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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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ertönte zum ersten, zum zweiten, und endlich zum dritten Male: von Haynau
keine Spur. Die Offiziere wurden endlich auch des Wartens müde, einige der
altern Generäle stiegen von den Pferden, gingen in das Schiff, und als sie zu¬
rückkamen, bestiegen sie ihre Rosse und die ganze Suite sprengte von bannen
Der Exobercommandant war bereits aus der Eisenbahn nach
Waitzen gereist und wird sich dort uach Preßburg schiffen.

Das Volk war Anfangs, wie immer wenn es um ein Opfer betrogen wird,
verblüfft, endlich schlug es eine gellende Lache auf, und ging auseinander. Natürlich
fehlte es ans diesem lachenden Rückzug nicht an neugebackenen Witzen, und noch
heute erzählt mau sich manche Geschichtchen von Haynau's Reise nach Wachen, von
seinem dortigen Empfang dnrch die Gassenjungen und dergl. Possen, ja ein Witz¬
bold erzählte sogar in einem Kaffeehause mit der ernstesten Miene, das Haynau
gar nicht vou Pesch abgereist, souderu von der städtischen Polizei eingezogen
und ins neugebaute gesperrt worden sei, wo ihm wegen Verbreitung, auf¬
rührerischer Artikel in den Zeitungen der Prozeß gemacht werden wird. Ein
anderer meinte: Hayna" sei zu Rozsa Süudvr gegangen und wird mit diesem
einen Guerillakrieg gegen die schlechten Rathgeber Sr. Majestät führen u. s. w.

Auf die Combination mit Nözsa Saudor wurde der Volkswitz durch 'eine
Expedition geleitet, welche in den letzten Tagen gegen diesen Sohn der Pnßta
mit großen Vorbereitungen, aber wie gewöhnlich ohne Erfolg, vorgenommen wurde.

Rozsa ist der Sohn ehrlicher Bürgersleute aus Szegediu, hat in seiner Jugend
auf dem Gymnasium daselbst studirt"und war für den geistlichen Stand bestimmt;
allein sein aufbrausendes Wesen brachte ihn bald mit seinen Lehrern und Kollegen
in beständige Fehde, Rozsa verließ die Schule, ergab sich dem Spiel und wurde
endlich, wie es heißt, in Folge einer unglücklichen Liebschaft, ein tu^vo^ man. Rözsa
hat die Rinaldo's und selbst seinen Landsmann, den großen Sobri in den Schat¬
ten gestellt, und wenn alles wahr ist, was von ihm erzählt wird, so hat er wirklich
Fabelhaftes geleistet. Als systematischer Communist hat sich Rozsa ein eigenes Feld,
namentlich das Viehstehlen, gewählt; denn er folgert so: wenn ich einen Reisenden
angreife, und ihm die Börse absordere, so kann dieß vielleicht seine einzige oder
letzte Baarschaft oder gar anvertrautes Gut sein und ich bringe jedenfalls einen
armen Teufel ins Unglück, wenn ich aber von der Pusta oder aus dein Trieb eines
reichen Viehhändlers einige Stück Ochsen oder Kühe wegführe, so theile ich nnr mit
dem reichen Besitzer seinen Ueberfluß und habe noch obendrein den Vortheil
ein größeres Wagestück ausgeführt zu haben. Rozsa wurde auch wirklich der
Schrecken der Gutsbesitzer Csvugradcr, Belcher und CsanKder Gespauuschast, und
die großen Viehhändler ließen ihre ans den Donanfürstenthümern kommende" Triebe
stets von einer starken Eskorte begleiten, ohne dadurch immer gegen den genialen
Wegelagrer gesichert zu sein. Als im Herbste 1868 der Krieg über Ungarn her¬
einbrach und Kossuth sein "Das Vaterland ist in Gefahr" ertönen ließ, wendete


ertönte zum ersten, zum zweiten, und endlich zum dritten Male: von Haynau
keine Spur. Die Offiziere wurden endlich auch des Wartens müde, einige der
altern Generäle stiegen von den Pferden, gingen in das Schiff, und als sie zu¬
rückkamen, bestiegen sie ihre Rosse und die ganze Suite sprengte von bannen
Der Exobercommandant war bereits aus der Eisenbahn nach
Waitzen gereist und wird sich dort uach Preßburg schiffen.

Das Volk war Anfangs, wie immer wenn es um ein Opfer betrogen wird,
verblüfft, endlich schlug es eine gellende Lache auf, und ging auseinander. Natürlich
fehlte es ans diesem lachenden Rückzug nicht an neugebackenen Witzen, und noch
heute erzählt mau sich manche Geschichtchen von Haynau's Reise nach Wachen, von
seinem dortigen Empfang dnrch die Gassenjungen und dergl. Possen, ja ein Witz¬
bold erzählte sogar in einem Kaffeehause mit der ernstesten Miene, das Haynau
gar nicht vou Pesch abgereist, souderu von der städtischen Polizei eingezogen
und ins neugebaute gesperrt worden sei, wo ihm wegen Verbreitung, auf¬
rührerischer Artikel in den Zeitungen der Prozeß gemacht werden wird. Ein
anderer meinte: Hayna» sei zu Rozsa Süudvr gegangen und wird mit diesem
einen Guerillakrieg gegen die schlechten Rathgeber Sr. Majestät führen u. s. w.

Auf die Combination mit Nözsa Saudor wurde der Volkswitz durch 'eine
Expedition geleitet, welche in den letzten Tagen gegen diesen Sohn der Pnßta
mit großen Vorbereitungen, aber wie gewöhnlich ohne Erfolg, vorgenommen wurde.

Rozsa ist der Sohn ehrlicher Bürgersleute aus Szegediu, hat in seiner Jugend
auf dem Gymnasium daselbst studirt„und war für den geistlichen Stand bestimmt;
allein sein aufbrausendes Wesen brachte ihn bald mit seinen Lehrern und Kollegen
in beständige Fehde, Rozsa verließ die Schule, ergab sich dem Spiel und wurde
endlich, wie es heißt, in Folge einer unglücklichen Liebschaft, ein tu^vo^ man. Rözsa
hat die Rinaldo's und selbst seinen Landsmann, den großen Sobri in den Schat¬
ten gestellt, und wenn alles wahr ist, was von ihm erzählt wird, so hat er wirklich
Fabelhaftes geleistet. Als systematischer Communist hat sich Rozsa ein eigenes Feld,
namentlich das Viehstehlen, gewählt; denn er folgert so: wenn ich einen Reisenden
angreife, und ihm die Börse absordere, so kann dieß vielleicht seine einzige oder
letzte Baarschaft oder gar anvertrautes Gut sein und ich bringe jedenfalls einen
armen Teufel ins Unglück, wenn ich aber von der Pusta oder aus dein Trieb eines
reichen Viehhändlers einige Stück Ochsen oder Kühe wegführe, so theile ich nnr mit
dem reichen Besitzer seinen Ueberfluß und habe noch obendrein den Vortheil
ein größeres Wagestück ausgeführt zu haben. Rozsa wurde auch wirklich der
Schrecken der Gutsbesitzer Csvugradcr, Belcher und CsanKder Gespauuschast, und
die großen Viehhändler ließen ihre ans den Donanfürstenthümern kommende» Triebe
stets von einer starken Eskorte begleiten, ohne dadurch immer gegen den genialen
Wegelagrer gesichert zu sein. Als im Herbste 1868 der Krieg über Ungarn her¬
einbrach und Kossuth sein „Das Vaterland ist in Gefahr" ertönen ließ, wendete


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/202>, abgerufen am 01.09.2024.