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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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geht, die Erbfolge im Königreich Dänemark und in den Herzogthümern in der
Weise abzuändern, daß der, mit dem eventuellen Erlöschen des gegenwärtig herr¬
schenden Mannsstammes eintretenden Trennung der Herzogtümer vorgebeugt und
die Erbfolge im Königreich sowohl, als in den Herzogthümern auf die olden¬
burgische Lune übertragen werde, d. i. auf die jüngere Linie der rus¬
sisch en Dynastie! -- Unmöglich, Mylord, könnte ein englischer Minister, nach
gehöriger Prüfung und Erwägung der Verhältnisse, daran denken, einem solchen
Vorschlag jemals seine Zustimmung zu ertheilen. Oder, bitte, Mylord, wie würde
es Ihnen zusagen, eine russische Flotte regelmäßig im Kieler Hafen überwintern
zu sehen, von wo sie früh im Jahre in See stechen könnte, anstatt bis Ende
Mai in Kronstäbe im Eise zu stecken? Es ist eine bekannte Sache, daß in den
Jahren vor 1848 russische Kriegsschiffe wiederholt vor Kiel erschienen sind, und daß
die Führer derselben diesem vortrefflichen Hafen verdientes Lob gezollt haben.
Oder wie würde es Ihnen zusagen, die Elbmnnduug unter die fast unmittelbare
Controle Rußlands gestellt zu sehen? Denn Ew. Herrlichkeit kann nicht unbe¬
kannt sein, daß das rechte Ufer, von Altona abwärts, holsteinisches Gebiet ist, daß
Truppen, in Kiel ans Land gesetzt, mittelst der Eisenbahn in ein paar Stunden
nach Altona und Glückstadt geworfen werden können."

Weiter führt Koi-manieus Vinäex aus, wie der Sundzoll, diese auch für die
englische Schifffahrt so drückende Abgabe, durch nichts so sehr paralysirt werden
könne, als durch die Parällelstraße, welche der Eidcrkanal der Schifffahrt aus dem
Sunde in die Nordsee bietet. Dies aber nur unter einer Bedingung: wenn Däne¬
mark und die Herzogthümer verschiedenen Herren angehören, welche ein In¬
teresse daran haben, sich gegenseitig Eoncurrenz zu macheu. Der Anfang dazu ist
bereits von der Statthalterschaft gemacht worden dnrch Herabsetzung der Schiffs-
abgaben ans dem Kanal. Sind beide Länder unter einer Herrschaft vereinigt,
so wird der gemeinsame Herrscher jenes Monopol nicht fahren lassen.

"Aber", fährt das Sendschreiben fort, "es sind noch andere Erwägungen,
Mylord, die einem hohem Gesichtspunkte angehören, als dem des bloßen Inter¬
esses. Die Tage der Protokolle sind vorüber. Die Methode, über Land und
Leute zu verfügen, ohne alle Rücksicht aus bestehendes Recht, ohne die Zustim¬
mung des Volks einzuholen, oder dessen Wünsche zu Rathe zu ziehen, diese leichte
Methode erscheint heutigen Tages wie ein großer Fehler in der Zeitrechnung.
Derartige Protokolle können für eine Zeit lang aufgedrungen, aber sie werden
nie respectirt werden, wenigstens nicht bei einem Volke, das seiner Rechte sich be¬
wußt ist. Und wenn man mit Grund annimmt, daß einem starken Pflichtgefühl
anch ein gleiches Maaß von Selbstachtung entspricht, so wird Ew. Herrlichkeit
dem Volke der Herzogthümer gewiß ein gebührendes Maaß der letztem Eigen¬
schaft zutrauen. Die Herzogthümer haben ihr Unterthanenverhältniß nicht zerrissen,
während das Beispiel anderer Völker sie dazu einlud, nachdem der Landesherr


geht, die Erbfolge im Königreich Dänemark und in den Herzogthümern in der
Weise abzuändern, daß der, mit dem eventuellen Erlöschen des gegenwärtig herr¬
schenden Mannsstammes eintretenden Trennung der Herzogtümer vorgebeugt und
die Erbfolge im Königreich sowohl, als in den Herzogthümern auf die olden¬
burgische Lune übertragen werde, d. i. auf die jüngere Linie der rus¬
sisch en Dynastie! — Unmöglich, Mylord, könnte ein englischer Minister, nach
gehöriger Prüfung und Erwägung der Verhältnisse, daran denken, einem solchen
Vorschlag jemals seine Zustimmung zu ertheilen. Oder, bitte, Mylord, wie würde
es Ihnen zusagen, eine russische Flotte regelmäßig im Kieler Hafen überwintern
zu sehen, von wo sie früh im Jahre in See stechen könnte, anstatt bis Ende
Mai in Kronstäbe im Eise zu stecken? Es ist eine bekannte Sache, daß in den
Jahren vor 1848 russische Kriegsschiffe wiederholt vor Kiel erschienen sind, und daß
die Führer derselben diesem vortrefflichen Hafen verdientes Lob gezollt haben.
Oder wie würde es Ihnen zusagen, die Elbmnnduug unter die fast unmittelbare
Controle Rußlands gestellt zu sehen? Denn Ew. Herrlichkeit kann nicht unbe¬
kannt sein, daß das rechte Ufer, von Altona abwärts, holsteinisches Gebiet ist, daß
Truppen, in Kiel ans Land gesetzt, mittelst der Eisenbahn in ein paar Stunden
nach Altona und Glückstadt geworfen werden können."

