Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

selbst bei seinem Eintritt in die Ständeversammlung am 13. März 1848 aus¬
drückte. Bei dieser Gelegenheit war es, wo er uuter audern folgende Worte
sprach: "Jene Republik in Deutschlands Nachbarschaft sott mich nicht einen
Schritt über meine bisherige Richtung hinausbringen; ich huldige auch ferner der
constitutionellen Monarchie mit wahrer Vertretung des Volkes." Er hat Wort
gehalten. Darauf wurde er zum Laudtagscommissar ernannt, wohnte bald nachher
dem Vorparlament bei, wurde Mitglied des Fünfziger-Ausschusses, endlich von
der Grafschaft Schaumburg in's Neichsparlament, später auch in's Erfurter Volks-
hauö gewählt. In der Paulskirche bestieg er bei dem großen Andrang von Red¬
nern die Rednerbühne fast nie, arbeitete aber desto fleißiger in den Ausschüssen,
besouders im VerfassnngSanöschnß. Er gehörte dem linken Centrum an, nur in
der Frage über den Malmöer Waffenstillstand stimmte er unbegreiflicher Weise
mit der Linken. In der deutschen Frage anfangs großdeutsch gefilmt, brachte
er uoch nach der ersten Lesung der Frankfurter Verfassung einen Toast auf ein
deutsches Reich aus, "so weit die deutsche Zunge klingt," stimmte im Ministe¬
rium, wie bestimmt versichert wird, gegen den Anschluß an das Bündniß vom
26. Mai, hat es aber nachher, als er überstimmt war, ehrlich mit aller Kraft
unterstützt und gefördert. Seine parlamentarische Thätigkeit wurde unterbrochen,
als er am 25. Aug. 1848 mit dem Titel Staatsrath das drückende Portefeuille
der Finanzen übernahm. Es war gewiß mehr als Phrase, wenn er am
26. Ang. in der Kammer erklärte: "Ich fühle das ganze Gewicht der Last, die
dadurch auf mich gelegt worden ist, und habe längere Zeit erwogen, ob ich in
der That diesem Amt gewachsen sei. Endlich habe .ich es für meine Pflicht ge¬
halten, den drängenden Zeitverhältnissen nachzugeben." Die Finanzlage wurde
immer schwieriger. Wippermann sah sich sogar einmal genöthigt, um den Staats¬
credit aufrecht zu erhalten, in Abwesenheit der Ständeversammlung zu einem ver¬
antwortungsvollen heroischen Mittel zu greifen, wofür er von der Kammer einer
Judemnitätöbill bedürfte. Fürwahr uicht jedem Finanzminister würde dieselbe zu
Theil gewordcu sein; wurde doch sogar gegen Wippermann von einer gewissen
Seite her das Wort "Anklage" laut. Uebrigens scheinen seine finanziellen Ta¬
lente im Ganzen doch mehr kritischer, als organisatorischer Natur zu sein. We¬
nigstens ist er auf den sehr beachtenswerthen, neuerdings von Hassenpflug aus-
geführten Antrag des Deputaten Hildebrand ans eine Gesetzvorlage wegen Auf-
hebung der überaus kostspieligen und zum Theil als wahre Sinecuren zu
betrachtenden Höhern Finanzcollegien und Ersetzung derselben durch Referenten
beim Ministerium -- nicht eingegangen, vielleicht aber auch nur durch plötzliche
Entlassung darau verhindert worden. Die durch dieses Ereigniß ihm octroyirte
Muße hat er zur Bearbeitung der "Geschichte Kurhesseus seit dem Freiheitskriege"
benutzt. Zwar enthält sich Wippermann bei seiner Geschichtserzählung des eigenen Ur¬
theils fast gänzlich; aber gerade dadurch, daß er die Thatsachen selbst reden


selbst bei seinem Eintritt in die Ständeversammlung am 13. März 1848 aus¬
