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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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zu gehören scheint, denn über dem zwischen Garten und Wald fließenden Bach
ist eben hier eine schmale, aber nette Garteubrückc gezogen. Der Anfang des
Waldes hat auch etwas regelmäßig - Gartenartigcs in seinem Wachsthum, und
wir finden, wo sich die Bäume um ein grünes Plätzchen dichter schaaren, einige
ans abgesagter Baumstämmen geschnitzte oder aus Zweigen geflochtene Bänke und
Tischchen, die auf eine sorgfältigere Pflege des Ganzen hindeuten.

Doch jetzt waltet blutiger Krieg im Lande. Der Eigenthümer des Bodens
tummelt vielleicht selbst das Roß in der heißen Schlacht; sein Sohn kämpft viel¬
leicht an seiner Seite. Die besorgte Gattin und Mutter sitzt schweigend in ihrem
Gemach, Charpie zupfend oder Wäsche nähert für die Krieger deö Vaterlandes und
sieht nach der Straße am Hügel hin, auf welcher die Heißersehnten heranziehen sollen;
die Tochter und Schwester singt patriotische Lieder und seufzt tief auf, wenn ihre
Gedanken in die kriegerische Ferne schweifen. Auch heute herrschte Stille in den
weiten Räumen. Von Männern waren nur einige alte Diener und ein lahmer
Gäusejuuge im Hause geblieben; was gesund an Gliedern und reif an Jahren,
war in den Kampf für die heilige Sache des Rechts gezogen. Aber nicht so in
dem Wäldchen hinter dein Hause. Hier lagen seit einigen Tagen eine halbe Es-
cadron Hußaren und eine Compagnie Infanterie verborgen, um die Bewegungen
des Feindes zu beobachten. Oft kam ein junger Bauernbursche mit der Hacke
in den Wald, um Reiser zu fällen, die in diesem Lustforst nur in sehr geringer
Anzahl zu finden sind, oder eine junge Dirne, um Beere zu pflücken, die in
dieser Jahreszeit noch nicht zu reifen Pflegen, und diesen wußten die gesprächigen
Hußaren immer so viel zu erzählen, daß sie am Ende von ihnen Alles er¬
fuhren, was sie über die Stellung des Feindes wissen wollten; und nach einer
solchen Unterhaltung bekam immer einer der Hußaren Heimweh nach dem Haupt¬
quartier und ritt in gestrecktem Galopp nach der Gegend von Kala zu.

Auch am obigen Tage sehen wir hier die Hußaren um ein kleines Feuer ge¬
lagert; vor ihnen stehen die gefüllten Kulacöe (Holzflaschen); sie trinken lautlos,
was beim Hußaren äußerst selten vorkommt, und schimpfen selbst dann nicht,
wenn ein Bakancsos (Infanterist) wagt, ohne Erlaubnis; den Kulans in die Hand
zu nehmen, was der Husar nie zu thun pflegt. -- Sie sind hier im Dienste; es
ist ihnen verboten, das mindeste Geräusch zu macheu, und sie dürfe" trinken und
fanlenzen so viel als ihnen beliebt, nur uicht laut spreche", fingen oder gar fluchen.

Doch in der Ferne sehen wir eine schmucke Marketenderin herannahen, die
vielleicht unsere Krieger aus ihrer commaudirten Melancholie Heransschwatzen wird?
Fehl geschossen! Die ungarische Marketenderin keunt den Hußaren durch alle Fa¬
sern und kennt auch die Disciplin. Sie weiß es sehr wohl, daß ihr der Husar
brüderlich zugethan ist, daß er sie, wenn ihr Gefangenschaft droht, oder wenn's
über einen Fluß gehen soll, hinter sich auf sein Roß nimmt, und mit ihr durch
feindliche schwerster und tobende Wellen zieht, ohne beim Absteigen einen Kuß


zu gehören scheint, denn über dem zwischen Garten und Wald fließenden Bach
ist eben hier eine schmale, aber nette Garteubrückc gezogen. Der Anfang des
Waldes hat auch etwas regelmäßig - Gartenartigcs in seinem Wachsthum, und
wir finden, wo sich die Bäume um ein grünes Plätzchen dichter schaaren, einige
ans abgesagter Baumstämmen geschnitzte oder aus Zweigen geflochtene Bänke und
Tischchen, die auf eine sorgfältigere Pflege des Ganzen hindeuten.

Doch jetzt waltet blutiger Krieg im Lande. Der Eigenthümer des Bodens
tummelt vielleicht selbst das Roß in der heißen Schlacht; sein Sohn kämpft viel¬
leicht an seiner Seite. Die besorgte Gattin und Mutter sitzt schweigend in ihrem
Gemach, Charpie zupfend oder Wäsche nähert für die Krieger deö Vaterlandes und
sieht nach der Straße am Hügel hin, auf welcher die Heißersehnten heranziehen sollen;
die Tochter und Schwester singt patriotische Lieder und seufzt tief auf, wenn ihre
Gedanken in die kriegerische Ferne schweifen. Auch heute herrschte Stille in den
weiten Räumen. Von Männern waren nur einige alte Diener und ein lahmer
Gäusejuuge im Hause geblieben; was gesund an Gliedern und reif an Jahren,
war in den Kampf für die heilige Sache des Rechts gezogen. Aber nicht so in
dem Wäldchen hinter dein Hause. Hier lagen seit einigen Tagen eine halbe Es-
cadron Hußaren und eine Compagnie Infanterie verborgen, um die Bewegungen
des Feindes zu beobachten. Oft kam ein junger Bauernbursche mit der Hacke
in den Wald, um Reiser zu fällen, die in diesem Lustforst nur in sehr geringer
Anzahl zu finden sind, oder eine junge Dirne, um Beere zu pflücken, die in
dieser Jahreszeit noch nicht zu reifen Pflegen, und diesen wußten die gesprächigen
Hußaren immer so viel zu erzählen, daß sie am Ende von ihnen Alles er¬
fuhren, was sie über die Stellung des Feindes wissen wollten; und nach einer
solchen Unterhaltung bekam immer einer der Hußaren Heimweh nach dem Haupt¬
quartier und ritt in gestrecktem Galopp nach der Gegend von Kala zu.

Auch am obigen Tage sehen wir hier die Hußaren um ein kleines Feuer ge¬
lagert; vor ihnen stehen die gefüllten Kulacöe (Holzflaschen); sie trinken lautlos,
was beim Hußaren äußerst selten vorkommt, und schimpfen selbst dann nicht,
wenn ein Bakancsos (Infanterist) wagt, ohne Erlaubnis; den Kulans in die Hand
zu nehmen, was der Husar nie zu thun pflegt. — Sie sind hier im Dienste; es
ist ihnen verboten, das mindeste Geräusch zu macheu, und sie dürfe» trinken und
fanlenzen so viel als ihnen beliebt, nur uicht laut spreche», fingen oder gar fluchen.

Doch in der Ferne sehen wir eine schmucke Marketenderin herannahen, die
vielleicht unsere Krieger aus ihrer commaudirten Melancholie Heransschwatzen wird?
Fehl geschossen! Die ungarische Marketenderin keunt den Hußaren durch alle Fa¬
sern und kennt auch die Disciplin. Sie weiß es sehr wohl, daß ihr der Husar
brüderlich zugethan ist, daß er sie, wenn ihr Gefangenschaft droht, oder wenn's
über einen Fluß gehen soll, hinter sich auf sein Roß nimmt, und mit ihr durch
feindliche schwerster und tobende Wellen zieht, ohne beim Absteigen einen Kuß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/468>, abgerufen am 01.09.2024.