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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Es bedurfte für Givrgi keiner weiteren Argumente, denn die Gefahr scheute
er so, daß' das bloße Wort ihn schon in Schrecken verfehle.

Uebrigens schien ihm das Mißlingen des Geschäfts doch wesentlich böse Laune
zu machen; "Amar! Amar! (Ach! Ach!)" rief er ein Mal über das andere, so
daß sich mir unwillkürlich die Vermuthung aufdrängte, er habe sein Vermittlerge¬
schäft nicht ausschließlich in meinem Interesse betrieben.

Es war schon spät am Abend. Ich warf einen leichten Schlafrock über, der
mir in den warmen Sommernächten zugleich als Decke diente, behielt meine
weiten, rothseidenen Beinkleider an und legte mich schlafen, nachdem ich, wie immer
in diesen Gegenden, wo Schloß und Riegel noch zu deu seltensten Luxusartikeln
gehören, Etwas gegen die Thüre gestellt, um durch das Geräusch des Umfallens
beim Oeffnen geweckt zu werden.

Es dauerte lauge, ehe ich die Ruhe finden konnte, deren ich so sehr bedurfte.

Zuerst kamen durch die glas- und gitterloseu Oeffnungen, welche, oben in der
Wand angebracht, die Stelle der Fenster vertraten, ein paar Vogel hereingeflogen
und schwirrten so lauge im Zimmer umher, bis es mir gelang, sie dnrch Zischen
und Werfen zu verscheuchen.

Kaum hatte ich die Augen wieder geschlossen, als ich durch etwas mir in's
Gesicht Fallendes von Neuem aufgeweckt wurde. Es war ein Stückchen Lehm,
oben von der Wand losgebröckelt durch eine junge Katze, welche, wie ich die Augen
aufschlug, eben die Wand herabgeklettert kam. Die mondhelle Nacht machte es
mir zum Glück möglich, die Gegenstände meiner Beunruhigung ausfindig zu
machen und zu beseitigen.

Doch sollte ich in dieser Nacht keine dauernde Ruhe finden. Eine Stunde
mochte etwa vergangen sein, seit ich die Katze glücklich vertrieben hatte und in
festen Schlaf versunken war, als ich durch ein lautes Gepolter an der Thüre
abermals gestört wurde.

Ich sprang ärgerlich ans, griff in der Schlaftrunkenheit nach meinem Pistol
und -- wer beschreibt mein Staunen, als mir ein hohe weibliche Gestalt, gespen¬
sterhaft in weißes Gewand gehüllt, entgegentritt, vor mir niedersinkt, meine Hand
küßt und mich beschwört, sie nicht zu verlassen.

Es war Nino, die Tochter des Gastfreundes. Sie hatte vou Giorgi das
Mißlingen der Handelspläue vernommen und kam deshalb selbst, um einen letzten
Versuch zu machen, mich zu bewegen, sie mit mir zu nehmen.

Alle meine Einwendungen und Ausflüchte wurde" immer schnell durch passende
Antworten beseitigt.

In sehr seiner Wendung gab Nino mir zuletzt zu verstehe", daß es ihr um
den Besitz des Pferdes durchaus nicht zu thun sei; ich möchte das Thier immer¬
hin anderweitig verkaufen, wenn ich nur meine Einwilligung gäbe, heimlich mit
ihr zu entfliehen und ihr Herz in meine Hand zu nehmen. Und wenn es ihr


Es bedurfte für Givrgi keiner weiteren Argumente, denn die Gefahr scheute
er so, daß' das bloße Wort ihn schon in Schrecken verfehle.

Uebrigens schien ihm das Mißlingen des Geschäfts doch wesentlich böse Laune
zu machen; „Amar! Amar! (Ach! Ach!)" rief er ein Mal über das andere, so
daß sich mir unwillkürlich die Vermuthung aufdrängte, er habe sein Vermittlerge¬
schäft nicht ausschließlich in meinem Interesse betrieben.

Es war schon spät am Abend. Ich warf einen leichten Schlafrock über, der
mir in den warmen Sommernächten zugleich als Decke diente, behielt meine
weiten, rothseidenen Beinkleider an und legte mich schlafen, nachdem ich, wie immer
in diesen Gegenden, wo Schloß und Riegel noch zu deu seltensten Luxusartikeln
gehören, Etwas gegen die Thüre gestellt, um durch das Geräusch des Umfallens
beim Oeffnen geweckt zu werden.

Es dauerte lauge, ehe ich die Ruhe finden konnte, deren ich so sehr bedurfte.

Zuerst kamen durch die glas- und gitterloseu Oeffnungen, welche, oben in der
Wand angebracht, die Stelle der Fenster vertraten, ein paar Vogel hereingeflogen
und schwirrten so lauge im Zimmer umher, bis es mir gelang, sie dnrch Zischen
und Werfen zu verscheuchen.

