Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.Wir sind nicht dieser Meinung, denn wir wissen sehr wohl, daß in gewissen Re¬ Mehr Wahrscheinlichkeit hat das Gerücht für sich, demzufolge die Civilcom- Mag das leitende Motiv dieses Ereignisses auch unbekannt sein, so viel ist Und unser Ministerium! Ich weiß wohl, was unsere Wiener Blätter in den nächsten Tagen von den Einer der größten Jrrthümer der östreichischen Politik ist, daß sie die Ver¬ Wir sind nicht dieser Meinung, denn wir wissen sehr wohl, daß in gewissen Re¬ Mehr Wahrscheinlichkeit hat das Gerücht für sich, demzufolge die Civilcom- Mag das leitende Motiv dieses Ereignisses auch unbekannt sein, so viel ist Und unser Ministerium! Ich weiß wohl, was unsere Wiener Blätter in den nächsten Tagen von den Einer der größten Jrrthümer der östreichischen Politik ist, daß sie die Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85747"/> <p xml:id="ID_563" prev="#ID_562"> Wir sind nicht dieser Meinung, denn wir wissen sehr wohl, daß in gewissen Re¬<lb/> gionen Alles, was nicht mit dem goldenen Vließ zur Welt kommt, selbst die un¬<lb/> entbehrlichen Männer der rettenden That nicht ausgenommen, nur als Söldling<lb/> und gefügige Maschine betrachtet wird; die ganze Geschichte mit der Machtvoll¬<lb/> kommenheit eines Generals ist also nichts anders als eine rettende Phrase, Haynau<lb/> hatte gegen den Willen des Hofes keine Fliege an der Wand tödten dürfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_564"> Mehr Wahrscheinlichkeit hat das Gerücht für sich, demzufolge die Civilcom-<lb/> missäre von Ungarn und Italien sich bitter bei Sr. Majestät beklagt hätten, daß<lb/> der untergeordnete Offizier in diesen Ländern mehr Macht habe als der kaiserliche<lb/> Landescivilcommissär; aber unsere Civilcommifsäre standen und stehen auf sehr<lb/> unfruchtbarem Boden, ihre Leistungen sind so gering, daß sie das Krautmesser<lb/> eines östreichischen Korporals nicht aufwiegen, und die Herren Gchnnger und<lb/> Montecuculi müßten ein außerordentliches Genie zum Wühlen haben, wenn es<lb/> ihnen gelungen sein sollte, den Sieger von TemeSwar wie eine ausgedrückte<lb/> Citrone ans die Straße zu schleudern.</p><lb/> <p xml:id="ID_565"> Mag das leitende Motiv dieses Ereignisses auch unbekannt sein, so viel ist<lb/> gewiß, daß Haynau's Abberufung, sowie die Art und Weise dieser Abberufung<lb/> eine außerordentliche Sensation in unserem Lande hervorgebracht. Der Mann<lb/> würde vor seinem eigenen Bilde erschrecken, wenn er es sehen konnte, nachdem<lb/> die Majestät die goldene Larve davon abgerissen, wenn er gesehen hätte, wie einige<lb/> Stunden nach seiner Abberufung kein Fleischerhund in Budapest!) zu finden war,<lb/> der nicht bereits mit dem Namen „Haynau" getauft worden war, wenn er in die<lb/> Kinderstuben und Brauntweinkneipen blicken konnte, wo sein verhaßter Name in<lb/> Ammenmährchen und Pöbelwitzcn maltraitirt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_566"> Und unser Ministerium!</p><lb/> <p xml:id="ID_567"> Ich weiß wohl, was unsere Wiener Blätter in den nächsten Tagen von den<lb/> „wohlthuenden Eindrücken", von „Beiträgen zur wahren Pacisication Ungarns"<lb/> und andern dergleichen Dingen andeuten werden, und wer die Geschichte mit dem<lb/> jüdischen Zicklein kennt, wird ihnen vollkommen recht geben; aber Fürst Schwar¬<lb/> zenberg brauchte uur einen unparteiischen Kammerdiener incognito nach Pesth zu<lb/> schicken, und er könnte sich die Ueberzeugung verschaffen, daß sein Regiment durch<lb/> diesen verzweifelten Schritt nicht einen Nagel breit Terrain gewonnen habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_568" next="#ID_569"> Einer der größten Jrrthümer der