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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Sercczauer und Kosaken verrathen. Es fehlte wenig, daß man mit dem unglück¬
seligen Blatt und dem unglückseligen Redacteur dazu ein ^ulo äa 56 angestellt
hätte. Solcher Verschrobenheit ist nur der Deutsche fähig.

Es ist Zeit, daß mit dieser Empfindsamkeit ein Ende gemacht werde. Wir
Liberalen haben, wie es unsere Schuldigkeit war, nach Kräften dahin gearbeitet,
daß der Staat sein Unrecht gegen die Juden wieder gut mache, und wenigstens
die Hauptsache ist bereits geschehen. Jetzt aber muß man' es uns nicht mehr
verargen, wenn wir eine so merkwürdige Erscheinung, wie das Judenthum, eine
Erscheinung, an der vier Jahrtausende der Unterdrückung vorübergegangen sind,
ohne sie im Wesen zu verändern, eiuer freien historischen Kritik unterwerfen,
sollte sie auch nicht günstig ausfallen, sollte sich auch als endliches Resultat die
eruste Aufforderung herausstellen, nachdem wir sie von den Fesseln des christlichen
Staats emancipirt, nunmehr sich selber und uus vom Judenthum zu befreien.

Für hente haben wir nnr die eine Seite dieser Erscheinung ins Ange zu
fassen: den Einfluß, deu die Juden auf unsere neueste Literatur, und zwar ans
die journalistische ausgeübt haben. Daß dieser Einfluß ein ungeheurer gewesen
ist, lehrt der Augenschein, denn uuter sämmtlichen Journalisten des heiligen römi¬
schen Reiches gehören zwei Drittel dem Judenthum an; in einzelnen Landschaften
stellt sich das Verhältniß noch anders heraus: man wird z. B. nicht übertreiben,
wenn man in Oestreich ans 190 Journalisten 99 Juden rechnet. Daß sie nicht
-in gleichem Verhältniß an der eigentlichen Wissenschaft und Kunst Theil genom¬
men haben, liegt freilich zum Theil in den äußern Umständen, denn eine dauernde
Beschäftigung mit der Wissenschaft ohne die entsprechende amtliche Stellung kommt
nnr auöuahmweise vor, und diese war ihnen bis jetzt versagt. Wie es sich her¬
ausstellen wird, nachdem diese äußern Fesseln gefallen sind, muß die Zeit lehren;
daß einigermaßen anch der Volkscharakter darauf eingewirkt hat, davon ein
andermal.

Wir finden sie in allen Parteiungen und Nuancen; zum größten Theil freilich
in der Demokratie, aber auch stark in der Reaction"); am wenigsten in unserer
Partei. Ueberall aber kann man behaupten, daß sie schädlich eingewirkt haben.
Ans welche Weise, das wird sich am besten veranschaulichen lassen, wenn wir uns
an die beideu glänzenden Talente halten, die diese Bahn gebrochen haben, an
Heine und Börne.

Der Einfluß, den diese beiden Schriftsteller ans die deutsche Literatur der
letzten 25 Jahre ausgeübt haben, ist eben so groß als schädlich. Man kann
sagen, daß die ganze Generation, soweit sie sich überhaupt mit Poesie und Politik
abgegeben hat, durch sie corrumpirt ist.



^) Das Organ der preußischen Negierung hat in seinem neuen Redacteur, Herrn Selig
Kassel, eine derartige Acquisition gemacht; die östreichische war schon lange durch Landsteincr
vertreten.

Sercczauer und Kosaken verrathen. Es fehlte wenig, daß man mit dem unglück¬
seligen Blatt und dem unglückseligen Redacteur dazu ein ^ulo äa 56 angestellt
hätte. Solcher Verschrobenheit ist nur der Deutsche fähig.

Es ist Zeit, daß mit dieser Empfindsamkeit ein Ende gemacht werde. Wir
Liberalen haben, wie es unsere Schuldigkeit war, nach Kräften dahin gearbeitet,
daß der Staat sein Unrecht gegen die Juden wieder gut mache, und wenigstens
die Hauptsache ist bereits geschehen. Jetzt aber muß man' es uns nicht mehr
verargen, wenn wir eine so merkwürdige Erscheinung, wie das Judenthum, eine
Erscheinung, an der vier Jahrtausende der Unterdrückung vorübergegangen sind,
ohne sie im Wesen zu verändern, eiuer freien historischen Kritik unterwerfen,
sollte sie auch nicht günstig ausfallen, sollte sich auch als endliches Resultat die
eruste Aufforderung herausstellen, nachdem wir sie von den Fesseln des christlichen
Staats emancipirt, nunmehr sich selber und uus vom Judenthum zu befreien.

Für hente haben wir nnr die eine Seite dieser Erscheinung ins Ange zu
fassen: den Einfluß, deu die Juden auf unsere neueste Literatur, und zwar ans
die journalistische ausgeübt haben. Daß dieser Einfluß ein ungeheurer gewesen
ist, lehrt der Augenschein, denn uuter sämmtlichen Journalisten des heiligen römi¬
schen Reiches gehören zwei Drittel dem Judenthum an; in einzelnen Landschaften
stellt sich das Verhältniß noch anders heraus: man wird z. B. nicht übertreiben,
wenn man in Oestreich ans 190 Journalisten 99 Juden rechnet. Daß sie nicht
-in gleichem Verhältniß an der eigentlichen Wissenschaft und Kunst Theil genom¬
men haben, liegt freilich zum Theil in den äußern Umständen, denn eine dauernde
Beschäftigung mit der Wissenschaft ohne die entsprechende amtliche Stellung kommt
nnr auöuahmweise vor, und diese war ihnen bis jetzt versagt. Wie es sich her¬
ausstellen wird, nachdem diese äußern Fesseln gefallen sind, muß die Zeit lehren;
daß einigermaßen anch der Volkscharakter darauf eingewirkt hat, davon ein
andermal.

Wir finden sie in allen Parteiungen und Nuancen; zum größten Theil freilich
in der Demokratie, aber auch stark in der Reaction"); am wenigsten in unserer
Partei. Ueberall aber kann man behaupten, daß sie schädlich eingewirkt haben.
Ans welche Weise, das wird sich am besten veranschaulichen lassen, wenn wir uns
an die beideu glänzenden Talente halten, die diese Bahn gebrochen haben, an
Heine und Börne.

Der Einfluß, den diese beiden Schriftsteller ans die deutsche Literatur der
letzten 25 Jahre ausgeübt haben, ist eben so groß als schädlich. Man kann
sagen, daß die ganze Generation, soweit sie sich überhaupt mit Poesie und Politik
abgegeben hat, durch sie corrumpirt ist.



^) Das Organ der preußischen Negierung hat in seinem neuen Redacteur, Herrn Selig
Kassel, eine derartige Acquisition gemacht; die östreichische war schon lange durch Landsteincr
vertreten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/330>, abgerufen am 22.07.2024.