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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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an, er kam aus weiter Fern' -- Und war darauf an Kübeck'ö Arm zu sehen --
Und schrieb darauf an seinen Herrn." So sagt ein Kasseler Volksblatt unter
dem Titel: "Kilt Poet -- kommt doch zu spät." Ja es war ein sonderbarer Anblick
für die Bewohner Kassels, welche ohne Ausnahme die östreichischen Parolen
instinctmäßig herausfühlten, als sie am Tage nach der Flucht des Kurfürsten
Kübeck und Thiele Arm in Arm ans der belebten Straße ans und abwandeln
sahen, wo hinter den lebhaft freundschaftlichen Gesticulationen des Oestreichers
der Schalk so offenen Antlitzes hervorblickte. Die Demonstration der ^ntento
col'amo schien andeuten zu sollen, daß der preußische und der östreichische Ge¬
sandte in der Beurtheilung der Flucht, d.h. in der kopfschütteluden Mißbilligung
derselben oder in eiuer entgegengesetzten i,u-i-lor6-in;n8vo einig seien. War dies
nicht der Fall, so mußte in jeuer Stunde der Eine von dem Andern als tlups
gehänselt werdeu. Wenn uicht Alles, was später als Streit und Hader zwischeu
Oestreich und Preußen aufgetreten ist, sich als eitel Trug und Täuschung des
deutschen Volkes herausstellt, so spricht der Erfolg wenigstens zu Gunsten des
östreichischen Gesandten.

Dabei bleibt es immerhin möglich, daß auch Herr v. Kübeck die nächtliche
Abreise des Kurfürsten mit seinen drei Ministern?erst als vollendete Thatsache
erfuhr, da sie mindestens ebenso stark wie durch die allgemeinen politischen
Juteutwnen Hassenpflng'ö in Bezug auf das Kurfürstenthum, durch sein rein per¬
sönliches Juteresse motivirt war, weshalb er von jeder andern Seite her, die
zur Berathung hätte hinzugezogen werden können, Widerspruch erwarten konnte.

Hassenpflng, der jetzige Hassenpflug, ist ganz offenbar von einem großen
Theile der Presse weit überschätzt worden. Seine Lebensgeschichte aus den letzten
Jahren ist hinlänglich bekannt geworden. Sie zeigt ohne Widerrede, ganz ab¬
gesehen von den politischen Principien dieses Mannes, Schmutz genng, um ihn
aus der Liste der ehrenwerthen und selbst der sogenannten "noblen" Charactere zu
streichen. Daneben haben sich auch andere bedenkliche Schwächen bei ihm ein¬
genistet. Er soll gar Manches, was für Freund und Feind unbegreiflich blieb,
uach einem Glase Wein zu viel beschlossen und ausgeführt haben. Die schriftlichen
Documente, mit denen er die Welt in Erstaunen versetzt hat, sind auch, wenn
man von seinem Standpunkt aus urtheilt und seiner Lage Rechnung trägt, uuter
aller Kritik schlecht. Alls einer Stufe damit steht sein persönlicher Muth, wie
groß anch die befehlshaberische Grobheit bei ihm ist, mit der er voll den ihm
untergeordneten Beamten unbedingte Folgeleistuug für seine Befehle verlangt.
Wer diesen Mann auch nur in dem Allgellblick gesehen hat, wo er in der Stände-
kammer, gegen die er später ans der gesicherten Schußweite seine großmällligen
Phrasen in die Welt schickte, mit zitternden Händen und bebender Stimme
sein schlecht gedrechseltes Programm vorlas, der wird ihn nie wieder für einen
Helden der Reaction halte". Wie hat er sich nach der Stimmung der Be-


an, er kam aus weiter Fern' — Und war darauf an Kübeck'ö Arm zu sehen —
Und schrieb darauf an seinen Herrn." So sagt ein Kasseler Volksblatt unter
dem Titel: „Kilt Poet — kommt doch zu spät." Ja es war ein sonderbarer Anblick
für die Bewohner Kassels, welche ohne Ausnahme die östreichischen Parolen
instinctmäßig herausfühlten, als sie am Tage nach der Flucht des Kurfürsten
Kübeck und Thiele Arm in Arm ans der belebten Straße ans und abwandeln
sahen, wo hinter den lebhaft freundschaftlichen Gesticulationen des Oestreichers
der Schalk so offenen Antlitzes hervorblickte. Die Demonstration der ^ntento
col'amo schien andeuten zu sollen, daß der preußische und der östreichische Ge¬
sandte in der Beurtheilung der Flucht, d.h. in der kopfschütteluden Mißbilligung
derselben oder in eiuer entgegengesetzten i,u-i-lor6-in;n8vo einig seien. War dies
nicht der Fall, so mußte in jeuer Stunde der Eine von dem Andern als tlups
gehänselt werdeu. Wenn uicht Alles, was später als Streit und Hader zwischeu
Oestreich und Preußen aufgetreten ist, sich als eitel Trug und Täuschung des
deutschen Volkes herausstellt, so spricht der Erfolg wenigstens zu Gunsten des
östreichischen Gesandten.

Dabei bleibt es immerhin möglich, daß auch Herr v. Kübeck die nächtliche
Abreise des Kurfürsten mit seinen drei Ministern?erst als vollendete Thatsache
erfuhr, da sie mindestens ebenso stark wie durch die allgemeinen politischen
Juteutwnen Hassenpflng'ö in Bezug auf das Kurfürstenthum, durch sein rein per¬
sönliches Juteresse motivirt war, weshalb er von jeder andern Seite her, die
zur Berathung hätte hinzugezogen werden können, Widerspruch erwarten konnte.

Hassenpflng, der jetzige Hassenpflug, ist ganz offenbar von einem großen
Theile der Presse weit überschätzt worden. Seine Lebensgeschichte aus den letzten
Jahren ist hinlänglich bekannt geworden. Sie zeigt ohne Widerrede, ganz ab¬
gesehen von den politischen Principien dieses Mannes, Schmutz genng, um ihn
aus der Liste der ehrenwerthen und selbst der sogenannten „noblen" Charactere zu
streichen. Daneben haben sich auch andere bedenkliche Schwächen bei ihm ein¬
genistet. Er soll gar Manches, was für Freund und Feind unbegreiflich blieb,
uach einem Glase Wein zu viel beschlossen und ausgeführt haben. Die schriftlichen
Documente, mit denen er die Welt in Erstaunen versetzt hat, sind auch, wenn
man von seinem Standpunkt aus urtheilt und seiner Lage Rechnung trägt, uuter
aller Kritik schlecht. Alls einer Stufe damit steht sein persönlicher Muth, wie
groß anch die befehlshaberische Grobheit bei ihm ist, mit der er voll den ihm
untergeordneten Beamten unbedingte Folgeleistuug für seine Befehle verlangt.
Wer diesen Mann auch nur in dem Allgellblick gesehen hat, wo er in der Stände-
kammer, gegen die er später ans der gesicherten Schußweite seine großmällligen
Phrasen in die Welt schickte, mit zitternden Händen und bebender Stimme
sein schlecht gedrechseltes Programm vorlas, der wird ihn nie wieder für einen
Helden der Reaction halte». Wie hat er sich nach der Stimmung der Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/235>, abgerufen am 26.07.2024.