Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

felle an den Beinen: er hat im Namen seiner Stamme Deutschland die Frie¬
denspfeife vorgerancht und heißt: Kagagagabauh! Diese Versammlung hat sich
vorgesetzt, den Krieg abzuschaffen, und Haynan hat verwundert zugehört.

Die Scene erinnert lebhaft an die philosophische Gesandtschaft, die Nnacharsiö
Clootz, als Repräsentant der, befreiten Menschheit, dem glorreichen Convent
zuführte, um ihm im Namen sämmtlicher Völker der Erde, von den Kamtscha-
dalen bis zu den Hottentotten, den Dank auszusprechen, daß er ans Erden das
Reich Gottes eingeführt.

Zu meinem größten Erstaunen hat sich bei dieser Gelegenheit das deutsche
Volk im höchsten Grade gcmüthloö gezeigt. Man hätte doch denken sollen, die
Ehre, neben Engländern und Franzosen zu sitzen, hätte unsere guten Landsleute
zu Tausenden zusammentreiben sollen. Aber nein! Es sind nicht mehr als einige
30--49 gekommen -- der eigenthümlichen Verhältnisse Deutschlands wegen, wie
der Vorsitzende, Herr Jaup (hoffentlich nicht der ehemalige darmstädtische Mini¬
ster!) entschuldigend hinzusetzte, wie wir aber sagen möchten, weil in der letzten
Revolution dein Deutschen mit den Jahren denn doch auch der Verstand gekom¬
men ist.

Denn gibt es eine abgeschmacktere Parodie ans alles politische Wesen, als
diese Versammlung, in der ein Heiliger nach dem andern ans das Katheder steigt,
um sein Schul-Exercitium über den Nutzen des Friedens und den Schaden des
Krieges herzuplappern, gerade wie wir es in "Mrta und leren gethan, mit kei¬
nem Hellerwcrth mehr geistiger Reise der politischen Bildung. Es sind zugleich
Uebungen im Englischen und Französischen, denn die Herren von jenseit des Ka¬
nals und von jenseit des Rheins verstehen die Sprache des Volks nicht, das sie
bekehren wollen. Und dazu diese fortwährenden Gebete, diese beständigen Anru¬
fungen des Himmels! Dn sollst den Namen Gottes nicht unnützlich führen, denn
der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht.

Für uns Deutsche hat aber die ganze Farce noch etwas besonders Gehässi¬
ges. Unsern zwar verunglückten, aber sehr ernsthaft gemeinten, schmerzhaften An¬
strengungen im vorigen Jahre gegenüber hat sich die große Mehrzahl des engli¬
schen wie des französischen Volkes -- ich kann nicht anders sagen als gemein be¬
nommen. Was wollen ein paar verständige Leute, wie sie im Oail^ vlsvs schrei¬
ben, gegen die Masse der verstockten, engherzigen Krämer und Aristokraten sagen.
Und nnn kommen diese Männer her, uns friedfertige Gesinnungen einzuflößen.
Gebunden an allen Gliedern, verhöhnt von leichtfertigen Buben, die mit Be¬
quemlichkeit unserer spotten können, weil sie durch ein unverschuldetes Glück in
der Freiheit geboren wurden, sollen wir auch noch Sanftmuth lernen. "Aller¬
dings, lieben Freunde," ermahnt uns ein näselnder Quäker, "man behandelt euch
sehr schlecht, aber so dir Jemand giebt einen Streich ans den einen Backen, so
reiche ihm den andern, spricht der Herr." "Freilich," schmunzelt der Krämer


felle an den Beinen: er hat im Namen seiner Stamme Deutschland die Frie¬
denspfeife vorgerancht und heißt: Kagagagabauh! Diese Versammlung hat sich
vorgesetzt, den Krieg abzuschaffen, und Haynan hat verwundert zugehört.

Die Scene erinnert lebhaft an die philosophische Gesandtschaft, die Nnacharsiö
Clootz, als Repräsentant der, befreiten Menschheit, dem glorreichen Convent
zuführte, um ihm im Namen sämmtlicher Völker der Erde, von den Kamtscha-
dalen bis zu den Hottentotten, den Dank auszusprechen, daß er ans Erden das
Reich Gottes eingeführt.

Zu meinem größten Erstaunen hat sich bei dieser Gelegenheit das deutsche
Volk im höchsten Grade gcmüthloö gezeigt. Man hätte doch denken sollen, die
Ehre, neben Engländern und Franzosen zu sitzen, hätte unsere guten Landsleute
zu Tausenden zusammentreiben sollen. Aber nein! Es sind nicht mehr als einige
30—49 gekommen — der eigenthümlichen Verhältnisse Deutschlands wegen, wie
der Vorsitzende, Herr Jaup (hoffentlich nicht der ehemalige darmstädtische Mini¬
ster!) entschuldigend hinzusetzte, wie wir aber sagen möchten, weil in der letzten
Revolution dein Deutschen mit den Jahren denn doch auch der Verstand gekom¬
men ist.

