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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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hessischen: Grund und Boden, er wurde schmählich geschlagen. Aber die allge¬
meine Lage der Dinge, wie die specielle Situation Kurhesseus zu ihr war eine
so bedeutungsvolle, daß jeder Minister Kurhesseus eine wichtige Stelle ein¬
zunehmen hatte, wenn er anch nicht in Preußen, dem Mittelpunkte der Union,
gemeiner Verbrechen öffentlich angeklagt gewesen wäre. Wer sich nnr einen Au¬
genblick die kritische Entwickelungsstufe in der Politik Preußens, Oestreichs und
der mittlern deutschen Staaten ^welche bereits vor der Berufung Hassenpflug's
an die Spitze des kurhessischen Ministeriums eingetreten war, vergegenwärtigt,
muß bekennen, daß uuter allen Umständen Kurhessen ein bedeittsames Gewicht in
die Wagschale der civilisirten Mächte legen mußte. So lauge Hasseupflug an
eine Möglichkeit glaubte, trotz des ihm von der wohlbekannten Vergangenheit seines
Lebens ausgestellten Signalements, trotz aller neuen Gewaltstreiche und hinterlistigen
Ränke, mit den Landständen die alten Schleich- und Gewaltwege gegen die
Stäude und die Verfassung wandeln zu können, hat er nur die alten kleinen
Mittelchen und Listen angewendet. Aber die Presse war frei und legte alle seiue
Mittelchen blos; der Beamtenstand war in der Zwischenzeit geläutert und für
wahre Ehre und Pflicht gestählt worden; die an die Stadtbehörde übergangene
Polizei war kein für Alles brauchbares Instrument mehr; selbst am Hofe war
eine Partei, die nicht unempfindlich war gegen den brennenden Unwillen des
ganzen Landes über die Schmach, einen solchen Manu an der Spitze des Staats-
ministeriums und speciell der Rechtspflege zu sehen, weil sie fühlte, wie diese
Persönlichkeit ihrer Herzenssache schadete; endlich waren die Landstände bis aus
deu letzten Mann unzugänglich gegen Corruption und fest entschlossen, gegen diesen
Mann Ehre und Recht und Pflicht zu wahren, wie gegen einen notorischen und
charakterisirten Uebelthäter. Doch blieb Hassenvflng, eingehüllt in seine "Nhiuo-
ceroshaut", nnempftudlich gegen die Aeußerungen des Mißtrauens wie gegen die
zahllosen Documente der allgemeinen Verachtung im Amte, in welchen! ihn gegen
eine Willensändernng des Kurfürsten die Anweisung auf deu PeusiouSgehalt aus
der Privatchatoulle desselben schützte. Auch die Stellung gegen Preußen und
die Union und die Uebergabe Kurhesseus an den Bundesembryo, der nach ge¬
waltsamer Operation "verfrüht" als Siebenmonatötind das Licht der erstaunten
Welt sah, ist uicht von ferne das sür die Durchführung eines politischen Princips
und Systems von weiter Ferne her erzielte sreie Werk Hassenpflng'ö, wie man
das hundertmal behauptet, nachgesprochen und nachgeschrieben hat. Der entschei¬
dende Anstoß dazu kam vom Kurfürsten, der lange, ehe Hassenpflug kam, dnrch
die Union "nicht mediatisirt sein wollte" und die Abwickelung seines Verbandes
mit ihr als die eoncMv sino tM". non für das Ministerpräsidinm und die nor¬
malen und abnormen Gehaltsverhältnisse dem Greifswalder Angeklagten gestellt
hatte. Nur das Eine hat Hasseupflug verstände", daß er, als seine Stellung
nachgerade nach allen Seiten hin unhaltbar geworden war, und er blos für eigene


hessischen: Grund und Boden, er wurde schmählich geschlagen. Aber die allge¬
meine Lage der Dinge, wie die specielle Situation Kurhesseus zu ihr war eine
so bedeutungsvolle, daß jeder Minister Kurhesseus eine wichtige Stelle ein¬
zunehmen hatte, wenn er anch nicht in Preußen, dem Mittelpunkte der Union,
gemeiner Verbrechen öffentlich angeklagt gewesen wäre. Wer sich nnr einen Au¬
genblick die kritische Entwickelungsstufe in der Politik Preußens, Oestreichs und
der mittlern deutschen Staaten ^welche bereits vor der Berufung Hassenpflug's
an die Spitze des kurhessischen Ministeriums eingetreten war, vergegenwärtigt,
muß bekennen, daß uuter allen Umständen Kurhessen ein bedeittsames Gewicht in
die Wagschale der civilisirten Mächte legen mußte. So lauge Hasseupflug an
eine Möglichkeit glaubte, trotz des ihm von der wohlbekannten Vergangenheit seines
Lebens ausgestellten Signalements, trotz aller neuen Gewaltstreiche und hinterlistigen
Ränke, mit den Landständen die alten Schleich- und Gewaltwege gegen die
Stäude und die Verfassung wandeln zu können, hat er nur die alten kleinen
Mittelchen und Listen angewendet. Aber die Presse war frei und legte alle seiue
Mittelchen blos; der Beamtenstand war in der Zwischenzeit geläutert und für
wahre Ehre und Pflicht gestählt worden; die an die Stadtbehörde übergangene
Polizei war kein für Alles brauchbares Instrument mehr; selbst am Hofe war
eine Partei, die nicht unempfindlich war gegen den brennenden Unwillen des
