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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Gemüther wegen der Gefahren, die den, Vaterlande drohten, zu beruhigen, und
im Falle das Vaterland wirklich in Gefahr geriethe, durch eigenes Beispiel, und
den Einfluß, den die Intelligenz stets auf die Massen übt, das Volk zu patrioti¬
schen Opfern anzueifern. --

Das Schicksal' läßt sich nicht aufhalten, Steine, die man seinen Schritten in
den Weg gelegt, werden von ihm aufgehoben und den Dienstbeflissenen an die
Kopfe geworfen. Die Biirgerschast von Pesth glaubte durch die Entfernung der
Studenten aus der Hauptstadt die Revolution, wie die Phrase lautet, zu schließen;
aber die Revolution gewann dadurch tausend Zungen, die ihren Geist in allen
Provinzen predigten, und tausend Arme, die tausend Fahnen für sie in den Kampf
trugen.

Es entspricht dein Zweck dieser Skizzen, Ihren Lesern die Ansicht beizubringen,
daß auch ich damals zu der aufgelösten akademischen Zunft gehörte, ein eifriger Ungar
war und die Dinge so rosig und vielversprechend ansah, als sich für eine 25jährige
Seele geziemte, welche sich an Kossuth's Reden und ungarischen Wein berauscht,
und im Waffensaal und in deu bergigen Jagdrevieren der Heimath ein angenehmes
Selbstgefühl erworben hatte. Was die letzten Jahre aus mir gemacht haben, einen
Soldat und einen Verbannten, das soll diese kleinen Bilder nicht dunkel färben. Sie
nehmen kein anderes Verdienst in Anspruch, als das eine, buchstäbliche und genane
Wahrheit zu enthilteu.

Es ist unnöthig zu bemerken, daß wir die Hauptstadt sehr unwillig verließen.
Das rege Leben in Pesth, die Anwesenheit der Regierung und die neue noch so
wenig genossene Lernfreiheit, dazu der Enthusiasmus für die Opposition, welche
bereits in dieser Zeit im Parlamente mit Vortheil gegen die Mäßigung Batthyüni's
ankämpfte, und die Spalten des nen entstandenen Tageblatts "Der 15. März",
welches Albert Pälfi herausgab, und in dem wir unsere jugendlichen Kräfte übten,
das Alles sollten wir verlassen, und wegen einer ruheliebenden Bürgerschaft, die
sich am 15. März versteckt hielt und jetzt den Herrn spielen wollte n. s. w.; --
allein die Väter, Oheime und Vormünder sind in Ungarn, wie überall, durchaus
ministeriell, "ud deshalb knirschte die hoffnungsvolle Jngend mit den Zähnen,
folgte der Nothwendigkeit und zerstreute sich über das Land.

Die Meisten nahmen sich trotzig vor, bei der Mauthschranke der Hauptstadt
der Politik für immer Lebewohl zu sagen, um, wie man sich ausdrückte, zu sehen,
wie diese 'I'udlablröK^ ohne uus fertig werden wollte". Doch im Buche des Schicksals



'IV>t>Ihm,'.', ist urspriuiglich G er ich es läse ib eisitzer. Diese wurde" nach der alte"
ComitatSverfassung aus dem besitzenden, studirte" Adel gewählt, und bildeten unter dem
Vorsitz des Viccgcspannö u"d der" ComitatSfiökale" de" oberste" Gerichtshof des Councils.
Und da zu diesem Amte gewöhnlich eilte, dnrch Besitz, vieljährige politische Thätigkeit in-
Siime der Majorität und moralischen Lebenswandel empfohlene J"dividucn ernannt wurde",
und sich i" diesen alle Schroffheiten "ut nationale" Eigenthümlichkeiten eines ungarischen
Gmizbote". I, 1850. 8

Gemüther wegen der Gefahren, die den, Vaterlande drohten, zu beruhigen, und
im Falle das Vaterland wirklich in Gefahr geriethe, durch eigenes Beispiel, und
den Einfluß, den die Intelligenz stets auf die Massen übt, das Volk zu patrioti¬
schen Opfern anzueifern. —

Das Schicksal' läßt sich nicht aufhalten, Steine, die man seinen Schritten in
den Weg gelegt, werden von ihm aufgehoben und den Dienstbeflissenen an die
Kopfe geworfen. Die Biirgerschast von Pesth glaubte durch die Entfernung der
Studenten aus der Hauptstadt die Revolution, wie die Phrase lautet, zu schließen;
aber die Revolution gewann dadurch tausend Zungen, die ihren Geist in allen
Provinzen predigten, und tausend Arme, die tausend Fahnen für sie in den Kampf
trugen.

Es entspricht dein Zweck dieser Skizzen, Ihren Lesern die Ansicht beizubringen,
daß auch ich damals zu der aufgelösten akademischen Zunft gehörte, ein eifriger Ungar
war und die Dinge so rosig und vielversprechend ansah, als sich für eine 25jährige
Seele geziemte, welche sich an Kossuth's Reden und ungarischen Wein berauscht,
und im Waffensaal und in deu bergigen Jagdrevieren der Heimath ein angenehmes
Selbstgefühl erworben hatte. Was die letzten Jahre aus mir gemacht haben, einen
Soldat und einen Verbannten, das soll diese kleinen Bilder nicht dunkel färben. Sie
nehmen kein anderes Verdienst in Anspruch, als das eine, buchstäbliche und genane
Wahrheit zu enthilteu.

