Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Tasche, als wie er." -- Ein neuer herzlicher Handschlag, und der Bauer öffnete
die Thür und schritt bedächtig hinaus. Ich sah der großen Gestalt respectvoll
nach. Der Mann führt Krieg mit dem König von Dänemark, er, der Bauer,
und doch führt er ihn wie ein König. Er seht seinen Thaler gegen des Dänen¬
königs Thaler, seinen Sohn gegen des Dänen Unterthan und seinen Bauerhof
gegen die Krone Erich's. Und das thut er uicht als ein bethörter Spieler, son¬
dern nüchtern, langsam, calcnlirend; er weiß was er will; er ist dem fremden
Regenten.feind geworden, das ist seinem zähen Willen genng. Er bekriegt ihn,
er bezahlt und unterhält anch mich, damit ich ihm seinen Feind zurücktreiben helfe;
und er weiß das recht gut. --

Ich neige mich vor deiner kleinen Majestät, Sir Klaus Johannsen, mur¬
melte ich, zu den Listen zurückkehrend. -- Ordonnanz, lassen Sie uicht herein, was
Sie abhalten können, ich attire. -- Also 10 -- 13 -- 35. -- Himmel, welch ein
Geschrei: Die Ordonnanz und eine belfernde zornige Weiberstmime im Kampf:
,,Und ich sag Sie, ich will den Lieutenant sprechen, und von so einem elendigen
Musketier werd ich mich uoch nicht abhalten lassen," schrie die Fremde, meinen
Wächter an die Thüre drängend. -- Lassen Sie ein, rief ich; und in das Zimmer
stürzte eine gemeine, schmutzige Person von höchst vettelhaftem Aussehen. Ein
alter schwarzer Hut, der durch Sonne und Regen die Farbe sehr verloren hatte,
ragte über ihrem ziegelfarbenen Gesicht wie das Verdeck einer zerfallenen Droschke
über die rothen SiMssen, und zwei hervorstehende Augen warfen zornige Blicke
ans meine Uniform. Ihre Lippen bewegten sich nach der Methode des Hamburger
Dialekts: "Na das muß ich sagen," schrie die Dame von entschiedenem Cha¬
rakter, "das ist eine schöne Wirthschaft hier bei die Schleswig-Holsteiner, (näher
rückend) Warum soll ich deun nicht als Marketenderin bei das Bataillon blei¬
ben? (noch näher rückend, während ich eine Stuhllehne als Barriere vor sie
stelle) Der Hauptmann sagt, hier vom Geueral sei der Befehl, daß ich fort
muß. (auf die Stuhllehne schlagend) Hab ich uicht immer gute Lebensmittel ge¬
liefert? (wieder aufschlagend) Na, das möcht ich doch von Sie wissen, warum
ich fort soll." -- Weil Ihre Papiere nicht in Ordnung siud und man außerdem
erfahren hat, daß Sie liederliches Weibsgestndel mit sich herumziehen. -- "So?
