens durch den
Wald nach des Freundes Gehöfte und feierte in doppelt guter Laune den Na¬
menstag des heil. Nikolaus.

Als die erste Siegeslust und die Festlaune vorbei war, stiegen doch Besorg¬
nisse für die Folgen jenes Waldabenteuers in Gergo's Hirn auf, denn der
fürchterliche Delifischek konnte es ihm sicher nie vergeben, daß er sich vor seinen
Augen so schwach gezeigt; stand doch Spaho im Ruf eines Mannes, der vor
keiner Gewaltthat zurückschreckt und hatte großen Einfluß auf den Pascha Ali
Stocevic. Freilich hatte Spaho geschworen, aber der Christ in Bosnien und der
Herzegovina mißtraut dem Eidschwur eines Muhamedaners, und gar eines Rene¬
gaten; Gergo traute sich wochenlang nicht weit von seinem Dorf. Ein ganzes
Jahr verging, ohne daß er die schlanken Minarets von Mostar gesehen, wiewohl
er dort Handelsgeschäfte hatte. Endlich wurden die Geschäfte in Mostar so drin¬
gend, daß sich Gergo entschloß, dahin aufzubrechen, wenn es selbst das Leben
kosten sollte.

Gergo zog seine besten Kleider an, mußte aber leider seine treue Flinte zu¬
rücklassen, weil kein Christ in Waffen durch das Thor von Mostar darf. Er be¬
fahl seine Seele Gott und sein Andenken, falls er nicht zurückkommen sollte, der
Blutrache seiner Freunde.

Gergo schritt über den Marktplatz zu Mostar, als ihm plötzlich Jemand von
rückwärts auf die Achsel klopfte, mit den Worten grüßend: "Gott helfe Dir,
Bruder!" -- Gergo sah sich um, und -- wer malt sein Entsetzen! -- hinter



*) Der bekannte Tempel in Mekka.
Grenzboten. >. 1850.28

der Eiche, eine muhamedanische Schwurformel vor, in dem durch illyrische Worte
verdorbensten türkischen Patois, wie es die Renegaten in Bosnien und der Herze-
govina sprechen und auch des Verkehrs mit den Städten wegen einige Christen:

„Wirst Du halten Dein Versprechen, so heilig Dir Dein Glaube?" ama ti
W0 Kik? —
'

„vin-l mi!" So heilig der Glaube mir. — „.Imi-toll ti?" So Dir die Barm¬
herzigkeit? — ,,^nun!>, mi." So mir die Barmherzigkeit. — „R.»in.lzana ti?"
So Dir der Ramazan i. o. Festmonat? — „ki-un-rz-rü-t mi." So mir der Ra-
mazan. — „Kor-mir ti? So Dir der Koran? — „lior-eng, mi." So mir der
Koran. — „Qü>o ti?" So Dir die Kaba?*) — „L-rde mi." So mir die
Kaba. —

Nach diesem Schwur winkte Gergo dem gezähmten Tobsüchtigen fortzureiten,
folgte ihm jedoch so lauge mit Aug und Flintenrohr, bis er an der nächsten
Straßenwindung in den Bäumen verschwand. Jetzt erst warf Gergo froher auf¬
athmend die treue Flinte über den Rücken und schritt leichten Herzens durch den
Wald nach des Freundes Gehöfte und feierte in doppelt guter Laune den Na¬
menstag des heil. Nikolaus.

Als die erste Siegeslust und die Festlaune vorbei war, stiegen doch Besorg¬
nisse für die Folgen jenes Waldabenteuers in Gergo's Hirn auf, denn der
fürchterliche Delifischek konnte es ihm sicher nie vergeben, daß er sich vor seinen
Augen so schwach gezeigt; stand doch Spaho im Ruf eines Mannes, der vor
keiner Gewaltthat zurückschreckt und hatte großen Einfluß auf den Pascha Ali
Stocevic. Freilich hatte Spaho geschworen, aber der Christ in Bosnien und der
Herzegovina mißtraut dem Eidschwur eines Muhamedaners, und gar eines Rene¬
gaten; Gergo traute sich wochenlang nicht weit von seinem Dorf. Ein ganzes
Jahr verging, ohne daß er die schlanken Minarets von Mostar gesehen, wiewohl
er dort Handelsgeschäfte hatte. Endlich wurden die Geschäfte in Mostar so drin¬
gend, daß sich Gergo entschloß, dahin aufzubrechen, wenn es selbst das Leben
kosten sollte.