Weiter führt Koi-manieus Vinäex aus, wie der Sundzoll, diese auch für die
englische Schifffahrt so drückende Abgabe, durch nichts so sehr paralysirt werden
könne, als durch die Parällelstraße, welche der Eidcrkanal der Schifffahrt aus dem
Sunde in die Nordsee bietet. Dies aber nur unter einer Bedingung: wenn Däne¬
mark und die Herzogthümer verschiedenen Herren angehören, welche ein In¬
teresse daran haben, sich gegenseitig Eoncurrenz zu macheu. Der Anfang dazu ist
bereits von der Statthalterschaft gemacht worden dnrch Herabsetzung der Schiffs-
abgaben ans dem Kanal. Sind beide Länder unter einer Herrschaft vereinigt,
so wird der gemeinsame Herrscher jenes Monopol nicht fahren lassen.

„Aber", fährt das Sendschreiben fort, „es sind noch andere Erwägungen,
Mylord, die einem hohem Gesichtspunkte angehören, als dem des bloßen Inter¬
esses. Die Tage der Protokolle sind vorüber. Die Methode, über Land und
Leute zu verfügen, ohne alle Rücksicht aus bestehendes Recht, ohne die Zustim¬
mung des Volks einzuholen, oder dessen Wünsche zu Rathe zu ziehen, diese leichte
Methode erscheint heutigen Tages wie ein großer Fehler in der Zeitrechnung.
Derartige Protokolle können für eine Zeit lang aufgedrungen, aber sie werden
nie respectirt werden, wenigstens nicht bei einem Volke, das seiner Rechte sich be¬
wußt ist. Und wenn man mit Grund annimmt, daß einem starken Pflichtgefühl
anch ein gleiches Maaß von Selbstachtung entspricht, so wird Ew. Herrlichkeit
dem Volke der Herzogthümer gewiß ein gebührendes Maaß der letztem Eigen¬
schaft zutrauen. Die Herzogthümer haben ihr Unterthanenverhältniß nicht zerrissen,
während das Beispiel anderer Völker sie dazu einlud, nachdem der Landesherr


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[0216] geht, die Erbfolge im Königreich Dänemark und in den Herzogthümern in der Weise abzuändern, daß der, mit dem eventuellen Erlöschen des gegenwärtig herr¬ schenden Mannsstammes eintretenden Trennung der Herzogtümer vorgebeugt und die Erbfolge im Königreich sowohl, als in den Herzogthümern auf die olden¬ burgische Lune übertragen werde, d. i. auf die jüngere Linie der rus¬ sisch en Dynastie! — Unmöglich, Mylord, könnte ein englischer Minister, nach gehöriger Prüfung und Erwägung der Verhältnisse, daran denken, einem solchen Vorschlag jemals seine Zustimmung zu ertheilen. Oder, bitte, Mylord, wie würde es Ihnen zusagen, eine russische Flotte regelmäßig im Kieler Hafen überwintern zu sehen, von wo sie früh im Jahre in See stechen könnte, anstatt bis Ende Mai in Kronstäbe im Eise zu stecken? Es ist eine bekannte Sache, daß in den Jahren vor 1848 russische Kriegsschiffe wiederholt vor Kiel erschienen sind, und daß die Führer derselben diesem vortrefflichen Hafen verdientes Lob gezollt haben. Oder wie würde es Ihnen zusagen, die Elbmnnduug unter die fast unmittelbare Controle Rußlands gestellt zu sehen? Denn Ew. Herrlichkeit kann nicht unbe¬ kannt sein, daß das rechte Ufer, von Altona abwärts, holsteinisches Gebiet ist, daß Truppen, in Kiel ans Land gesetzt, mittelst der Eisenbahn in ein paar Stunden nach Altona und Glückstadt geworfen werden können." Weiter führt Koi-manieus Vinäex aus, wie der Sundzoll, diese auch für die englische Schifffahrt so drückende Abgabe, durch nichts so sehr paralysirt werden könne, als durch die Parällelstraße, welche der Eidcrkanal der Schifffahrt aus dem Sunde in die Nordsee bietet. Dies aber nur unter einer Bedingung: wenn Däne¬ mark und die Herzogthümer verschiedenen Herren angehören, welche ein In¬ teresse daran haben, sich gegenseitig Eoncurrenz zu macheu. Der Anfang dazu ist bereits von der Statthalterschaft gemacht worden dnrch Herabsetzung der Schiffs- abgaben ans dem Kanal. Sind beide Länder unter einer Herrschaft vereinigt, so wird der gemeinsame Herrscher jenes Monopol nicht fahren lassen. „Aber", fährt das Sendschreiben fort, „es sind noch andere Erwägungen, Mylord, die einem hohem Gesichtspunkte angehören, als dem des bloßen Inter¬ esses. Die Tage der Protokolle sind vorüber. Die Methode, über Land und Leute zu verfügen, ohne alle Rücksicht aus bestehendes Recht, ohne die Zustim¬ mung des Volks einzuholen, oder dessen Wünsche zu Rathe zu ziehen, diese leichte Methode erscheint heutigen Tages wie ein großer Fehler in der Zeitrechnung. Derartige Protokolle können für eine Zeit lang aufgedrungen, aber sie werden nie respectirt werden, wenigstens nicht bei einem Volke, das seiner Rechte sich be¬ wußt ist. Und wenn man mit Grund annimmt, daß einem starken Pflichtgefühl anch ein gleiches Maaß von Selbstachtung entspricht, so wird Ew. Herrlichkeit dem Volke der Herzogthümer gewiß ein gebührendes Maaß der letztem Eigen¬ schaft zutrauen. Die Herzogthümer haben ihr Unterthanenverhältniß nicht zerrissen, während das Beispiel anderer Völker sie dazu einlud, nachdem der Landesherr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/216>, abgerufen am 01.09.2024.