drückte. Bei dieser Gelegenheit war es, wo er uuter audern folgende Worte
sprach: „Jene Republik in Deutschlands Nachbarschaft sott mich nicht einen
Schritt über meine bisherige Richtung hinausbringen; ich huldige auch ferner der
constitutionellen Monarchie mit wahrer Vertretung des Volkes." Er hat Wort
gehalten. Darauf wurde er zum Laudtagscommissar ernannt, wohnte bald nachher
dem Vorparlament bei, wurde Mitglied des Fünfziger-Ausschusses, endlich von
der Grafschaft Schaumburg in's Neichsparlament, später auch in's Erfurter Volks-
hauö gewählt. In der Paulskirche bestieg er bei dem großen Andrang von Red¬
nern die Rednerbühne fast nie, arbeitete aber desto fleißiger in den Ausschüssen,
besouders im VerfassnngSanöschnß. Er gehörte dem linken Centrum an, nur in
der Frage über den Malmöer Waffenstillstand stimmte er unbegreiflicher Weise
mit der Linken. In der deutschen Frage anfangs großdeutsch gefilmt, brachte
er uoch nach der ersten Lesung der Frankfurter Verfassung einen Toast auf ein
deutsches Reich aus, „so weit die deutsche Zunge klingt," stimmte im Ministe¬
rium, wie bestimmt versichert wird, gegen den Anschluß an das Bündniß vom
26. Mai, hat es aber nachher, als er überstimmt war, ehrlich mit aller Kraft
unterstützt und gefördert. Seine parlamentarische Thätigkeit wurde unterbrochen,
als er am 25. Aug. 1848 mit dem Titel Staatsrath das drückende Portefeuille
der Finanzen übernahm. Es war gewiß mehr als Phrase, wenn er am
26. Ang. in der Kammer erklärte: „Ich fühle das ganze Gewicht der Last, die
dadurch auf mich gelegt worden ist, und habe längere Zeit erwogen, ob ich in
der That diesem Amt gewachsen sei. Endlich habe .ich es für meine Pflicht ge¬
halten, den drängenden Zeitverhältnissen nachzugeben." Die Finanzlage wurde
immer schwieriger. Wippermann sah sich sogar einmal genöthigt, um den Staats¬
credit aufrecht zu erhalten, in Abwesenheit der Ständeversammlung zu einem ver¬
antwortungsvollen heroischen Mittel zu greifen, wofür er von der Kammer einer
Judemnitätöbill bedürfte. Fürwahr uicht jedem Finanzminister würde dieselbe zu
Theil gewordcu sein; wurde doch sogar gegen Wippermann von einer gewissen
Seite her das Wort „Anklage" laut. Uebrigens scheinen seine finanziellen Ta¬
lente im Ganzen doch mehr kritischer, als organisatorischer Natur zu sein. We¬
nigstens ist er auf den sehr beachtenswerthen, neuerdings von Hassenpflug aus-
geführten Antrag des Deputaten Hildebrand ans eine Gesetzvorlage wegen Auf-
hebung der überaus kostspieligen und zum Theil als wahre Sinecuren zu
betrachtenden Höhern Finanzcollegien und Ersetzung derselben durch Referenten
beim Ministerium — nicht eingegangen, vielleicht aber auch nur durch plötzliche
Entlassung darau verhindert worden. Die durch dieses Ereigniß ihm octroyirte
Muße hat er zur Bearbeitung der „Geschichte Kurhesseus seit dem Freiheitskriege"
benutzt. Zwar enthält sich Wippermann bei seiner Geschichtserzählung des eigenen Ur¬
theils fast gänzlich; aber gerade dadurch, daß er die Thatsachen selbst reden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92560"/>
            <p xml:id="ID_867" prev="#ID_866" next="#ID_868"> selbst bei seinem Eintritt in die Ständeversammlung am 13. März 1848 aus¬<lb/>
drückte. Bei dieser Gelegenheit war es, wo er uuter audern folgende Worte<lb/>