Denn gibt es eine abgeschmacktere Parodie ans alles politische Wesen, als
diese Versammlung, in der ein Heiliger nach dem andern ans das Katheder steigt,
um sein Schul-Exercitium über den Nutzen des Friedens und den Schaden des
Krieges herzuplappern, gerade wie wir es in «Mrta und leren gethan, mit kei¬
nem Hellerwcrth mehr geistiger Reise der politischen Bildung. Es sind zugleich
Uebungen im Englischen und Französischen, denn die Herren von jenseit des Ka¬
nals und von jenseit des Rheins verstehen die Sprache des Volks nicht, das sie
bekehren wollen. Und dazu diese fortwährenden Gebete, diese beständigen Anru¬
fungen des Himmels! Dn sollst den Namen Gottes nicht unnützlich führen, denn
der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht.

Für uns Deutsche hat aber die ganze Farce noch etwas besonders Gehässi¬
ges. Unsern zwar verunglückten, aber sehr ernsthaft gemeinten, schmerzhaften An¬
strengungen im vorigen Jahre gegenüber hat sich die große Mehrzahl des engli¬
schen wie des französischen Volkes — ich kann nicht anders sagen als gemein be¬
nommen. Was wollen ein paar verständige Leute, wie sie im Oail^ vlsvs schrei¬
ben, gegen die Masse der verstockten, engherzigen Krämer und Aristokraten sagen.
Und nnn kommen diese Männer her, uns friedfertige Gesinnungen einzuflößen.
Gebunden an allen Gliedern, verhöhnt von leichtfertigen Buben, die mit Be¬
quemlichkeit unserer spotten können, weil sie durch ein unverschuldetes Glück in
der Freiheit geboren wurden, sollen wir auch noch Sanftmuth lernen. „Aller¬
dings, lieben Freunde," ermahnt uns ein näselnder Quäker, „man behandelt euch
sehr schlecht, aber so dir Jemand giebt einen Streich ans den einen Backen, so
reiche ihm den andern, spricht der Herr." „Freilich," schmunzelt der Krämer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85957"/>
          <p xml:id="ID_1262" prev="#ID_1261"> felle an den Beinen: er hat im Namen seiner Stamme Deutschland die Frie¬<lb/>
denspfeife vorgerancht und heißt: Kagagagabauh! Diese Versammlung hat sich<lb/>
vorgesetzt, den Krieg abzuschaffen, und Haynan hat verwundert zugehört.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1263"> Die Scene erinnert lebhaft an die philosophische Gesandtschaft, die Nnacharsiö<lb/>
Clootz, als Repräsentant der, befreiten Menschheit, dem glorreichen Convent<lb/>
zuführte, um ihm im Namen sämmtlicher Völker der Erde, von den Kamtscha-<lb/>
dalen bis zu den Hottentotten, den Dank auszusprechen, daß er ans Erden das<lb/>
Reich Gottes eingeführt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1264"> Zu meinem größten Erstaunen hat sich bei dieser Gelegenheit das deutsche<lb/>
Volk im höchsten Grade gcmüthloö gezeigt. Man hätte doch denken sollen, die<lb/>
Ehre, neben Engländern und Franzosen zu sitzen, hätte unsere guten Landsleute<lb/>
zu Tausenden zusammentreiben sollen. Aber nein! Es sind nicht mehr als einige<lb/>
30&#x2014;49 gekommen &#x2014; der eigenthümlichen Verhältnisse Deutschlands wegen, wie<lb/>
der Vorsitzende, Herr Jaup (hoffentlich nicht der ehemalige darmstädtische Mini¬<lb/>
ster!) entschuldigend hinzusetzte, wie wir aber sagen möchten, weil in der letzten<lb/>
Revolution dein Deutschen mit den Jahren denn doch auch der Verstand gekom¬<lb/>
men ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1265"> Denn gibt es eine abgeschmacktere Parodie ans alles politische Wesen, als<lb/>
diese Versammlung, in der ein Heiliger nach dem andern ans das Katheder steigt,<lb/>
um sein Schul-Exercitium über den Nutzen des Friedens und den Schaden des<lb/>
Krieges herzuplappern, gerade wie wir es in «Mrta und leren gethan, mit kei¬<lb/>
nem Hellerwcrth mehr geistiger Reise der politischen Bildung. Es sind zugleich<lb/>
Uebungen im Englischen und Französischen, denn die Herren von jenseit des Ka¬<lb/>
nals und von jenseit des Rheins verstehen die Sprache des Volks nicht, das sie<lb/>
bekehren wollen. Und dazu diese fortwährenden Gebete, diese beständigen Anru¬<lb/>
fungen des Himmels! Dn sollst den Namen Gottes nicht unnützlich führen, denn<lb/>
der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1266" next="#ID_1267"> Für uns Deutsche hat aber die ganze Farce noch etwas besonders Gehässi¬<lb/>
