Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.und war als Jäger im trefflichen 1. Jägercorps mitgezogen. In dem siegreichen Jetzt freilich wird der Krieg anders geführt als früher, und wenn wir anch 86*
und war als Jäger im trefflichen 1. Jägercorps mitgezogen. In dem siegreichen Jetzt freilich wird der Krieg anders geführt als früher, und wenn wir anch 86*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92460"/> <p xml:id="ID_554" prev="#ID_553"> und war als Jäger im trefflichen 1. Jägercorps mitgezogen. In dem siegreichen<lb/> Treffen bei Kolding hatte er eine bedeutende Wunde davon getragen, war aber<lb/> in diesem Jahre wieder eingetreten, neben ihm stand im Gliede sein Sohn.<lb/> Gibt es doch bei uns Familien, wo drei, vier, selbst fünf Brüder im Heere<lb/> dienen, hat doch schon manches Elternpaar zwei bis drei Söhne in dem heiligen<lb/> Kampfe verloren. Viel des edelsten Blutes ist hier vergossen.</p><lb/> <p xml:id="ID_555" next="#ID_556"> Jetzt freilich wird der Krieg anders geführt als früher, und wenn wir anch<lb/> nur. 28,000 Mann hier haben, während Wrangel 1848 über 6-4,000 Mann,<lb/> Prittwitz im Jahr Z849 aber gar über 83,000 Mann zu verfügen hatten, so<lb/> haben wir den Dänen doch schon viel mehr Leute getödtet. Aber mit welchem<lb/> Feuer und mit welch furchtbarer Erbitterung kämpfen anch jetzt oft unsere Sol¬<lb/> daten. Bei Missunde marschirte eine Compagnie des 1. Bataillons mit lautem<lb/> Gesang des Liedes „Schleswig-Holstein meerumschlnngen " in das feindliche<lb/> Kanonenfeuer, und wenn auch von allen Seiten die Kngeln verheerend in ihre<lb/> Reihen schlugen, so hat der Chor doch nicht eher gestockt, bis die Soldaten so<lb/> nahe gekommen waren, daß sie sich mit einigem Erfolg ihrer Gewehre gegen die<lb/> Geschütze bedienen konnten. So hat man bei Missunde manche Verwundeten nur<lb/> mit Mühe aus der Gefechtslinie zu deu Verbandplätzen zurückführen können, da sie<lb/> trotz ihrer Wunden den Kampf noch fortsetzen wollten. Ein Jäger vom 2. Jäger¬<lb/> corps, der schwer am Bein verwundet war, hat, noch auf dem Boden liegend,<lb/> seine Büchse geladen und zweimal mit gutem Erfolg gegen den Feind abgeschossen.<lb/> Als er endlich auf einer Tragbahre zurückgebracht wurde und bei seinem Bataillon<lb/> vorbeikam, richtete er sich mit letzter Kraft uoch auf und rief: „Hoch die 2ten Jäger,<lb/> haltet Euch brav, sobald ich kann, bin ich wieder bei Euch." Am andern Tage<lb/> war der Brave verschieden. Ein Musketier von der 3. Compagnie des 11. Ba¬<lb/> taillons ward bei Friedrichsstadt so verwundet, daß er nnr durch 2 Kameraden<lb/> ans dem Feuer getragen werden konnte. Diese vermochten aber mit ihrer Bürde<lb/> eine schon halbverbrannte Brücke nicht mehr zu passiren und waren gezwungen, ihn<lb/> zurückgelassen, um sich selbst zu retten, da raffte der Verwundete seine letzten<lb/> Kräfte zusammen, warf Gewehr und Patrontasche in den Trenteflnß, stürzte sich<lb/> dann mit den Worten: „die verfluchten Dänen sollen mich nicht lebendig haben"<lb/> in die Wellen und ertrank. Ein anderer Schwerverwundeter, der nicht mehr mit<lb/> fortgebracht werden konnte, hat sich selbst erschossen, um uicht in feindliche Gefangen¬<lb/> schaft zu gerathen. Auch ein verwundeter Schleswig-holsteinischer Officier hat sich<lb/> in Friednchsstadt in die Flamme eines brennenden Hauses gestürzt, um so lieber<lb/> den Tod wie die feindliche Gefangenschaft zu erdulden. Ebenso ehrenwerth wie,<lb/> unsere Armee benimmt sich das ganze Land. „So lange der dänische König den<lb/> Krieg aushält, halten wir ihn anch aus und haben dann noch einen Thaler Geld<lb/> mehr als er übrig," sagte mir in seiner plattdeutschen Mundart ein wohlhabender<lb/> Bauer in Norderdithmarschen, als ich mit ihm über die Lasten des Krieges sprach.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 86*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0171]
und war als Jäger im trefflichen 1. Jägercorps mitgezogen. In dem siegreichen
Treffen bei Kolding hatte er eine bedeutende Wunde davon getragen, war aber
in diesem Jahre wieder eingetreten, neben ihm stand im Gliede sein Sohn.