meine Papiere nicht in Ordnung?" rief der Drache feuerspeiend, "seht mir ein¬
mal diese Schleswig - Holsteiuer an, was die so aus Papiere geben! Was? sind
eure Papiere denn in Ordnung? Ich glaub onnoch nicht, (feuerspeiend) Re¬
bellen und Insurgeuter's seid ihr, wie die Dänen sagen, und denn wollt ihr
uoch auf Papiere scheu, wie bei der Polizei? -- Ne, so etwas Dummes ist mir
uoch uicht vorgekommen Und die Mine und Guste, meines seligen Bruders
Stieffraueu ihre Töchter, das siud ein paar nette Mädekeus, die schou 48 mit
die Preußen und 49 mit die Baiern hier gewesen sind und allen Lieutenants
angenehm gewesen sind und nu (feuerspeiend) sollten sie für diese Schleswig-


Tasche, als wie er." — Ein neuer herzlicher Handschlag, und der Bauer öffnete
die Thür und schritt bedächtig hinaus. Ich sah der großen Gestalt respectvoll
nach. Der Mann führt Krieg mit dem König von Dänemark, er, der Bauer,
und doch führt er ihn wie ein König. Er seht seinen Thaler gegen des Dänen¬
königs Thaler, seinen Sohn gegen des Dänen Unterthan und seinen Bauerhof
gegen die Krone Erich's. Und das thut er uicht als ein bethörter Spieler, son¬
dern nüchtern, langsam, calcnlirend; er weiß was er will; er ist dem fremden
Regenten.feind geworden, das ist seinem zähen Willen genng. Er bekriegt ihn,
er bezahlt und unterhält anch mich, damit ich ihm seinen Feind zurücktreiben helfe;
und er weiß das recht gut. —

Ich neige mich vor deiner kleinen Majestät, Sir Klaus Johannsen, mur¬
melte ich, zu den Listen zurückkehrend. — Ordonnanz, lassen Sie uicht herein, was
Sie abhalten können, ich attire. — Also 10 — 13 — 35. — Himmel, welch ein
Geschrei: Die Ordonnanz und eine belfernde zornige Weiberstmime im Kampf:
,,Und ich sag Sie, ich will den Lieutenant sprechen, und von so einem elendigen
Musketier werd ich mich uoch nicht abhalten lassen," schrie die Fremde, meinen
Wächter an die Thüre drängend. — Lassen Sie ein, rief ich; und in das Zimmer
stürzte eine gemeine, schmutzige Person von höchst vettelhaftem Aussehen. Ein
alter schwarzer Hut, der durch Sonne und Regen die Farbe sehr verloren hatte,
ragte über ihrem ziegelfarbenen Gesicht wie das Verdeck einer zerfallenen Droschke
über die rothen SiMssen, und zwei hervorstehende Augen warfen zornige Blicke
ans meine Uniform. Ihre Lippen bewegten sich nach der Methode des Hamburger
Dialekts: „Na das muß ich sagen," schrie die Dame von entschiedenem Cha¬
rakter, „das ist eine schöne Wirthschaft hier bei die Schleswig-Holsteiner, (näher
rückend) Warum soll ich deun nicht als Marketenderin bei das Bataillon blei¬
ben? (noch näher rückend, während ich eine Stuhllehne als Barriere vor sie
stelle) Der Hauptmann sagt, hier vom Geueral sei der Befehl, daß ich fort
muß. (auf die Stuhllehne schlagend) Hab ich uicht immer gute Lebensmittel ge¬
liefert? (wieder aufschlagend) Na, das möcht ich doch von Sie wissen, warum
ich fort soll." — Weil Ihre Papiere nicht in Ordnung siud und man außerdem
erfahren hat, daß Sie liederliches Weibsgestndel mit sich herumziehen. — „So?
meine Papiere nicht in Ordnung?" rief der Drache feuerspeiend, „seht mir ein¬
mal diese Schleswig - Holsteiuer an, was die so aus Papiere geben! Was? sind
eure Papiere denn in Ordnung? Ich glaub onnoch nicht, (feuerspeiend) Re¬
bellen und Insurgeuter's seid ihr, wie die Dänen sagen, und denn wollt ihr
uoch auf Papiere scheu, wie bei der Polizei? — Ne, so etwas Dummes ist mir
uoch uicht vorgekommen Und die Mine und Guste, meines seligen Bruders