sprach: &#x201E;Jene Republik in Deutschlands Nachbarschaft sott mich nicht einen<lb/>
Schritt über meine bisherige Richtung hinausbringen; ich huldige auch ferner der<lb/>
constitutionellen Monarchie mit wahrer Vertretung des Volkes." Er hat Wort<lb/>
gehalten. Darauf wurde er zum Laudtagscommissar ernannt, wohnte bald nachher<lb/>
dem Vorparlament bei, wurde Mitglied des Fünfziger-Ausschusses, endlich von<lb/>
der Grafschaft Schaumburg in's Neichsparlament, später auch in's Erfurter Volks-<lb/>
hauö gewählt. In der Paulskirche bestieg er bei dem großen Andrang von Red¬<lb/>
nern die Rednerbühne fast nie, arbeitete aber desto fleißiger in den Ausschüssen,<lb/>
besouders im VerfassnngSanöschnß. Er gehörte dem linken Centrum an, nur in<lb/>
der Frage über den Malmöer Waffenstillstand stimmte er unbegreiflicher Weise<lb/>
mit der Linken. In der deutschen Frage anfangs großdeutsch gefilmt, brachte<lb/>
er uoch nach der ersten Lesung der Frankfurter Verfassung einen Toast auf ein<lb/>
deutsches Reich aus, &#x201E;so weit die deutsche Zunge klingt," stimmte im Ministe¬<lb/>
rium, wie bestimmt versichert wird, gegen den Anschluß an das Bündniß vom<lb/>
26. Mai, hat es aber nachher, als er überstimmt war, ehrlich mit aller Kraft<lb/>
unterstützt und gefördert. Seine parlamentarische Thätigkeit wurde unterbrochen,<lb/>
als er am 25. Aug. 1848 mit dem Titel Staatsrath das drückende Portefeuille<lb/>
der Finanzen übernahm. Es war gewiß mehr als Phrase, wenn er am<lb/>
26. Ang. in der Kammer erklärte: &#x201E;Ich fühle das ganze Gewicht der Last, die<lb/>
dadurch auf mich gelegt worden ist, und habe längere Zeit erwogen, ob ich in<lb/>
der That diesem Amt gewachsen sei. Endlich habe .ich es für meine Pflicht ge¬<lb/>
halten, den drängenden Zeitverhältnissen nachzugeben." Die Finanzlage wurde<lb/>
immer schwieriger. Wippermann sah sich sogar einmal genöthigt, um den Staats¬<lb/>
credit aufrecht zu erhalten, in Abwesenheit der Ständeversammlung zu einem ver¬<lb/>
antwortungsvollen heroischen Mittel zu greifen, wofür er von der Kammer einer<lb/>
Judemnitätöbill bedürfte. Fürwahr uicht jedem Finanzminister würde dieselbe zu<lb/>
Theil gewordcu sein; wurde doch sogar gegen Wippermann von einer gewissen<lb/>
Seite her das Wort &#x201E;Anklage" laut. Uebrigens scheinen seine finanziellen Ta¬<lb/>
lente im Ganzen doch mehr kritischer, als organisatorischer Natur zu sein. We¬<lb/>
nigstens ist er auf den sehr beachtenswerthen, neuerdings von Hassenpflug aus-<lb/>
geführten Antrag des Deputaten Hildebrand ans eine Gesetzvorlage wegen Auf-<lb/>
hebung der überaus kostspieligen und zum Theil als wahre Sinecuren zu<lb/>
betrachtenden Höhern Finanzcollegien und Ersetzung derselben durch Referenten<lb/>
beim Ministerium &#x2014; nicht eingegangen, vielleicht aber auch nur durch plötzliche<lb/>
Entlassung darau verhindert worden. Die durch dieses Ereigniß ihm octroyirte<lb/>
Muße hat er zur Bearbeitung der &#x201E;Geschichte Kurhesseus seit dem Freiheitskriege"<lb/>
benutzt. Zwar enthält sich Wippermann bei seiner Geschichtserzählung des eigenen Ur¬<lb/>