Gibt es doch bei uns Familien, wo drei, vier, selbst fünf Brüder im Heere
dienen, hat doch schon manches Elternpaar zwei bis drei Söhne in dem heiligen
Kampfe verloren. Viel des edelsten Blutes ist hier vergossen.
Jetzt freilich wird der Krieg anders geführt als früher, und wenn wir anch
nur. 28,000 Mann hier haben, während Wrangel 1848 über 6-4,000 Mann,
Prittwitz im Jahr Z849 aber gar über 83,000 Mann zu verfügen hatten, so
haben wir den Dänen doch schon viel mehr Leute getödtet. Aber mit welchem
Feuer und mit welch furchtbarer Erbitterung kämpfen anch jetzt oft unsere Sol¬
daten. Bei Missunde marschirte eine Compagnie des 1. Bataillons mit lautem
Gesang des Liedes „Schleswig-Holstein meerumschlnngen " in das feindliche
Kanonenfeuer, und wenn auch von allen Seiten die Kngeln verheerend in ihre
Reihen schlugen, so hat der Chor doch nicht eher gestockt, bis die Soldaten so
nahe gekommen waren, daß sie sich mit einigem Erfolg ihrer Gewehre gegen die
Geschütze bedienen konnten. So hat man bei Missunde manche Verwundeten nur
mit Mühe aus der Gefechtslinie zu deu Verbandplätzen zurückführen können, da sie
trotz ihrer Wunden den Kampf noch fortsetzen wollten. Ein Jäger vom 2. Jäger¬
corps, der schwer am Bein verwundet war, hat, noch auf dem Boden liegend,
seine Büchse geladen und zweimal mit gutem Erfolg gegen den Feind abgeschossen.
Als er endlich auf einer Tragbahre zurückgebracht wurde und bei seinem Bataillon
vorbeikam, richtete er sich mit letzter Kraft uoch auf und rief: „Hoch die 2ten Jäger,
haltet Euch brav, sobald ich kann, bin ich wieder bei Euch." Am andern Tage
war der Brave verschieden. Ein Musketier von der 3. Compagnie des 11. Ba¬
taillons ward bei Friedrichsstadt so verwundet, daß er nnr durch 2 Kameraden
ans dem Feuer getragen werden konnte. Diese vermochten aber mit ihrer Bürde
eine schon halbverbrannte Brücke nicht mehr zu passiren und waren gezwungen, ihn
zurückgelassen, um sich selbst zu retten, da raffte der Verwundete seine letzten
Kräfte zusammen, warf Gewehr und Patrontasche in den Trenteflnß, stürzte sich
dann mit den Worten: „die verfluchten Dänen sollen mich nicht lebendig haben"
in die Wellen und ertrank. Ein anderer Schwerverwundeter, der nicht mehr mit
fortgebracht werden konnte, hat sich selbst erschossen, um uicht in feindliche Gefangen¬
schaft zu gerathen. Auch ein verwundeter Schleswig-holsteinischer Officier hat sich
in Friednchsstadt in die Flamme eines brennenden Hauses gestürzt, um so lieber
den Tod wie die feindliche Gefangenschaft zu erdulden. Ebenso ehrenwerth wie,
unsere Armee benimmt sich das ganze Land. „So lange der dänische König den
Krieg aushält, halten wir ihn anch aus und haben dann noch einen Thaler Geld
mehr als er übrig," sagte mir in seiner plattdeutschen Mundart ein wohlhabender
Bauer in Norderdithmarschen, als ich mit ihm über die Lasten des Krieges sprach.
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