Gergo zog seine besten Kleider an, mußte aber leider seine treue Flinte zu¬
rücklassen, weil kein Christ in Waffen durch das Thor von Mostar darf. Er be¬
fahl seine Seele Gott und sein Andenken, falls er nicht zurückkommen sollte, der
Blutrache seiner Freunde.

Gergo schritt über den Marktplatz zu Mostar, als ihm plötzlich Jemand von
rückwärts auf die Achsel klopfte, mit den Worten grüßend: „Gott helfe Dir,
Bruder!" — Gergo sah sich um, und — wer malt sein Entsetzen! — hinter



*) Der bekannte Tempel in Mekka.
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[0225] der Eiche, eine muhamedanische Schwurformel vor, in dem durch illyrische Worte verdorbensten türkischen Patois, wie es die Renegaten in Bosnien und der Herze- govina sprechen und auch des Verkehrs mit den Städten wegen einige Christen: „Wirst Du halten Dein Versprechen, so heilig Dir Dein Glaube?" ama ti W0 Kik? — ' „vin-l mi!" So heilig der Glaube mir. — „.Imi-toll ti?" So Dir die Barm¬ herzigkeit? — ,,^nun!>, mi." So mir die Barmherzigkeit. — „R.»in.lzana ti?" So Dir der Ramazan i. o. Festmonat? — „ki-un-rz-rü-t mi." So mir der Ra- mazan. — „Kor-mir ti? So Dir der Koran? — „lior-eng, mi." So mir der Koran. — „Qü>o ti?" So Dir die Kaba?*) — „L-rde mi." So mir die Kaba. — Nach diesem Schwur winkte Gergo dem gezähmten Tobsüchtigen fortzureiten, folgte ihm jedoch so lauge mit Aug und Flintenrohr, bis er an der nächsten Straßenwindung in den Bäumen verschwand. Jetzt erst warf Gergo froher auf¬ athmend die treue Flinte über den Rücken und schritt leichten Herzens durch den Wald nach des Freundes Gehöfte und feierte in doppelt guter Laune den Na¬ menstag des heil. Nikolaus. Als die erste Siegeslust und die Festlaune vorbei war, stiegen doch Besorg¬ nisse für die Folgen jenes Waldabenteuers in Gergo's Hirn auf, denn der fürchterliche Delifischek konnte es ihm sicher nie vergeben, daß er sich vor seinen Augen so schwach gezeigt; stand doch Spaho im Ruf eines Mannes, der vor keiner Gewaltthat zurückschreckt und hatte großen Einfluß auf den Pascha Ali Stocevic. Freilich hatte Spaho geschworen, aber der Christ in Bosnien und der Herzegovina mißtraut dem Eidschwur eines Muhamedaners, und gar eines Rene¬ gaten; Gergo traute sich wochenlang nicht weit von seinem Dorf. Ein ganzes Jahr verging, ohne daß er die schlanken Minarets von Mostar gesehen, wiewohl er dort Handelsgeschäfte hatte. Endlich wurden die Geschäfte in Mostar so drin¬ gend, daß sich Gergo entschloß, dahin aufzubrechen, wenn es selbst das Leben kosten sollte. Gergo zog seine besten Kleider an, mußte aber leider seine treue Flinte zu¬ rücklassen, weil kein Christ in Waffen durch das Thor von Mostar darf. Er be¬ fahl seine Seele Gott und sein Andenken, falls er nicht zurückkommen sollte, der Blutrache seiner Freunde. Gergo schritt über den Marktplatz zu Mostar, als ihm plötzlich Jemand von rückwärts auf die Achsel klopfte, mit den Worten grüßend: „Gott helfe Dir, Bruder!" — Gergo sah sich um, und — wer malt sein Entsetzen! — hinter *) Der bekannte Tempel in Mekka. Grenzboten. >. 1850.28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/225>, abgerufen am 24.07.2024.