Kaum hatte ich die Augen wieder geschlossen, als ich durch etwas mir in's
Gesicht Fallendes von Neuem aufgeweckt wurde. Es war ein Stückchen Lehm,
oben von der Wand losgebröckelt durch eine junge Katze, welche, wie ich die Augen
aufschlug, eben die Wand herabgeklettert kam. Die mondhelle Nacht machte es
mir zum Glück möglich, die Gegenstände meiner Beunruhigung ausfindig zu
machen und zu beseitigen.

Doch sollte ich in dieser Nacht keine dauernde Ruhe finden. Eine Stunde
mochte etwa vergangen sein, seit ich die Katze glücklich vertrieben hatte und in
festen Schlaf versunken war, als ich durch ein lautes Gepolter an der Thüre
abermals gestört wurde.

Ich sprang ärgerlich ans, griff in der Schlaftrunkenheit nach meinem Pistol
und — wer beschreibt mein Staunen, als mir ein hohe weibliche Gestalt, gespen¬
sterhaft in weißes Gewand gehüllt, entgegentritt, vor mir niedersinkt, meine Hand
küßt und mich beschwört, sie nicht zu verlassen.

Es war Nino, die Tochter des Gastfreundes. Sie hatte vou Giorgi das
Mißlingen der Handelspläue vernommen und kam deshalb selbst, um einen letzten
Versuch zu machen, mich zu bewegen, sie mit mir zu nehmen.

Alle meine Einwendungen und Ausflüchte wurde» immer schnell durch passende
Antworten beseitigt.

In sehr seiner Wendung gab Nino mir zuletzt zu verstehe», daß es ihr um
den Besitz des Pferdes durchaus nicht zu thun sei; ich möchte das Thier immer¬
hin anderweitig verkaufen, wenn ich nur meine Einwilligung gäbe, heimlich mit
ihr zu entfliehen und ihr Herz in meine Hand zu nehmen. Und wenn es ihr


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[0263] Es bedurfte für Givrgi keiner weiteren Argumente, denn die Gefahr scheute er so, daß' das bloße Wort ihn schon in Schrecken verfehle. Uebrigens schien ihm das Mißlingen des Geschäfts doch wesentlich böse Laune zu machen; „Amar! Amar! (Ach! Ach!)" rief er ein Mal über das andere, so daß sich mir unwillkürlich die Vermuthung aufdrängte, er habe sein Vermittlerge¬ schäft nicht ausschließlich in meinem Interesse betrieben. Es war schon spät am Abend. Ich warf einen leichten Schlafrock über, der mir in den warmen Sommernächten zugleich als Decke diente, behielt meine weiten, rothseidenen Beinkleider an und legte mich schlafen, nachdem ich, wie immer in diesen Gegenden, wo Schloß und Riegel noch zu deu seltensten Luxusartikeln gehören, Etwas gegen die Thüre gestellt, um durch das Geräusch des Umfallens beim Oeffnen geweckt zu werden. Es dauerte lauge, ehe ich die Ruhe finden konnte, deren ich so sehr bedurfte. Zuerst kamen durch die glas- und gitterloseu Oeffnungen, welche, oben in der Wand angebracht, die Stelle der Fenster vertraten, ein paar Vogel hereingeflogen und schwirrten so lauge im Zimmer umher, bis es mir gelang, sie dnrch Zischen und Werfen zu verscheuchen. Kaum hatte ich die Augen wieder geschlossen, als ich durch etwas mir in's Gesicht Fallendes von Neuem aufgeweckt wurde. Es war ein Stückchen Lehm, oben von der Wand losgebröckelt durch eine junge Katze, welche, wie ich die Augen aufschlug, eben die Wand herabgeklettert kam. Die mondhelle Nacht machte es mir zum Glück möglich, die Gegenstände meiner Beunruhigung ausfindig zu machen und zu beseitigen. Doch sollte ich in dieser Nacht keine dauernde Ruhe finden. Eine Stunde mochte etwa vergangen sein, seit ich die Katze glücklich vertrieben hatte und in festen Schlaf versunken war, als ich durch ein lautes Gepolter an der Thüre abermals gestört wurde. Ich sprang ärgerlich ans, griff in der Schlaftrunkenheit nach meinem Pistol und — wer beschreibt mein Staunen, als mir ein hohe weibliche Gestalt, gespen¬ sterhaft in weißes Gewand gehüllt, entgegentritt, vor mir niedersinkt, meine Hand küßt und mich beschwört, sie nicht zu verlassen. Es war Nino, die Tochter des Gastfreundes. Sie hatte vou Giorgi das Mißlingen der Handelspläue vernommen und kam deshalb selbst, um einen letzten Versuch zu machen, mich zu bewegen, sie mit mir zu nehmen. Alle meine Einwendungen und Ausflüchte wurde» immer schnell durch passende Antworten beseitigt. In sehr seiner Wendung gab Nino mir zuletzt zu verstehe», daß es ihr um den Besitz des Pferdes durchaus nicht zu thun sei; ich möchte das Thier immer¬ hin anderweitig verkaufen, wenn ich nur meine Einwilligung gäbe, heimlich mit ihr zu entfliehen und ihr Herz in meine Hand zu nehmen. Und wenn es ihr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/263>, abgerufen am 27.07.2024.