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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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wurde, die über den geivvhulich'eil Horizont deutscher Stände, den privatrechtli¬
chen Gesichtskreis, hinausging, so schnitt die Negierung regelmäßig den weitern
Streit durch das Gespenst des deutschen Bundes ab. Preßfreiheit, Steuerbewil-
lignngsrecht, Reduction des Militäretatö wurden nnter der Aegide des Bundes¬
tags den ständischen Berathungen entzogen.

Es konnte nicht fehlen, daß diese blos repressive Wirksamkeit eine gewisse
Mißstimmung gegen das erzeugte, was man den Bundestag nannte. Dieser
Name war aber nur die Firma, hinter welcher sich die Mißstimmung gegen die
beideu Großmächte verbarg, vor Allem gegen Preußen, den bureaukratisch-mili¬
tärischen Staat der überall scheel angesehenen Berliner tteberweiöheit, weil man
Oestreichs exceptionelle Stellung eigentlich immer anerkannt hatte.

Nun zog sich die preußische Regierung den Anforderungen der eignen Stände
gegenüber hinter den Schutz ebeu der Macht zurück, welche die allgemeine Mei¬
nung uur für eine Larve der preußischen Bureaukratie hielt. Als die Majorität
der Ausschüsse sich für das Recht der freien Association aussprach, verwies sie der
Laudtagöcommissär auf das entgegenstehende Recht des deutschen Bundes. Die
Regierung begnügte sich nicht damit, ihre Gründe oder anch ihren souveränen
Willen der Einsicht der Volksvertreter entgegenzusehen, sie zog sich auf ein Gebiet
zurück, das um so unnahbarer war, je unbestimmter es darin aussah. Die Rechts-
form war ans ihrer Seite, und so blieb deu Ständen nichts weiter übrig, als
die Regierung zu bitten, sie möge ihren Einfluß beim deutschen Bund verwenden,
um dieses Gesetz, welches mit dem Interesse und der Ueberzeugung des preußi¬
schem Staats im Widerspruch stehe, aufzuheben.

Man mußte nun fragen: aber wo ist eigentlich dieser deutsche Bund, der
der preußischen Regierung Gesetze vorschreibt? Und es war natürlich, daß die
preußischen Stäude das Verhältniß desselben zu ihrem eigenen Staat näher in
Betracht zogen. Es geschah das durch Camphausen bei Gelegenheit eines neu-
erfundenen Verbrechens im Strafcodex: des Hochverraths gegen den deutschen Bund.

Der frühere, rationalistische Codex hatte sich den Hochverrath nnr in Be¬
ziehung ans die wirkliche Obrigkeit gedacht. Die französischen Invasionskriege
und der Rheinbund hatten die Nothwendigkeit einer nähern Verbindung unter
deu deutscheu Staaten all den Tag gelegt. Alls dieser Nothwendigkeit war der
deutsche Bund hervorgegangen. Er war wesentlich gegen Frankreich gerichtet.
Frankreich aber wurde mit der Idee der Revolution identificirt, die Revolution
mit der constitutionellen Staatsform, und so trafen die Verfolgungen des Bundes
im Anfang selbst die Deutschthümler, die im Franzosenhaß vollständig mit den
Regierungen sympathisirten, nnr weil sie von einer deutschen Volksvertretung
träumten.

Außer diesen Nepressivmaßregeln ist von dem dentschen Bunde für die politische
Entwickelung Deutichlands nichts gethan, und konnte seiner Natur uach nichts


wurde, die über den geivvhulich'eil Horizont deutscher Stände, den privatrechtli¬
chen Gesichtskreis, hinausging, so schnitt die Negierung regelmäßig den weitern
Streit durch das Gespenst des deutschen Bundes ab. Preßfreiheit, Steuerbewil-
lignngsrecht, Reduction des Militäretatö wurden nnter der Aegide des Bundes¬
tags den ständischen Berathungen entzogen.

Es konnte nicht fehlen, daß diese blos repressive Wirksamkeit eine gewisse
Mißstimmung gegen das erzeugte, was man den Bundestag nannte. Dieser
Name war aber nur die Firma, hinter welcher sich die Mißstimmung gegen die
beideu Großmächte verbarg, vor Allem gegen Preußen, den bureaukratisch-mili¬
tärischen Staat der überall scheel angesehenen Berliner tteberweiöheit, weil man
Oestreichs exceptionelle Stellung eigentlich immer anerkannt hatte.

Nun zog sich die preußische Regierung den Anforderungen der eignen Stände
gegenüber hinter den Schutz ebeu der Macht zurück, welche die allgemeine Mei¬
nung uur für eine Larve der preußischen Bureaukratie hielt. Als die Majorität
der Ausschüsse sich für das Recht der freien Association aussprach, verwies sie der
Laudtagöcommissär auf das entgegenstehende Recht des deutschen Bundes. Die
Regierung begnügte sich nicht damit, ihre Gründe oder anch ihren souveränen
Willen der Einsicht der Volksvertreter entgegenzusehen, sie zog sich auf ein Gebiet
zurück, das um so unnahbarer war, je unbestimmter es darin aussah. Die Rechts-
form war ans ihrer Seite, und so blieb deu Ständen nichts weiter übrig, als
die Regierung zu bitten, sie möge ihren Einfluß beim deutschen Bund verwenden,
um dieses Gesetz, welches mit dem Interesse und der Ueberzeugung des preußi¬
schem Staats im Widerspruch stehe, aufzuheben.

Man mußte nun fragen: aber wo ist eigentlich dieser deutsche Bund, der
der preußischen Regierung Gesetze vorschreibt? Und es war natürlich, daß die
preußischen Stäude das Verhältniß desselben zu ihrem eigenen Staat näher in
Betracht zogen. Es geschah das durch Camphausen bei Gelegenheit eines neu-
erfundenen Verbrechens im Strafcodex: des Hochverraths gegen den deutschen Bund.

Der frühere, rationalistische Codex hatte sich den Hochverrath nnr in Be¬
ziehung ans die wirkliche Obrigkeit gedacht. Die französischen Invasionskriege
und der Rheinbund hatten die Nothwendigkeit einer nähern Verbindung unter
deu deutscheu Staaten all den Tag gelegt. Alls dieser Nothwendigkeit war der
deutsche Bund hervorgegangen. Er war wesentlich gegen Frankreich gerichtet.
Frankreich aber wurde mit der Idee der Revolution identificirt, die Revolution
mit der constitutionellen Staatsform, und so trafen die Verfolgungen des Bundes
im Anfang selbst die Deutschthümler, die im Franzosenhaß vollständig mit den
Regierungen sympathisirten, nnr weil sie von einer deutschen Volksvertretung
träumten.

Außer diesen Nepressivmaßregeln ist von dem dentschen Bunde für die politische
Entwickelung Deutichlands nichts gethan, und konnte seiner Natur uach nichts


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/108>, abgerufen am 25.08.2024.