ganzen Landes über die Schmach, einen solchen Manu an der Spitze des Staats-
ministeriums und speciell der Rechtspflege zu sehen, weil sie fühlte, wie diese
Persönlichkeit ihrer Herzenssache schadete; endlich waren die Landstände bis aus
deu letzten Mann unzugänglich gegen Corruption und fest entschlossen, gegen diesen
Mann Ehre und Recht und Pflicht zu wahren, wie gegen einen notorischen und
charakterisirten Uebelthäter. Doch blieb Hassenvflng, eingehüllt in seine „Nhiuo-
ceroshaut", nnempftudlich gegen die Aeußerungen des Mißtrauens wie gegen die
zahllosen Documente der allgemeinen Verachtung im Amte, in welchen! ihn gegen
eine Willensändernng des Kurfürsten die Anweisung auf deu PeusiouSgehalt aus
der Privatchatoulle desselben schützte. Auch die Stellung gegen Preußen und
die Union und die Uebergabe Kurhesseus an den Bundesembryo, der nach ge¬
waltsamer Operation „verfrüht" als Siebenmonatötind das Licht der erstaunten
Welt sah, ist uicht von ferne das sür die Durchführung eines politischen Princips
und Systems von weiter Ferne her erzielte sreie Werk Hassenpflng'ö, wie man
das hundertmal behauptet, nachgesprochen und nachgeschrieben hat. Der entschei¬
dende Anstoß dazu kam vom Kurfürsten, der lange, ehe Hassenpflug kam, dnrch
die Union „nicht mediatisirt sein wollte" und die Abwickelung seines Verbandes
mit ihr als die eoncMv sino tM». non für das Ministerpräsidinm und die nor¬
malen und abnormen Gehaltsverhältnisse dem Greifswalder Angeklagten gestellt
hatte. Nur das Eine hat Hasseupflug verstände», daß er, als seine Stellung
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[0237] hessischen: Grund und Boden, er wurde schmählich geschlagen. Aber die allge¬ meine Lage der Dinge, wie die specielle Situation Kurhesseus zu ihr war eine so bedeutungsvolle, daß jeder Minister Kurhesseus eine wichtige Stelle ein¬ zunehmen hatte, wenn er anch nicht in Preußen, dem Mittelpunkte der Union, gemeiner Verbrechen öffentlich angeklagt gewesen wäre. Wer sich nnr einen Au¬ genblick die kritische Entwickelungsstufe in der Politik Preußens, Oestreichs und der mittlern deutschen Staaten ^welche bereits vor der Berufung Hassenpflug's an die Spitze des kurhessischen Ministeriums eingetreten war, vergegenwärtigt, muß bekennen, daß uuter allen Umständen Kurhessen ein bedeittsames Gewicht in die Wagschale der civilisirten Mächte legen mußte. So lauge Hasseupflug an eine Möglichkeit glaubte, trotz des ihm von der wohlbekannten Vergangenheit seines Lebens ausgestellten Signalements, trotz aller neuen Gewaltstreiche und hinterlistigen Ränke, mit den Landständen die alten Schleich- und Gewaltwege gegen die Stäude und die Verfassung wandeln zu können, hat er nur die alten kleinen Mittelchen und Listen angewendet. Aber die Presse war frei und legte alle seiue Mittelchen blos; der Beamtenstand war in der Zwischenzeit geläutert und für wahre Ehre und Pflicht gestählt worden; die an die Stadtbehörde übergangene Polizei war kein für Alles brauchbares Instrument mehr; selbst am Hofe war eine Partei, die nicht unempfindlich war gegen den brennenden Unwillen des ganzen Landes über die Schmach, einen solchen Manu an der Spitze des Staats- ministeriums und speciell der Rechtspflege zu sehen, weil sie fühlte, wie diese Persönlichkeit ihrer Herzenssache schadete; endlich waren die Landstände bis aus deu letzten Mann unzugänglich gegen Corruption und fest entschlossen, gegen diesen Mann Ehre und Recht und Pflicht zu wahren, wie gegen einen notorischen und charakterisirten Uebelthäter. Doch blieb Hassenvflng, eingehüllt in seine „Nhiuo- ceroshaut", nnempftudlich gegen die Aeußerungen des Mißtrauens wie gegen die zahllosen Documente der allgemeinen Verachtung im Amte, in welchen! ihn gegen eine Willensändernng des Kurfürsten die Anweisung auf deu PeusiouSgehalt aus der Privatchatoulle desselben schützte. Auch die Stellung gegen Preußen und die Union und die Uebergabe Kurhesseus an den Bundesembryo, der nach ge¬ waltsamer Operation „verfrüht" als Siebenmonatötind das Licht der erstaunten Welt sah, ist uicht von ferne das sür die Durchführung eines politischen Princips und Systems von weiter Ferne her erzielte sreie Werk Hassenpflng'ö, wie man das hundertmal behauptet, nachgesprochen und nachgeschrieben hat. Der entschei¬ dende Anstoß dazu kam vom Kurfürsten, der lange, ehe Hassenpflug kam, dnrch die Union „nicht mediatisirt sein wollte" und die Abwickelung seines Verbandes mit ihr als die eoncMv sino tM». non für das Ministerpräsidinm und die nor¬ malen und abnormen Gehaltsverhältnisse dem Greifswalder Angeklagten gestellt hatte. Nur das Eine hat Hasseupflug verstände», daß er, als seine Stellung nachgerade nach allen Seiten hin unhaltbar geworden war, und er blos für eigene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/237>, abgerufen am 26.07.2024.