östreichischen Politik ist, daß sie die Ver¬<lb/> hältnisse an Personen und nicht an Prinzipien knüpft. Diese Politik des Lavirens<lb/> hat vielleicht viel beigetragen, um Oestreich in den jüngsten Nöthen zu retten,<lb/> aber das gerettete, neugeborne Oestreich ist ein sehr schwaches Geschöpf, das durch<lb/> Reiben, Bürsten und Aderlassen zwar zum Athmen gebracht wurde, aber<lb/> immer nur ein sieches Leben führen wird. Als im Herbst 1848 die kaiserlich ge¬<lb/> sinnten (?) Slaven gegen die Errungenschaften der Magyaren eiferten, hieß es<lb/> „der. schwache Ferdinand hat diese unseligen Concessionen gemacht," er mußte das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
Wir sind nicht dieser Meinung, denn wir wissen sehr wohl, daß in gewissen Re¬
gionen Alles, was nicht mit dem goldenen Vließ zur Welt kommt, selbst die un¬
entbehrlichen Männer der rettenden That nicht ausgenommen, nur als Söldling
und gefügige Maschine betrachtet wird; die ganze Geschichte mit der Machtvoll¬
kommenheit eines Generals ist also nichts anders als eine rettende Phrase, Haynau
hatte gegen den Willen des Hofes keine Fliege an der Wand tödten dürfen.
Mehr Wahrscheinlichkeit hat das Gerücht für sich, demzufolge die Civilcom-
missäre von Ungarn und Italien sich bitter bei Sr. Majestät beklagt hätten, daß
der untergeordnete Offizier in diesen Ländern mehr Macht habe als der kaiserliche
Landescivilcommissär; aber unsere Civilcommifsäre standen und stehen auf sehr
unfruchtbarem Boden, ihre Leistungen sind so gering, daß sie das Krautmesser
eines östreichischen Korporals nicht aufwiegen, und die Herren Gchnnger und
Montecuculi müßten ein außerordentliches Genie zum Wühlen haben, wenn es
ihnen gelungen sein sollte, den Sieger von TemeSwar wie eine ausgedrückte
Citrone ans die Straße zu schleudern.
Mag das leitende Motiv dieses Ereignisses auch unbekannt sein, so viel ist
gewiß, daß Haynau's Abberufung, sowie die Art und Weise dieser Abberufung
eine außerordentliche Sensation in unserem Lande hervorgebracht. Der Mann
würde vor seinem eigenen Bilde erschrecken, wenn er es sehen konnte, nachdem
die Majestät die goldene Larve davon abgerissen, wenn er gesehen hätte, wie einige
Stunden nach seiner Abberufung kein Fleischerhund in Budapest!) zu finden war,
der nicht bereits mit dem Namen „Haynau" getauft worden war, wenn er in die
Kinderstuben und Brauntweinkneipen blicken konnte, wo sein verhaßter Name in
Ammenmährchen und Pöbelwitzcn maltraitirt wird.
Und unser Ministerium!
Ich weiß wohl, was unsere Wiener Blätter in den nächsten Tagen von den
„wohlthuenden Eindrücken", von „Beiträgen zur wahren Pacisication Ungarns"
und andern dergleichen Dingen andeuten werden, und wer die Geschichte mit dem
jüdischen Zicklein kennt, wird ihnen vollkommen recht geben; aber Fürst Schwar¬
zenberg brauchte uur einen unparteiischen Kammerdiener incognito nach Pesth zu
schicken, und er könnte sich die Ueberzeugung verschaffen, daß sein Regiment durch
diesen verzweifelten Schritt nicht einen Nagel breit Terrain gewonnen habe.
Einer der größten Jrrthümer der östreichischen Politik ist, daß sie die Ver¬
hältnisse an Personen und nicht an Prinzipien knüpft. Diese Politik des Lavirens
hat vielleicht viel beigetragen, um Oestreich in den jüngsten Nöthen zu retten,
aber das gerettete, neugeborne Oestreich ist ein sehr schwaches Geschöpf, das durch
Reiben, Bürsten und Aderlassen zwar zum Athmen gebracht wurde, aber
immer nur ein sieches Leben führen wird. Als im Herbst 1848 die kaiserlich ge¬
sinnten (?) Slaven gegen die Errungenschaften der Magyaren eiferten, hieß es
„der. schwache Ferdinand hat diese unseligen Concessionen gemacht," er mußte das
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