ges. Unsern zwar verunglückten, aber sehr ernsthaft gemeinten, schmerzhaften An¬<lb/>
strengungen im vorigen Jahre gegenüber hat sich die große Mehrzahl des engli¬<lb/>
schen wie des französischen Volkes &#x2014; ich kann nicht anders sagen als gemein be¬<lb/>
nommen. Was wollen ein paar verständige Leute, wie sie im Oail^ vlsvs schrei¬<lb/>
ben, gegen die Masse der verstockten, engherzigen Krämer und Aristokraten sagen.<lb/>
Und nnn kommen diese Männer her, uns friedfertige Gesinnungen einzuflößen.<lb/>
Gebunden an allen Gliedern, verhöhnt von leichtfertigen Buben, die mit Be¬<lb/>
quemlichkeit unserer spotten können, weil sie durch ein unverschuldetes Glück in<lb/>
der Freiheit geboren wurden, sollen wir auch noch Sanftmuth lernen. &#x201E;Aller¬<lb/>
dings, lieben Freunde," ermahnt uns ein näselnder Quäker, &#x201E;man behandelt euch<lb/>
sehr schlecht, aber so dir Jemand giebt einen Streich ans den einen Backen, so<lb/>
reiche ihm den andern, spricht der Herr."  &#x201E;Freilich," schmunzelt der Krämer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0374] felle an den Beinen: er hat im Namen seiner Stamme Deutschland die Frie¬ denspfeife vorgerancht und heißt: Kagagagabauh! Diese Versammlung hat sich vorgesetzt, den Krieg abzuschaffen, und Haynan hat verwundert zugehört. Die Scene erinnert lebhaft an die philosophische Gesandtschaft, die Nnacharsiö Clootz, als Repräsentant der, befreiten Menschheit, dem glorreichen Convent zuführte, um ihm im Namen sämmtlicher Völker der Erde, von den Kamtscha- dalen bis zu den Hottentotten, den Dank auszusprechen, daß er ans Erden das Reich Gottes eingeführt. Zu meinem größten Erstaunen hat sich bei dieser Gelegenheit das deutsche Volk im höchsten Grade gcmüthloö gezeigt. Man hätte doch denken sollen, die Ehre, neben Engländern und Franzosen zu sitzen, hätte unsere guten Landsleute zu Tausenden zusammentreiben sollen. Aber nein! Es sind nicht mehr als einige 30—49 gekommen — der eigenthümlichen Verhältnisse Deutschlands wegen, wie der Vorsitzende, Herr Jaup (hoffentlich nicht der ehemalige darmstädtische Mini¬ ster!) entschuldigend hinzusetzte, wie wir aber sagen möchten, weil in der letzten Revolution dein Deutschen mit den Jahren denn doch auch der Verstand gekom¬ men ist. Denn gibt es eine abgeschmacktere Parodie ans alles politische Wesen, als diese Versammlung, in der ein Heiliger nach dem andern ans das Katheder steigt, um sein Schul-Exercitium über den Nutzen des Friedens und den Schaden des Krieges herzuplappern, gerade wie wir es in «Mrta und leren gethan, mit kei¬ nem Hellerwcrth mehr geistiger Reise der politischen Bildung. Es sind zugleich Uebungen im Englischen und Französischen, denn die Herren von jenseit des Ka¬ nals und von jenseit des Rheins verstehen die Sprache des Volks nicht, das sie bekehren wollen. Und dazu diese fortwährenden Gebete, diese beständigen Anru¬ fungen des Himmels! Dn sollst den Namen Gottes nicht unnützlich führen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht. Für uns Deutsche hat aber die ganze Farce noch etwas besonders Gehässi¬ ges. Unsern zwar verunglückten, aber sehr ernsthaft gemeinten, schmerzhaften An¬ strengungen im vorigen Jahre gegenüber hat sich die große Mehrzahl des engli¬ schen wie des französischen Volkes — ich kann nicht anders sagen als gemein be¬ nommen. Was wollen ein paar verständige Leute, wie sie im Oail^ vlsvs schrei¬ ben, gegen die Masse der verstockten, engherzigen Krämer und Aristokraten sagen. Und nnn kommen diese Männer her, uns friedfertige Gesinnungen einzuflößen. Gebunden an allen Gliedern, verhöhnt von leichtfertigen Buben, die mit Be¬ quemlichkeit unserer spotten können, weil sie durch ein unverschuldetes Glück in der Freiheit geboren wurden, sollen wir auch noch Sanftmuth lernen. „Aller¬ dings, lieben Freunde," ermahnt uns ein näselnder Quäker, „man behandelt euch sehr schlecht, aber so dir Jemand giebt einen Streich ans den einen Backen, so reiche ihm den andern, spricht der Herr." „Freilich," schmunzelt der Krämer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/374
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/374>, abgerufen am 27.07.2024.