Stieffraueu ihre Töchter, das siud ein paar nette Mädekeus, die schou 48 mit
die Preußen und 49 mit die Baiern hier gewesen sind und allen Lieutenants
angenehm gewesen sind und nu (feuerspeiend) sollten sie für diese Schleswig-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0414" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92703"/>
          <p xml:id="ID_1320" prev="#ID_1319"> Tasche, als wie er." &#x2014; Ein neuer herzlicher Handschlag, und der Bauer öffnete<lb/>
die Thür und schritt bedächtig hinaus. Ich sah der großen Gestalt respectvoll<lb/>
nach. Der Mann führt Krieg mit dem König von Dänemark, er, der Bauer,<lb/>
und doch führt er ihn wie ein König. Er seht seinen Thaler gegen des Dänen¬<lb/>
königs Thaler, seinen Sohn gegen des Dänen Unterthan und seinen Bauerhof<lb/>
gegen die Krone Erich's. Und das thut er uicht als ein bethörter Spieler, son¬<lb/>
dern nüchtern, langsam, calcnlirend; er weiß was er will; er ist dem fremden<lb/>
Regenten.feind geworden, das ist seinem zähen Willen genng. Er bekriegt ihn,<lb/>
er bezahlt und unterhält anch mich, damit ich ihm seinen Feind zurücktreiben helfe;<lb/>
und er weiß das recht gut. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1321" next="#ID_1322"> Ich neige mich vor deiner kleinen Majestät, Sir Klaus Johannsen, mur¬<lb/>
melte ich, zu den Listen zurückkehrend. &#x2014; Ordonnanz, lassen Sie uicht herein, was<lb/>
Sie abhalten können, ich attire. &#x2014; Also 10 &#x2014; 13 &#x2014; 35. &#x2014; Himmel, welch ein<lb/>
Geschrei: Die Ordonnanz und eine belfernde zornige Weiberstmime im Kampf:<lb/>
,,Und ich sag Sie, ich will den Lieutenant sprechen, und von so einem elendigen<lb/>
Musketier werd ich mich uoch nicht abhalten lassen," schrie die Fremde, meinen<lb/>
Wächter an die Thüre drängend. &#x2014; Lassen Sie ein, rief ich; und in das Zimmer<lb/>
stürzte eine gemeine, schmutzige Person von höchst vettelhaftem Aussehen. Ein<lb/>
alter schwarzer Hut, der durch Sonne und Regen die Farbe sehr verloren hatte,<lb/>
ragte über ihrem ziegelfarbenen Gesicht wie das Verdeck einer zerfallenen Droschke<lb/>
über die rothen SiMssen, und zwei hervorstehende Augen warfen zornige Blicke<lb/>
ans meine Uniform. Ihre Lippen bewegten sich nach der Methode des Hamburger<lb/>
Dialekts: &#x201E;Na das muß ich sagen," schrie die Dame von entschiedenem Cha¬<lb/>
rakter, &#x201E;das ist eine schöne Wirthschaft hier bei die Schleswig-Holsteiner, (näher<lb/>
rückend) Warum soll ich deun nicht als Marketenderin bei das Bataillon blei¬<lb/>
ben? (noch näher rückend, während ich eine Stuhllehne als Barriere vor sie<lb/>
stelle) Der Hauptmann sagt, hier vom Geueral sei der Befehl, daß ich fort<lb/>
muß. (auf die Stuhllehne schlagend) Hab ich uicht immer gute Lebensmittel ge¬<lb/>
liefert? (wieder aufschlagend) Na, das möcht ich doch von Sie wissen, warum<lb/>
ich fort soll." &#x2014; Weil Ihre Papiere nicht in Ordnung siud und man außerdem<lb/>
erfahren hat, daß Sie liederliches Weibsgestndel mit sich herumziehen. &#x2014; &#x201E;So?<lb/>
meine Papiere nicht in Ordnung?" rief der Drache feuerspeiend, &#x201E;seht mir ein¬<lb/>
mal diese Schleswig - Holsteiuer an, was die so aus Papiere geben! Was? sind<lb/>
eure Papiere denn in Ordnung? Ich glaub onnoch nicht, (feuerspeiend) Re¬<lb/>
bellen und Insurgeuter's seid ihr, wie die Dänen sagen, und denn wollt ihr<lb/>
uoch auf Papiere scheu, wie bei der Polizei? &#x2014; Ne, so etwas Dummes ist mir<lb/>
uoch uicht vorgekommen Und die Mine und Guste, meines seligen Bruders<lb/>
