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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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den: gegenwärtigen Bedürfniß der Regierungen zu genügen, zum wenigsten Fol¬
gendes enthalten: Offensiv- und Defensivbündniß der einzelnen Staaten des
Bundes; Constitution eines Bundesgerichts für Streitigkeiten der Staaten unter
einander und der Regierungen mit der Volksvertretung; Organisation für Gesetz¬
gebung in Bundessachen; Verwaltung des Bnndcseigenthumö, der Festungen
und Flotten; und Zusammensetzung der Bundesbehörde. -- Die neue Organi¬
sation eines "BuudeSheers" verliert bei der veränderten Construction des östreichi¬
schen und preußischen Staates an Bedeutung; eine gemeinsame Vertretung durch
Bundeögesandte und Consuln im Ausland ist ohne Wichtigkeit, da Preußen und
Oestreich ihre eigenen Gesandten nicht aufgeben können, und da die Zollsysteme und
Verkehrögesetze der Bundestheile sehr verschieden siud, und divergirende, oft ein¬
ander widersprechende Interessen nicht durch dieselben Personen (Gesandte, Ge¬
schäftsträger, Konsuln) wahrgenommen werden können; von einer Repräsentation
der Völker bei diesem Bund wird vorläufig abzusehen sein, da sie weder für die
Regierungen noch für die Volker wünschenswerth wäre, und der größte Theil der
östreichischen Unterthanen der deutschen Sprache gar nicht mächtig ist, die Preu-
ßen, Sachsen, Baiern n. s. w. aber in slavischer oder walachischer Sprache eben¬
falls nicht debattiren können.

Die Grundlage des neuen Bundes muß ein Offensiv- und Defensivbünd-
niß der Bundesstaaten sein.

Es war dies die erste Bestimmung auch der alten Bundesacte. Diesem
Bündniß könnte Oestreich entweder mit den "deutschen" Ländern beitreten, wie
im alten Bunde geschehen, oder mit seinem gesammten Gebiet. Tritt Oestreich
nnr mit einem Theil seiner Länder bei, so nehmen natürlich auch nur diese an
den Pflichten und Rechten Theil, welche der Bund auferlegt. Bundestruppen
dürsten nur ans ihnen gestellt werden, und etwaige Bundesgesetze würden nnr
für sie, und nicht für alle Theile des Reiches gelten. Dies aber wäre entschieden
gegen das Princip des jetzigen Oestreichs. Die Truppenkörper Oestreichs sind
recht absichtlich aus Mannschaften der verschiedensten Landestheile zusammengesetzt,
und in Gesetzgebung und Administration eine vollständige Einheit durchzuführen
ist die Hauptthätigkeit des Cabinets Schwarzenberg. Es scheint unmöglich, daß
grade dies Ministerium die blutig zusammengefügte Einheit des Kaiserstaates
wieder in zwei Theile zerreißen sollte, selbst wenn diese Theilung mehr theoretisch
als praktisch wäre. Ferner aber ist Oestreich ein constitutioneller Staat; er wird
es unrettbar, so wenig sein gegenwärtiges Regiment dem Begriff einer constitu-
tionellen Negierung entspricht. Der Reichsrath wird gegenwärtig ans den Anto¬
ntäten der einzelnen Krollländer zusammengesetzt, ein Reichstag wird folgen, die
Finanzen und durch unglückliche Reformen herbeigeführte Desorganisation einzelner
Landestheile werdeu ihn endlich unvermeidlich herbeiführen. Jede einheitliche
Repräsentation des Volkes aber, und sei sie noch so roh und mangelhaft, macht


den: gegenwärtigen Bedürfniß der Regierungen zu genügen, zum wenigsten Fol¬
gendes enthalten: Offensiv- und Defensivbündniß der einzelnen Staaten des
Bundes; Constitution eines Bundesgerichts für Streitigkeiten der Staaten unter
einander und der Regierungen mit der Volksvertretung; Organisation für Gesetz¬
gebung in Bundessachen; Verwaltung des Bnndcseigenthumö, der Festungen
und Flotten; und Zusammensetzung der Bundesbehörde. — Die neue Organi¬
sation eines „BuudeSheers" verliert bei der veränderten Construction des östreichi¬
schen und preußischen Staates an Bedeutung; eine gemeinsame Vertretung durch
Bundeögesandte und Consuln im Ausland ist ohne Wichtigkeit, da Preußen und
Oestreich ihre eigenen Gesandten nicht aufgeben können, und da die Zollsysteme und
Verkehrögesetze der Bundestheile sehr verschieden siud, und divergirende, oft ein¬
ander widersprechende Interessen nicht durch dieselben Personen (Gesandte, Ge¬
schäftsträger, Konsuln) wahrgenommen werden können; von einer Repräsentation
der Völker bei diesem Bund wird vorläufig abzusehen sein, da sie weder für die
Regierungen noch für die Volker wünschenswerth wäre, und der größte Theil der
östreichischen Unterthanen der deutschen Sprache gar nicht mächtig ist, die Preu-
ßen, Sachsen, Baiern n. s. w. aber in slavischer oder walachischer Sprache eben¬
falls nicht debattiren können.

Die Grundlage des neuen Bundes muß ein Offensiv- und Defensivbünd-
niß der Bundesstaaten sein.

Es war dies die erste Bestimmung auch der alten Bundesacte. Diesem
Bündniß könnte Oestreich entweder mit den „deutschen" Ländern beitreten, wie
im alten Bunde geschehen, oder mit seinem gesammten Gebiet. Tritt Oestreich
nnr mit einem Theil seiner Länder bei, so nehmen natürlich auch nur diese an
den Pflichten und Rechten Theil, welche der Bund auferlegt. Bundestruppen
dürsten nur ans ihnen gestellt werden, und etwaige Bundesgesetze würden nnr
für sie, und nicht für alle Theile des Reiches gelten. Dies aber wäre entschieden
gegen das Princip des jetzigen Oestreichs. Die Truppenkörper Oestreichs sind
recht absichtlich aus Mannschaften der verschiedensten Landestheile zusammengesetzt,
und in Gesetzgebung und Administration eine vollständige Einheit durchzuführen
ist die Hauptthätigkeit des Cabinets Schwarzenberg. Es scheint unmöglich, daß
grade dies Ministerium die blutig zusammengefügte Einheit des Kaiserstaates
wieder in zwei Theile zerreißen sollte, selbst wenn diese Theilung mehr theoretisch
als praktisch wäre. Ferner aber ist Oestreich ein constitutioneller Staat; er wird
es unrettbar, so wenig sein gegenwärtiges Regiment dem Begriff einer constitu-
tionellen Negierung entspricht. Der Reichsrath wird gegenwärtig ans den Anto¬
ntäten der einzelnen Krollländer zusammengesetzt, ein Reichstag wird folgen, die
Finanzen und durch unglückliche Reformen herbeigeführte Desorganisation einzelner
Landestheile werdeu ihn endlich unvermeidlich herbeiführen. Jede einheitliche
Repräsentation des Volkes aber, und sei sie noch so roh und mangelhaft, macht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/490>, abgerufen am 22.07.2024.