Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.In unserm Zwitterzustande haben wir noch das Glück, anstatt eines Censors Aber nicht nur a lo8l,"riori, sondern auch " priori wird bei uns die Dressur der Die Musik ist auch ein intcgrircnder Theil des Preßgebiets. Sie werden es also Daß in Wien wieder zwei Volksblätter, die "Nationalzcitschrift" und die "Schnell¬ Doimnbote. **) Wie wir vernehmen, wurde' Herr N. Zgn"ez und sein Blatt gestern vom Militärkom¬
mando freigegeben. In unserm Zwitterzustande haben wir noch das Glück, anstatt eines Censors Aber nicht nur a lo8l,«riori, sondern auch » priori wird bei uns die Dressur der Die Musik ist auch ein intcgrircnder Theil des Preßgebiets. Sie werden es also Daß in Wien wieder zwei Volksblätter, die „Nationalzcitschrift" und die „Schnell¬ Doimnbote. **) Wie wir vernehmen, wurde' Herr N. Zgn»ez und sein Blatt gestern vom Militärkom¬
mando freigegeben. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86102"/> <p xml:id="ID_1789"> In unserm Zwitterzustande haben wir noch das Glück, anstatt eines Censors<lb/> deren zwei zu haben. Die Soldateska hackt mit dem Säbel der Feder die Spitze ab,<lb/> und die Polizei schlägt mit dem Stock die Journalisten auf die Finger. So wurde<lb/> vor einigen Tagen Nagy Jgn-icz wegen eines in seinem „Ilölg^lui,-,!'" *) aufgenomme¬<lb/> nen Gedichtes zu drei Monaten Arrest verurtheilt, und bald darauf dem Herausgeber<lb/> des Blattes angedeutet, daß dieses während der Strafzeit des Redacteurs nicht erschei¬<lb/> nen dürfe. Sic sehen also, daß unter dem Sturmhutc doch bessere Köpfe sitzen, als<lb/> unter der Pickelhaube. In Berlin sperrt man die Redacteure ein, aber das Grund¬<lb/> übel, die Redaction, bleibt, man verbietet den Postdcbit, aber es bleiben ja noch Eil¬<lb/> wagen und Eisenbahnen, die das Gift im Lande ausstreuen helfen; man sperrt also<lb/> bei uns die Redaction ein und das Spiel hat ein Ende, und man hat dabei noch das<lb/> Recht des Redacteurs gewahrt, daß ihm während seiner Abwesenheit kein Anderer in's<lb/> Handwerk pfusche.*") Andererseits wurde Herr Lvvai, ein Mitarbeiter des l'osU n-iplü,<lb/> von der Polizei zu drei Tagen Arrest verurtheilt, weil er im obigen Blatte erzählte,<lb/> daß in einer gewissen Stadt ein gewisser städtischer Beamter in einer gewissen Angele¬<lb/> genheit es nicht so gemacht habe, wie man es billig erwarten durste u. s. w.; nun<lb/> traf es sich, daß Pesth auch eine gewisse Stadt ist, und daß in Pesch auch gewisse<lb/> Beamte sind, und daß unter diesen gewissen Beamten einer vielleicht auch etwas nicht<lb/> so gemacht hat, wie man es billig erwarten durfte; also eine unverkennbare Anspie¬<lb/> lung auf die Negierung, ein Attentat auf die gesetzlichen Gewalten des Staats, eine<lb/> verkappte persönliche Beschimpfung beamteter Personen: in die Kuh mit dem<lb/> Scribler! —</p><lb/> <p xml:id="ID_1790"> Aber nicht nur a lo8l,«riori, sondern auch » priori wird bei uns die Dressur der<lb/> Presse gehandhabt. So wurden unlängst alle Redactcure in den zwei Schwesterstädten<lb/> ans die Stadthauptmannschaft beschicken, und ihnen dort eingeschärft, durchaus keine die<lb/> Person des Herrn Statthalters, Baron Gchringer, betreffende Notizen aufzunehmen.<lb/> Undankbare Ungarn! Durch die Märzgcsctze ward ihnen zwar ein eigener, ,aber nur in<lb/> der Person des Erzherzogs Stefans unverletzlicher Statthalter zugesagt; jetzt sitzt in<lb/> der Hauptstadt Ungarns ein <-c> ip«o unantastbarer Souverän, und dennoch hören sie<lb/> nicht auf zu schmollen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1791"> Die Musik ist auch ein intcgrircnder Theil des Preßgebiets. Sie werden es also<lb/> natürlich finden, daß unsere Lcierbuben diese Tage sänuntlich auf's Stadthaus transpor-<lb/> tirt, und ihren hölzernen Eutcrpcn die revolutionäre Attribute abgenommen wurden.<lb/> Die nieder des RMczi-, Kossuth- und Klapkamarsches wurden aus den Walzen her¬<lb/> ausgezogen. Mehrere der wandernden Tonkünstler nahmen Repressalien, und zogen da¬<lb/> heim die nieder der östreichischen Volkshymne aus den gestrichenen Leierkaste».