Stieffraueu ihre Töchter, das siud ein paar nette Mädekeus, die schou 48 mit<lb/>
die Preußen und 49 mit die Baiern hier gewesen sind und allen Lieutenants<lb/>
angenehm gewesen sind und nu (feuerspeiend) sollten sie für diese Schleswig-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0414] Tasche, als wie er." — Ein neuer herzlicher Handschlag, und der Bauer öffnete die Thür und schritt bedächtig hinaus. Ich sah der großen Gestalt respectvoll nach. Der Mann führt Krieg mit dem König von Dänemark, er, der Bauer, und doch führt er ihn wie ein König. Er seht seinen Thaler gegen des Dänen¬ königs Thaler, seinen Sohn gegen des Dänen Unterthan und seinen Bauerhof gegen die Krone Erich's. Und das thut er uicht als ein bethörter Spieler, son¬ dern nüchtern, langsam, calcnlirend; er weiß was er will; er ist dem fremden Regenten.feind geworden, das ist seinem zähen Willen genng. Er bekriegt ihn, er bezahlt und unterhält anch mich, damit ich ihm seinen Feind zurücktreiben helfe; und er weiß das recht gut. — Ich neige mich vor deiner kleinen Majestät, Sir Klaus Johannsen, mur¬ melte ich, zu den Listen zurückkehrend. — Ordonnanz, lassen Sie uicht herein, was Sie abhalten können, ich attire. — Also 10 — 13 — 35. — Himmel, welch ein Geschrei: Die Ordonnanz und eine belfernde zornige Weiberstmime im Kampf: ,,Und ich sag Sie, ich will den Lieutenant sprechen, und von so einem elendigen Musketier werd ich mich uoch nicht abhalten lassen," schrie die Fremde, meinen Wächter an die Thüre drängend. — Lassen Sie ein, rief ich; und in das Zimmer stürzte eine gemeine, schmutzige Person von höchst vettelhaftem Aussehen. Ein alter schwarzer Hut, der durch Sonne und Regen die Farbe sehr verloren hatte, ragte über ihrem ziegelfarbenen Gesicht wie das Verdeck einer zerfallenen Droschke über die rothen SiMssen, und zwei hervorstehende Augen warfen zornige Blicke ans meine Uniform. Ihre Lippen bewegten sich nach der Methode des Hamburger Dialekts: „Na das muß ich sagen," schrie die Dame von entschiedenem Cha¬ rakter, „das ist eine schöne Wirthschaft hier bei die Schleswig-Holsteiner, (näher rückend) Warum soll ich deun nicht als Marketenderin bei das Bataillon blei¬ ben? (noch näher rückend, während ich eine Stuhllehne als Barriere vor sie stelle) Der Hauptmann sagt, hier vom Geueral sei der Befehl, daß ich fort muß. (auf die Stuhllehne schlagend) Hab ich uicht immer gute Lebensmittel ge¬ liefert? (wieder aufschlagend) Na, das möcht ich doch von Sie wissen, warum ich fort soll." — Weil Ihre Papiere nicht in Ordnung siud und man außerdem erfahren hat, daß Sie liederliches Weibsgestndel mit sich herumziehen. — „So? meine Papiere nicht in Ordnung?" rief der Drache feuerspeiend, „seht mir ein¬ mal diese Schleswig - Holsteiuer an, was die so aus Papiere geben! Was? sind eure Papiere denn in Ordnung? Ich glaub onnoch nicht, (feuerspeiend) Re¬ bellen und Insurgeuter's seid ihr, wie die Dänen sagen, und denn wollt ihr uoch auf Papiere scheu, wie bei der Polizei? — Ne, so etwas Dummes ist mir uoch uicht vorgekommen Und die Mine und Guste, meines seligen Bruders Stieffraueu ihre Töchter, das siud ein paar nette Mädekeus, die schou 48 mit die Preußen und 49 mit die Baiern hier gewesen sind und allen Lieutenants angenehm gewesen sind und nu (feuerspeiend) sollten sie für diese Schleswig-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/414
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/414>, abgerufen am 23.07.2024.