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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Die Christenweiber in den Dörfern um Mostar wissen noch heute kein besseres
Drohwort für ihre ungeberdigen Kinder, als: "Seid still, der Spccho Spain
kömmt!" --

Spccho Spain ist ein mittelgroßer, untersetzter sehniger Mann, mit einem
.großen Kops, der, von einem struppigen Schnurrbart verunziert, etwas vorhängt,
als wäre er zu schwer für deu stierartigeu Nacken und deu dicke", von der Sonne
rothgebrannten Hals. Die Brust trägt er immer entblößt, sie ist wie Eichenrinde
rauh und bewachsen, auch seine starken Arme mit den stahlharten Sehnen sind im¬
mer bis zu den Schultern nackt. Seine Kleidung ist reich und prächtig, aber
nachlässig, stellenweise zerrissen oder angebrannt vou der Pfeifengluth des nie ver¬
löschenden Czibbuk. Wenn Spccho Spain ausreitet, hat er allemal den Gürtel voll
Pistolen und Messer stecken, am Sattelknopf hat er einen stachligen Strcitkolbe",
Buzdovan, und eine mächtige Kürbisflasche voll Pflaumeubranntwein, Ralle, hän¬
gen. Er reitet gewöhnlich einen alten Hengst vou arabischer Herkunft, den ihm
Ali Pascha geschenkt, um seine Freundschaft zu gewinnen. Dies Thier ist, wie
seine übrigen Rosse, abgerichtet, beim Entgegenkommen eines Reiters laut zu wie¬
hern, ein Zeichen, daß man Spccho Spain, dem Delifischek, auszuweichen habe.
Wehe dem Christen, wenn er nicht auswich; und wenn Freund Spccho gerade
übel gelaunt ist, dann wehe auch dem begegnenden Muselmann! --

Gorcmce ist ein Christendorf, vier Stunden von Mostar. In diesem Dorfe
lebt eine freie Gemeinde, deren Männer, Nachkömmlinge kühner Haiduckeu, in der
ganzen Herzegoviua den Ruf friedlicher und ehrlicher Nachbarn, tapferer Krieger
und unbeugsamer Freiheitsfreunde genießen. Die Türken wissen dies und lassen
die Gemeinde Gorcmce ungeschädigt, zumal dort die Blutrache in aller Kraft und
Ausdehnung heilig gehalten wird. Und das Blut eiues Erschlagenen von Go¬
rcmce fordert zur Sühne nicht nur das Blut des Mörders, soudern außerdem
noch das Blut von zehn seiner Verwandten. Da geriech ein Bewohner von
Gorcmce, Gergo geheißen, vor drei Jahren in Streit mit Spccho Spain, weil er
sich weigerte auszuweichen und vom Pferde zu steigen, und Spain schlug den Gergo,
welcher unbewaffnet war, braun und blau. Gergo schämte sich und sagte Niemand
ein Wort von der erlittenen Mißhandlung, im Herzen aber gelobte er Rache dem
händelsüchtigen, grausamen Renegaten. Von der Zeit an ging Gergo nie ans
ohne Waffen. Einst, als er in Festkleidern zu einem Freunde ritt, dort das Fest,
des heiligen Nikolaus zu feiern, kam ihm wieder Spain entgegen. Gergo erkannte
ihn von Weitem an dem überlauten Wiehern seines Araberrosses, diesmal aber
war Gergo entschlossen, dem Renegaten nicht zu weichen, ja ihn wo möglich für
die neuliche Mißhandlung zu bezahlen, hatte er doch seine nie fehlende Damas¬
zenerflinte, das Erbstück von seinem Großvater, dem gefürchteten Arambcischa von
Uzniza, am rothseidenen Bande über der Schulter hangen. Als Spccho Spain
näher kam und mit Verwundern sah, daß der Christ frech genug war, bei seiner


Die Christenweiber in den Dörfern um Mostar wissen noch heute kein besseres
Drohwort für ihre ungeberdigen Kinder, als: „Seid still, der Spccho Spain
kömmt!" —

Spccho Spain ist ein mittelgroßer, untersetzter sehniger Mann, mit einem
.großen Kops, der, von einem struppigen Schnurrbart verunziert, etwas vorhängt,
als wäre er zu schwer für deu stierartigeu Nacken und deu dicke», von der Sonne
rothgebrannten Hals. Die Brust trägt er immer entblößt, sie ist wie Eichenrinde
rauh und bewachsen, auch seine starken Arme mit den stahlharten Sehnen sind im¬
mer bis zu den Schultern nackt. Seine Kleidung ist reich und prächtig, aber
nachlässig, stellenweise zerrissen oder angebrannt vou der Pfeifengluth des nie ver¬
löschenden Czibbuk. Wenn Spccho Spain ausreitet, hat er allemal den Gürtel voll
Pistolen und Messer stecken, am Sattelknopf hat er einen stachligen Strcitkolbe»,
Buzdovan, und eine mächtige Kürbisflasche voll Pflaumeubranntwein, Ralle, hän¬
gen. Er reitet gewöhnlich einen alten Hengst vou arabischer Herkunft, den ihm
Ali Pascha geschenkt, um seine Freundschaft zu gewinnen. Dies Thier ist, wie
seine übrigen Rosse, abgerichtet, beim Entgegenkommen eines Reiters laut zu wie¬
hern, ein Zeichen, daß man Spccho Spain, dem Delifischek, auszuweichen habe.
Wehe dem Christen, wenn er nicht auswich; und wenn Freund Spccho gerade
übel gelaunt ist, dann wehe auch dem begegnenden Muselmann! —

Gorcmce ist ein Christendorf, vier Stunden von Mostar. In diesem Dorfe
lebt eine freie Gemeinde, deren Männer, Nachkömmlinge kühner Haiduckeu, in der
ganzen Herzegoviua den Ruf friedlicher und ehrlicher Nachbarn, tapferer Krieger
und unbeugsamer Freiheitsfreunde genießen. Die Türken wissen dies und lassen
die Gemeinde Gorcmce ungeschädigt, zumal dort die Blutrache in aller Kraft und
Ausdehnung heilig gehalten wird. Und das Blut eiues Erschlagenen von Go¬
rcmce fordert zur Sühne nicht nur das Blut des Mörders, soudern außerdem
noch das Blut von zehn seiner Verwandten. Da geriech ein Bewohner von
Gorcmce, Gergo geheißen, vor drei Jahren in Streit mit Spccho Spain, weil er
sich weigerte auszuweichen und vom Pferde zu steigen, und Spain schlug den Gergo,
welcher unbewaffnet war, braun und blau. Gergo schämte sich und sagte Niemand
ein Wort von der erlittenen Mißhandlung, im Herzen aber gelobte er Rache dem
händelsüchtigen, grausamen Renegaten. Von der Zeit an ging Gergo nie ans
ohne Waffen. Einst, als er in Festkleidern zu einem Freunde ritt, dort das Fest,
des heiligen Nikolaus zu feiern, kam ihm wieder Spain entgegen. Gergo erkannte
ihn von Weitem an dem überlauten Wiehern seines Araberrosses, diesmal aber
war Gergo entschlossen, dem Renegaten nicht zu weichen, ja ihn wo möglich für
die neuliche Mißhandlung zu bezahlen, hatte er doch seine nie fehlende Damas¬
zenerflinte, das Erbstück von seinem Großvater, dem gefürchteten Arambcischa von
Uzniza, am rothseidenen Bande über der Schulter hangen. Als Spccho Spain
näher kam und mit Verwundern sah, daß der Christ frech genug war, bei seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/223>, abgerufen am 24.07.2024.