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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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brachen, wenn sie unangefochten magyarische und sächsische Dörfer ausplündern
und verheeren konnten.

Der Ausgang dieser Kämpfe ist allgemein bekannt; das Urtheil über die
Handlungsweise der Sachsen schwankt noch nach dein Partcistandpunkt; aber so
viel ist gewiß, daß sie in der letzten Zeit sehr viel gelitten haben, daß sie jetzt
durch die Regierung, für welche sie so große Opfer brachten, bitter enttäuscht
werden, und daß sie mit sorgenvollen Blicken in die Zukunft sehen, denn in
ihrem Lande werden sie von Magyaren und Walachen gleich gehaßt, und der
Schutz, den ihnen die östreichischen Soldaten bieten, droht sie vollends zu
erdrücken.

Schon der Umstand, daß auch ihr Gebiet uach der Katastrophe von
Vit-igos in Belagerungszustand versetzt wurde, mußte sie stützen macheu, und sie
riefen mit Abraham aus: "Herr Herr! willst du den Frommen mit dem Frevler
strafen?" Hierzu kam, daß Puchncr ein Commando in Italien übernahm, und
ihnen in General Wohlgemut!) ein neuer Herr auf den Nacken gesetzt worden ist,
der die Versprechungen des erstem nicht kennt oder nicht kennen will; ja die
Negierung, welche auch gegen die Walachen Verpflichtungen hat, sah sich sogar
bewogen, ihrem Gebiet deu Namen "Sachsenland" zu nehmen. Ihre Aus¬
sichten auf ein eigenes Krvnland können zwar bei dem länderschaffenden Mini¬
sterium in Erfüllung gehen, allein die guten Sachsen haben ebensoviel Aussicht,
sich an einem schönen Morgen in die Woiwodschaft "Vallachia" oder "Numenia"
versetzt zu sehen.

Daß die Sachsen ihre gegenwärtige Lage ganz begreifen, zeigt eine in die¬
sen Tagen veröffentliche Eingabe der Bürger von Herrmannstadt an den dor¬
tigen Magistrat.

Sie setzen darin auseinander, daß der Belagerungsstand "wenn er auch
wirklich vou der Notwendigkeit geboten wird, keine Aushebung der
Gesetze, sondern nur die Einstellung gewisser politischer Functionen,
als politische Versammlungen, Jury, politische Demonstrationen", s. w. erheische,
sie aber müßten sich bitter über die Uebergriffe der Soldatenherrschaft beschweren
die ihnen Magistrate aufoctroyirc, die ganze Verwaltung und Jurisdiction an
sich reiße und selbst nach ihrem heiligsten Palladium, der Religionsfreiheit, die
profanen Hände ausstrecke." Die gemischten Eheu, sagen die Bürger von Herr¬
mannstadt, bilden ein altes, aus dem Wesen der vielfach verbrieften Religions¬
freiheit der Sachsen fließendes Recht der Nation, welches Recht durch die Union
mit Ungarn, wo dasselbe anch in deutlichen Gesetzen ausgesprochen
ist, auch seiue förmliche Sanktion erhalten hat; und doch ist jetzt ein
Befehl an die geistlichen Behörden ergangen, dem zu Folge solche Ehen aus¬
schließlich vou katholischen Geistlichen eingesegnet werden müssen u. s. w. Schlie߬
lich tragen die Bürger dem Magistrate auf, die Auszahlung des Gehalts an den


brachen, wenn sie unangefochten magyarische und sächsische Dörfer ausplündern
und verheeren konnten.

Der Ausgang dieser Kämpfe ist allgemein bekannt; das Urtheil über die
Handlungsweise der Sachsen schwankt noch nach dein Partcistandpunkt; aber so
viel ist gewiß, daß sie in der letzten Zeit sehr viel gelitten haben, daß sie jetzt
durch die Regierung, für welche sie so große Opfer brachten, bitter enttäuscht
werden, und daß sie mit sorgenvollen Blicken in die Zukunft sehen, denn in
ihrem Lande werden sie von Magyaren und Walachen gleich gehaßt, und der
Schutz, den ihnen die östreichischen Soldaten bieten, droht sie vollends zu
erdrücken.

Schon der Umstand, daß auch ihr Gebiet uach der Katastrophe von
Vit-igos in Belagerungszustand versetzt wurde, mußte sie stützen macheu, und sie
riefen mit Abraham aus: „Herr Herr! willst du den Frommen mit dem Frevler
strafen?" Hierzu kam, daß Puchncr ein Commando in Italien übernahm, und
ihnen in General Wohlgemut!) ein neuer Herr auf den Nacken gesetzt worden ist,
der die Versprechungen des erstem nicht kennt oder nicht kennen will; ja die
Negierung, welche auch gegen die Walachen Verpflichtungen hat, sah sich sogar
bewogen, ihrem Gebiet deu Namen „Sachsenland" zu nehmen. Ihre Aus¬
sichten auf ein eigenes Krvnland können zwar bei dem länderschaffenden Mini¬
sterium in Erfüllung gehen, allein die guten Sachsen haben ebensoviel Aussicht,
sich an einem schönen Morgen in die Woiwodschaft „Vallachia" oder „Numenia"
versetzt zu sehen.

Daß die Sachsen ihre gegenwärtige Lage ganz begreifen, zeigt eine in die¬
sen Tagen veröffentliche Eingabe der Bürger von Herrmannstadt an den dor¬
tigen Magistrat.

Sie setzen darin auseinander, daß der Belagerungsstand „wenn er auch
wirklich vou der Notwendigkeit geboten wird, keine Aushebung der
Gesetze, sondern nur die Einstellung gewisser politischer Functionen,
als politische Versammlungen, Jury, politische Demonstrationen«, s. w. erheische,
sie aber müßten sich bitter über die Uebergriffe der Soldatenherrschaft beschweren
die ihnen Magistrate aufoctroyirc, die ganze Verwaltung und Jurisdiction an
sich reiße und selbst nach ihrem heiligsten Palladium, der Religionsfreiheit, die
profanen Hände ausstrecke." Die gemischten Eheu, sagen die Bürger von Herr¬
mannstadt, bilden ein altes, aus dem Wesen der vielfach verbrieften Religions¬
freiheit der Sachsen fließendes Recht der Nation, welches Recht durch die Union
mit Ungarn, wo dasselbe anch in deutlichen Gesetzen ausgesprochen
ist, auch seiue förmliche Sanktion erhalten hat; und doch ist jetzt ein
Befehl an die geistlichen Behörden ergangen, dem zu Folge solche Ehen aus¬
schließlich vou katholischen Geistlichen eingesegnet werden müssen u. s. w. Schlie߬
lich tragen die Bürger dem Magistrate auf, die Auszahlung des Gehalts an den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/162>, abgerufen am 27.07.2024.