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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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exclusiv daco-romanischen Provinz zu gestalten und sich auch für ihre frühere poli¬
tische BedentnngölosiMt schadlos zu halten; ob hiermit nicht auch ein anderer,
mit ihrer griechisch-orientalischen Religion und ihrer halb slavischen Abstammung
in Verbindung stehender Plan zusammenhängt, wie einzelne Erscheinungen be¬
fürchten lassen, mag für jetzt noch unentschieden bleiben. Genug, daß es anßer
Zweifel ist, es werde ihnen gelingen, die absolute Majorität ans dem Landtage
zu erlangen, da sie 1,500,000, Magyaren und Sachsen zusammen aber nur
900,000-1,000,000 Seelen zählen.

Der Magyare dagegen kauu sich schwer an deu Gedanken gewöhnen, eine
Versammlung aufgelöst zu sehen, wo, nach der bisherigen, die Walachen ganz
ausschließenden Verfassung seine 3- --^00 Deputirten leicht den Sieg über die
22 sächsischen Abgeordneten davontragen, und also dem Lande, wo er die Minorität
bildete, dennoch Gesetze geben konnte. Dabei vermißt er aber, oder vielmehr sein
allzu hohes Selbstgefühl läßt ihn nicht darauf Rücksicht nehmen, daß nnn die Nullen,
welche ehemals die adligen Herrn seines Volks zu großen Zahlen machten, anch
zur selbstständigen' Bedeutung gelangt sind, daß in Zukunft aus eiuen Magyaren,
welcher wahlfähig ist, 3 gleich berechtigte Wallachen kommen.

Daß diese Grüude für die Sachsen nicht entscheidend sein können, daß gerade
dieses Streben nach der Hegemonie von Seite der andern Nationen ihnen den
gemeinsamen Landtag verhaßt werden läßt, ist wohl natürlich. Sie sehen darin,
daß sie sich vor dem ihre nationale Existenz, ihre Cultur gefährdenden Einfluß
eiues rohen übermächtigen Nachbars sicherzustellen suchen, nur die Erfüllung einer
Selbstpflicht, die Erfüllung eiuer Pflicht gegen Oestreich, das deutsche Volk und
die Civilisation des Westens, deren Träger an der Ostgrenze Enropa's sie sich
wohl ohne Anmaßung nennen dürfen; sie sehen darin durchaus teilte Beeinträch¬
tigung eines fremden Rechtes.

Noch bleib: aber ein Grund übrig, der wohl am ersten die sächsische Nation
bestimmen dürfte, für die Bildung eiues siebenbürgischen Centrallandtages zu po-
liren. Dieser Grund ist darin zu suchen, daß ein solcher Landtag weit mehr, als
einzelne Kreistage, geeignet ist, dem Stabilitätssystem oder ^Konstitutionellen
Handlungen der Regierung eine kräftige Opposition entgegenzusetzen. Wir er¬
kennen die Nichtigkeit dieser Behauptung in adstraew an, müssen aber, dieselbe
ans unsere eigenthümlichen Verhältnisse angewandt, sie entschieden für falsch er¬
klären. Wir fragen, ob sich wohl im wallachischen Volk der Jetztzeit die Elemente
einer gesinnungstüchtigen Opposition vorfinden, oder ob Hoffnung vorhanden,
daß sich dieselben im Lauf der nächsten Jahrzehnte entwickeln würden? Wir
fragen, ob sich ans einem Landtage, der schon in seiner Znsammensetzung den
Keim ewigen Haders zwischen seinen Mitgliedern in sich trägt, wo langwierige
Discussionen über die parlamentarische Sprache und ähnliche Lappalien voraus¬
sichtlich die Zeit rauben werden, wo immer, bald hier, bald da sich eine Partei


exclusiv daco-romanischen Provinz zu gestalten und sich auch für ihre frühere poli¬
tische BedentnngölosiMt schadlos zu halten; ob hiermit nicht auch ein anderer,
mit ihrer griechisch-orientalischen Religion und ihrer halb slavischen Abstammung
in Verbindung stehender Plan zusammenhängt, wie einzelne Erscheinungen be¬
fürchten lassen, mag für jetzt noch unentschieden bleiben. Genug, daß es anßer
Zweifel ist, es werde ihnen gelingen, die absolute Majorität ans dem Landtage
zu erlangen, da sie 1,500,000, Magyaren und Sachsen zusammen aber nur
900,000-1,000,000 Seelen zählen.

Der Magyare dagegen kauu sich schwer an deu Gedanken gewöhnen, eine
Versammlung aufgelöst zu sehen, wo, nach der bisherigen, die Walachen ganz
ausschließenden Verfassung seine 3- —^00 Deputirten leicht den Sieg über die
22 sächsischen Abgeordneten davontragen, und also dem Lande, wo er die Minorität
bildete, dennoch Gesetze geben konnte. Dabei vermißt er aber, oder vielmehr sein
allzu hohes Selbstgefühl läßt ihn nicht darauf Rücksicht nehmen, daß nnn die Nullen,
welche ehemals die adligen Herrn seines Volks zu großen Zahlen machten, anch
zur selbstständigen' Bedeutung gelangt sind, daß in Zukunft aus eiuen Magyaren,
welcher wahlfähig ist, 3 gleich berechtigte Wallachen kommen.

Daß diese Grüude für die Sachsen nicht entscheidend sein können, daß gerade
dieses Streben nach der Hegemonie von Seite der andern Nationen ihnen den
gemeinsamen Landtag verhaßt werden läßt, ist wohl natürlich. Sie sehen darin,
daß sie sich vor dem ihre nationale Existenz, ihre Cultur gefährdenden Einfluß
eiues rohen übermächtigen Nachbars sicherzustellen suchen, nur die Erfüllung einer
Selbstpflicht, die Erfüllung eiuer Pflicht gegen Oestreich, das deutsche Volk und
die Civilisation des Westens, deren Träger an der Ostgrenze Enropa's sie sich
wohl ohne Anmaßung nennen dürfen; sie sehen darin durchaus teilte Beeinträch¬
tigung eines fremden Rechtes.

Noch bleib: aber ein Grund übrig, der wohl am ersten die sächsische Nation
bestimmen dürfte, für die Bildung eiues siebenbürgischen Centrallandtages zu po-
liren. Dieser Grund ist darin zu suchen, daß ein solcher Landtag weit mehr, als
einzelne Kreistage, geeignet ist, dem Stabilitätssystem oder ^Konstitutionellen
Handlungen der Regierung eine kräftige Opposition entgegenzusetzen. Wir er¬
kennen die Nichtigkeit dieser Behauptung in adstraew an, müssen aber, dieselbe
ans unsere eigenthümlichen Verhältnisse angewandt, sie entschieden für falsch er¬
klären. Wir fragen, ob sich wohl im wallachischen Volk der Jetztzeit die Elemente
einer gesinnungstüchtigen Opposition vorfinden, oder ob Hoffnung vorhanden,
daß sich dieselben im Lauf der nächsten Jahrzehnte entwickeln würden? Wir
fragen, ob sich ans einem Landtage, der schon in seiner Znsammensetzung den
Keim ewigen Haders zwischen seinen Mitgliedern in sich trägt, wo langwierige
Discussionen über die parlamentarische Sprache und ähnliche Lappalien voraus¬
sichtlich die Zeit rauben werden, wo immer, bald hier, bald da sich eine Partei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/152>, abgerufen am 22.07.2024.