<lb/> „Und sollten's olu andern Stück' verbieten," sagte einer bei dieser Operation, „du<lb/> kummst in'r g'wiß nimmer eini!" —</p><lb/> <p xml:id="ID_1792" next="#ID_1793"> Daß in Wien wieder zwei Volksblätter, die „Nationalzcitschrift" und die „Schnell¬<lb/> post", das Zeitliche gesegnet haben, werden Sie bereits vernommen habe». Diese zahmen<lb/> Kinder des Belagerungszustandes sind an Unverdaulichkeit wegen unmäßigen Genusses</p><lb/> <note xml:id="FID_61" place="foot"> Doimnbote.</note><lb/> <note xml:id="FID_62" place="foot"> **) Wie wir vernehmen, wurde' Herr N. Zgn»ez und sein Blatt gestern vom Militärkom¬<lb/> mando freigegeben.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
In unserm Zwitterzustande haben wir noch das Glück, anstatt eines Censors
deren zwei zu haben. Die Soldateska hackt mit dem Säbel der Feder die Spitze ab,
und die Polizei schlägt mit dem Stock die Journalisten auf die Finger. So wurde
vor einigen Tagen Nagy Jgn-icz wegen eines in seinem „Ilölg^lui,-,!'" *) aufgenomme¬
nen Gedichtes zu drei Monaten Arrest verurtheilt, und bald darauf dem Herausgeber
des Blattes angedeutet, daß dieses während der Strafzeit des Redacteurs nicht erschei¬
nen dürfe. Sic sehen also, daß unter dem Sturmhutc doch bessere Köpfe sitzen, als
unter der Pickelhaube. In Berlin sperrt man die Redacteure ein, aber das Grund¬
übel, die Redaction, bleibt, man verbietet den Postdcbit, aber es bleiben ja noch Eil¬
wagen und Eisenbahnen, die das Gift im Lande ausstreuen helfen; man sperrt also
bei uns die Redaction ein und das Spiel hat ein Ende, und man hat dabei noch das
Recht des Redacteurs gewahrt, daß ihm während seiner Abwesenheit kein Anderer in's
Handwerk pfusche.*") Andererseits wurde Herr Lvvai, ein Mitarbeiter des l'osU n-iplü,
von der Polizei zu drei Tagen Arrest verurtheilt, weil er im obigen Blatte erzählte,
daß in einer gewissen Stadt ein gewisser städtischer Beamter in einer gewissen Angele¬
genheit es nicht so gemacht habe, wie man es billig erwarten durste u. s. w.; nun
traf es sich, daß Pesth auch eine gewisse Stadt ist, und daß in Pesch auch gewisse
Beamte sind, und daß unter diesen gewissen Beamten einer vielleicht auch etwas nicht
so gemacht hat, wie man es billig erwarten durfte; also eine unverkennbare Anspie¬
lung auf die Negierung, ein Attentat auf die gesetzlichen Gewalten des Staats, eine
verkappte persönliche Beschimpfung beamteter Personen: in die Kuh mit dem
Scribler! —
Aber nicht nur a lo8l,«riori, sondern auch » priori wird bei uns die Dressur der
Presse gehandhabt. So wurden unlängst alle Redactcure in den zwei Schwesterstädten
ans die Stadthauptmannschaft beschicken, und ihnen dort eingeschärft, durchaus keine die
Person des Herrn Statthalters, Baron Gchringer, betreffende Notizen aufzunehmen.
Undankbare Ungarn! Durch die Märzgcsctze ward ihnen zwar ein eigener, ,aber nur in
der Person des Erzherzogs Stefans unverletzlicher Statthalter zugesagt; jetzt sitzt in
der Hauptstadt Ungarns ein <-c> ip«o unantastbarer Souverän, und dennoch hören sie
nicht auf zu schmollen!
Die Musik ist auch ein intcgrircnder Theil des Preßgebiets. Sie werden es also
natürlich finden, daß unsere Lcierbuben diese Tage sänuntlich auf's Stadthaus transpor-
tirt, und ihren hölzernen Eutcrpcn die revolutionäre Attribute abgenommen wurden.
Die nieder des RMczi-, Kossuth- und Klapkamarsches wurden aus den Walzen her¬
ausgezogen. Mehrere der wandernden Tonkünstler nahmen Repressalien, und zogen da¬
heim die nieder der östreichischen Volkshymne aus den gestrichenen Leierkaste».
„Und sollten's olu andern Stück' verbieten," sagte einer bei dieser Operation, „du
kummst in'r g'wiß nimmer eini!" —
Daß in Wien wieder zwei Volksblätter, die „Nationalzcitschrift" und die „Schnell¬
post", das Zeitliche gesegnet haben, werden Sie bereits vernommen habe». Diese zahmen
Kinder des Belagerungszustandes sind an Unverdaulichkeit wegen unmäßigen Genusses
Doimnbote.
**) Wie wir vernehmen, wurde' Herr N. Zgn»ez und sein Blatt gestern vom Militärkom¬
mando freigegeben.
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