theils fast gänzlich; aber gerade dadurch, daß er die Thatsachen selbst reden</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0271] selbst bei seinem Eintritt in die Ständeversammlung am 13. März 1848 aus¬ drückte. Bei dieser Gelegenheit war es, wo er uuter audern folgende Worte sprach: „Jene Republik in Deutschlands Nachbarschaft sott mich nicht einen Schritt über meine bisherige Richtung hinausbringen; ich huldige auch ferner der constitutionellen Monarchie mit wahrer Vertretung des Volkes." Er hat Wort gehalten. Darauf wurde er zum Laudtagscommissar ernannt, wohnte bald nachher dem Vorparlament bei, wurde Mitglied des Fünfziger-Ausschusses, endlich von der Grafschaft Schaumburg in's Neichsparlament, später auch in's Erfurter Volks- hauö gewählt. In der Paulskirche bestieg er bei dem großen Andrang von Red¬ nern die Rednerbühne fast nie, arbeitete aber desto fleißiger in den Ausschüssen, besouders im VerfassnngSanöschnß. Er gehörte dem linken Centrum an, nur in der Frage über den Malmöer Waffenstillstand stimmte er unbegreiflicher Weise mit der Linken. In der deutschen Frage anfangs großdeutsch gefilmt, brachte er uoch nach der ersten Lesung der Frankfurter Verfassung einen Toast auf ein deutsches Reich aus, „so weit die deutsche Zunge klingt," stimmte im Ministe¬ rium, wie bestimmt versichert wird, gegen den Anschluß an das Bündniß vom 26. Mai, hat es aber nachher, als er überstimmt war, ehrlich mit aller Kraft unterstützt und gefördert. Seine parlamentarische Thätigkeit wurde unterbrochen, als er am 25. Aug. 1848 mit dem Titel Staatsrath das drückende Portefeuille der Finanzen übernahm. Es war gewiß mehr als Phrase, wenn er am 26. Ang. in der Kammer erklärte: „Ich fühle das ganze Gewicht der Last, die dadurch auf mich gelegt worden ist, und habe längere Zeit erwogen, ob ich in der That diesem Amt gewachsen sei. Endlich habe .ich es für meine Pflicht ge¬ halten, den drängenden Zeitverhältnissen nachzugeben." Die Finanzlage wurde immer schwieriger. Wippermann sah sich sogar einmal genöthigt, um den Staats¬ credit aufrecht zu erhalten, in Abwesenheit der Ständeversammlung zu einem ver¬ antwortungsvollen heroischen Mittel zu greifen, wofür er von der Kammer einer Judemnitätöbill bedürfte. Fürwahr uicht jedem Finanzminister würde dieselbe zu Theil gewordcu sein; wurde doch sogar gegen Wippermann von einer gewissen Seite her das Wort „Anklage" laut. Uebrigens scheinen seine finanziellen Ta¬ lente im Ganzen doch mehr kritischer, als organisatorischer Natur zu sein. We¬ nigstens ist er auf den sehr beachtenswerthen, neuerdings von Hassenpflug aus- geführten Antrag des Deputaten Hildebrand ans eine Gesetzvorlage wegen Auf- hebung der überaus kostspieligen und zum Theil als wahre Sinecuren zu betrachtenden Höhern Finanzcollegien und Ersetzung derselben durch Referenten beim Ministerium — nicht eingegangen, vielleicht aber auch nur durch plötzliche Entlassung darau verhindert worden. Die durch dieses Ereigniß ihm octroyirte Muße hat er zur Bearbeitung der „Geschichte Kurhesseus seit dem Freiheitskriege" benutzt. Zwar enthält sich Wippermann bei seiner Geschichtserzählung des eigenen Ur¬ theils fast gänzlich; aber gerade dadurch, daß er die Thatsachen selbst reden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/271
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/271>, abgerufen am 22.07.2024.