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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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und am schwersten zu lösende Frage. -- Die wichtigste, weil aus diesen Verhältnissen
die jähe und in dieser Art nicht vorher zu sehende totale Niederlage bedingt wurde;
am schwersten zu löse", weil uns hierin nur die geheimsten Schränke der östreichi¬
schen und russischen Diplomatie vollkommenen Ausschluß geben konnten, die geöffnet
zu sehen vorläufig nicht wohl denkbar ist.

Einsicht in Einzelnes gibt die bei Otto Wigand erschienene Brochüre: "Die
Katastrophe in Ungarn von L. Kossuth aus Widdin" und der in den l>-ni^ Novo8
erschienene Brief eiues Adjutanten des in Arad erhenkten General Damjanich
an den Generalstäbler des Fürsten Paskiewitsch Namens severe Bourtvuline. --
Ich setze von den Lesern Ihrer Zeitschrift voraus, daß sie die in ihrer Ankündi¬
gung so viel versprechende Brochüre gelesen haben und füge nur den Brief aus
den v-uiz? N"zvvs bei. Er lautet folgendermaßen:

"Nach der Kapitulation Görgey's bei Vilugos übersandte dieser der Garnison
in Arad deu Befehl, sich unter deu Schutz des russischen Commandanten zu stellen.
Ein Kriegsrath, in dieser Angelegenheit zusammenberufen, beschloß, den Kampf
gegen die Oestreicher bis zum letzten Augenblick fortzusetzen und inzwischen mit dem
russischen General Rüdiger Unterhandlungen anzuknüpfen. Sie, General, wurden
hiernach von dem Generalstabe des Fürsten Paskiewitsch nach Arad geschickt, und
mit Ihnen trat ich nun Namens General Damjauich und der Garnison in Ver¬
handlung. Ele können weder die Versicherung vergessen haben, die Sie mir
gaben, noch Ihre ausdrücklichen und feierlichen Versprechen , die mich bestimmten,
Sie in der Festung zu empfangen. Nachdem wir uns von der Sympathie Ihres
Kaisers für-die ungarische Nation und von seinen Wünschen, uns gegen die Ver¬
folgungen Oestreichs allenthalben zu schützen, vergewissert hatten, garantirten Sie
Namens Ihres Kaisers allen jenen, die sich unter russischen Schutz begeben wür¬
den, eine vollkommene Amnestie und die Sicherstellung unserer Güter und Waffen.
Auf diese feierlich angelobten Versprechungen hin haben wir uns ergeben. Wir
vertrauten dem Ehrenworte Ihres Souveräns, für das Sie garantirten; wir glaubten
unbedingt Ihrer Soldatenparole. Nun, General! Sie wissen, daß in Folge dieses
Vertrauens General Damjanich, der brave Commandant von Arad, den Tod dnrch
Henkershand gestorben ist und daß diejenigen seiner Offiziere, die dem Beile ent¬
kamen, von Allein entblößt als Gemeine in die italienische Armee eingereiht wer¬
den. Wenn Sie nun von diesen Vorfällen Kunde erhalten, was werden Sie
thun, um die Verwünschung zu bannen, die ich auf denjenigen, nach dessen Be¬
fehlen, oder auf Ihre Doppelzüngigkeit schleudere, wenn Sie ohne Befehle gehan¬
delt haben? -- Gustav Fritz."

Eine Untersuchung über die Aechtheit der obgenannten Brochüre, so wie dieses
Briefes und der in beiden enthaltenen Thatsachen würde bei dem gänzlichen Maugel
an sichern Nachrichten über die Art des Gvrgey'schen "Verraths" zu keinem Re¬
sultate führen. Aber ich will Ihnen jene Thatsachen mit einigen andern, von


und am schwersten zu lösende Frage. — Die wichtigste, weil aus diesen Verhältnissen
die jähe und in dieser Art nicht vorher zu sehende totale Niederlage bedingt wurde;
am schwersten zu löse», weil uns hierin nur die geheimsten Schränke der östreichi¬
schen und russischen Diplomatie vollkommenen Ausschluß geben konnten, die geöffnet
zu sehen vorläufig nicht wohl denkbar ist.

Einsicht in Einzelnes gibt die bei Otto Wigand erschienene Brochüre: „Die
Katastrophe in Ungarn von L. Kossuth aus Widdin" und der in den l>-ni^ Novo8
erschienene Brief eiues Adjutanten des in Arad erhenkten General Damjanich
an den Generalstäbler des Fürsten Paskiewitsch Namens severe Bourtvuline. —
Ich setze von den Lesern Ihrer Zeitschrift voraus, daß sie die in ihrer Ankündi¬
gung so viel versprechende Brochüre gelesen haben und füge nur den Brief aus
den v-uiz? N«zvvs bei. Er lautet folgendermaßen:

„Nach der Kapitulation Görgey's bei Vilugos übersandte dieser der Garnison
in Arad deu Befehl, sich unter deu Schutz des russischen Commandanten zu stellen.
Ein Kriegsrath, in dieser Angelegenheit zusammenberufen, beschloß, den Kampf
gegen die Oestreicher bis zum letzten Augenblick fortzusetzen und inzwischen mit dem
russischen General Rüdiger Unterhandlungen anzuknüpfen. Sie, General, wurden
hiernach von dem Generalstabe des Fürsten Paskiewitsch nach Arad geschickt, und
mit Ihnen trat ich nun Namens General Damjauich und der Garnison in Ver¬
handlung. Ele können weder die Versicherung vergessen haben, die Sie mir
gaben, noch Ihre ausdrücklichen und feierlichen Versprechen , die mich bestimmten,
Sie in der Festung zu empfangen. Nachdem wir uns von der Sympathie Ihres
Kaisers für-die ungarische Nation und von seinen Wünschen, uns gegen die Ver¬
folgungen Oestreichs allenthalben zu schützen, vergewissert hatten, garantirten Sie
Namens Ihres Kaisers allen jenen, die sich unter russischen Schutz begeben wür¬
den, eine vollkommene Amnestie und die Sicherstellung unserer Güter und Waffen.
Auf diese feierlich angelobten Versprechungen hin haben wir uns ergeben. Wir
vertrauten dem Ehrenworte Ihres Souveräns, für das Sie garantirten; wir glaubten
unbedingt Ihrer Soldatenparole. Nun, General! Sie wissen, daß in Folge dieses
Vertrauens General Damjanich, der brave Commandant von Arad, den Tod dnrch
Henkershand gestorben ist und daß diejenigen seiner Offiziere, die dem Beile ent¬
kamen, von Allein entblößt als Gemeine in die italienische Armee eingereiht wer¬
den. Wenn Sie nun von diesen Vorfällen Kunde erhalten, was werden Sie
thun, um die Verwünschung zu bannen, die ich auf denjenigen, nach dessen Be¬
fehlen, oder auf Ihre Doppelzüngigkeit schleudere, wenn Sie ohne Befehle gehan¬
delt haben? — Gustav Fritz."

Eine Untersuchung über die Aechtheit der obgenannten Brochüre, so wie dieses
Briefes und der in beiden enthaltenen Thatsachen würde bei dem gänzlichen Maugel
an sichern Nachrichten über die Art des Gvrgey'schen „Verraths" zu keinem Re¬
sultate führen. Aber ich will Ihnen jene Thatsachen mit einigen andern, von


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[0104] und am schwersten zu lösende Frage. — Die wichtigste, weil aus diesen Verhältnissen die jähe und in dieser Art nicht vorher zu sehende totale Niederlage bedingt wurde; am schwersten zu löse», weil uns hierin nur die geheimsten Schränke der östreichi¬ schen und russischen Diplomatie vollkommenen Ausschluß geben konnten, die geöffnet zu sehen vorläufig nicht wohl denkbar ist. Einsicht in Einzelnes gibt die bei Otto Wigand erschienene Brochüre: „Die Katastrophe in Ungarn von L. Kossuth aus Widdin" und der in den l>-ni^ Novo8 erschienene Brief eiues Adjutanten des in Arad erhenkten General Damjanich an den Generalstäbler des Fürsten Paskiewitsch Namens severe Bourtvuline. — Ich setze von den Lesern Ihrer Zeitschrift voraus, daß sie die in ihrer Ankündi¬ gung so viel versprechende Brochüre gelesen haben und füge nur den Brief aus den v-uiz? N«zvvs bei. Er lautet folgendermaßen: „Nach der Kapitulation Görgey's bei Vilugos übersandte dieser der Garnison in Arad deu Befehl, sich unter deu Schutz des russischen Commandanten zu stellen. Ein Kriegsrath, in dieser Angelegenheit zusammenberufen, beschloß, den Kampf gegen die Oestreicher bis zum letzten Augenblick fortzusetzen und inzwischen mit dem russischen General Rüdiger Unterhandlungen anzuknüpfen. Sie, General, wurden hiernach von dem Generalstabe des Fürsten Paskiewitsch nach Arad geschickt, und mit Ihnen trat ich nun Namens General Damjauich und der Garnison in Ver¬ handlung. Ele können weder die Versicherung vergessen haben, die Sie mir gaben, noch Ihre ausdrücklichen und feierlichen Versprechen , die mich bestimmten, Sie in der Festung zu empfangen. Nachdem wir uns von der Sympathie Ihres Kaisers für-die ungarische Nation und von seinen Wünschen, uns gegen die Ver¬ folgungen Oestreichs allenthalben zu schützen, vergewissert hatten, garantirten Sie Namens Ihres Kaisers allen jenen, die sich unter russischen Schutz begeben wür¬ den, eine vollkommene Amnestie und die Sicherstellung unserer Güter und Waffen. Auf diese feierlich angelobten Versprechungen hin haben wir uns ergeben. Wir vertrauten dem Ehrenworte Ihres Souveräns, für das Sie garantirten; wir glaubten unbedingt Ihrer Soldatenparole. Nun, General! Sie wissen, daß in Folge dieses Vertrauens General Damjanich, der brave Commandant von Arad, den Tod dnrch Henkershand gestorben ist und daß diejenigen seiner Offiziere, die dem Beile ent¬ kamen, von Allein entblößt als Gemeine in die italienische Armee eingereiht wer¬ den. Wenn Sie nun von diesen Vorfällen Kunde erhalten, was werden Sie thun, um die Verwünschung zu bannen, die ich auf denjenigen, nach dessen Be¬ fehlen, oder auf Ihre Doppelzüngigkeit schleudere, wenn Sie ohne Befehle gehan¬ delt haben? — Gustav Fritz." Eine Untersuchung über die Aechtheit der obgenannten Brochüre, so wie dieses Briefes und der in beiden enthaltenen Thatsachen würde bei dem gänzlichen Maugel an sichern Nachrichten über die Art des Gvrgey'schen „Verraths" zu keinem Re¬ sultate führen. Aber ich will Ihnen jene Thatsachen mit einigen andern, von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/104>, abgerufen am 24.07.2024.