Es ist unnöthig zu bemerken, daß wir die Hauptstadt sehr unwillig verließen.
Das rege Leben in Pesth, die Anwesenheit der Regierung und die neue noch so
wenig genossene Lernfreiheit, dazu der Enthusiasmus für die Opposition, welche
bereits in dieser Zeit im Parlamente mit Vortheil gegen die Mäßigung Batthyüni's
ankämpfte, und die Spalten des nen entstandenen Tageblatts „Der 15. März",
welches Albert Pälfi herausgab, und in dem wir unsere jugendlichen Kräfte übten,
das Alles sollten wir verlassen, und wegen einer ruheliebenden Bürgerschaft, die
sich am 15. März versteckt hielt und jetzt den Herrn spielen wollte n. s. w.; —
allein die Väter, Oheime und Vormünder sind in Ungarn, wie überall, durchaus
ministeriell, »ud deshalb knirschte die hoffnungsvolle Jngend mit den Zähnen,
folgte der Nothwendigkeit und zerstreute sich über das Land.

Die Meisten nahmen sich trotzig vor, bei der Mauthschranke der Hauptstadt
der Politik für immer Lebewohl zu sagen, um, wie man sich ausdrückte, zu sehen,
wie diese 'I'udlablröK^ ohne uus fertig werden wollte«. Doch im Buche des Schicksals



'IV>t>Ihm,'.', ist urspriuiglich G er ich es läse ib eisitzer. Diese wurde» nach der alte»
ComitatSverfassung aus dem besitzenden, studirte» Adel gewählt, und bildeten unter dem
Vorsitz des Viccgcspannö u»d der" ComitatSfiökale» de» oberste» Gerichtshof des Councils.
Und da zu diesem Amte gewöhnlich eilte, dnrch Besitz, vieljährige politische Thätigkeit in-
Siime der Majorität und moralischen Lebenswandel empfohlene J»dividucn ernannt wurde»,
und sich i» diesen alle Schroffheiten «ut nationale» Eigenthümlichkeiten eines ungarischen
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[0065] Gemüther wegen der Gefahren, die den, Vaterlande drohten, zu beruhigen, und im Falle das Vaterland wirklich in Gefahr geriethe, durch eigenes Beispiel, und den Einfluß, den die Intelligenz stets auf die Massen übt, das Volk zu patrioti¬ schen Opfern anzueifern. — Das Schicksal' läßt sich nicht aufhalten, Steine, die man seinen Schritten in den Weg gelegt, werden von ihm aufgehoben und den Dienstbeflissenen an die Kopfe geworfen. Die Biirgerschast von Pesth glaubte durch die Entfernung der Studenten aus der Hauptstadt die Revolution, wie die Phrase lautet, zu schließen; aber die Revolution gewann dadurch tausend Zungen, die ihren Geist in allen Provinzen predigten, und tausend Arme, die tausend Fahnen für sie in den Kampf trugen. Es entspricht dein Zweck dieser Skizzen, Ihren Lesern die Ansicht beizubringen, daß auch ich damals zu der aufgelösten akademischen Zunft gehörte, ein eifriger Ungar war und die Dinge so rosig und vielversprechend ansah, als sich für eine 25jährige Seele geziemte, welche sich an Kossuth's Reden und ungarischen Wein berauscht, und im Waffensaal und in deu bergigen Jagdrevieren der Heimath ein angenehmes Selbstgefühl erworben hatte. Was die letzten Jahre aus mir gemacht haben, einen Soldat und einen Verbannten, das soll diese kleinen Bilder nicht dunkel färben. Sie nehmen kein anderes Verdienst in Anspruch, als das eine, buchstäbliche und genane Wahrheit zu enthilteu. Es ist unnöthig zu bemerken, daß wir die Hauptstadt sehr unwillig verließen. Das rege Leben in Pesth, die Anwesenheit der Regierung und die neue noch so wenig genossene Lernfreiheit, dazu der Enthusiasmus für die Opposition, welche bereits in dieser Zeit im Parlamente mit Vortheil gegen die Mäßigung Batthyüni's ankämpfte, und die Spalten des nen entstandenen Tageblatts „Der 15. März", welches Albert Pälfi herausgab, und in dem wir unsere jugendlichen Kräfte übten, das Alles sollten wir verlassen, und wegen einer ruheliebenden Bürgerschaft, die sich am 15. März versteckt hielt und jetzt den Herrn spielen wollte n. s. w.; — allein die Väter, Oheime und Vormünder sind in Ungarn, wie überall, durchaus ministeriell, »ud deshalb knirschte die hoffnungsvolle Jngend mit den Zähnen, folgte der Nothwendigkeit und zerstreute sich über das Land. Die Meisten nahmen sich trotzig vor, bei der Mauthschranke der Hauptstadt der Politik für immer Lebewohl zu sagen, um, wie man sich ausdrückte, zu sehen, wie diese 'I'udlablröK^ ohne uus fertig werden wollte«. Doch im Buche des Schicksals 'IV>t>Ihm,'.', ist urspriuiglich G er ich es läse ib eisitzer. Diese wurde» nach der alte» ComitatSverfassung aus dem besitzenden, studirte» Adel gewählt, und bildeten unter dem Vorsitz des Viccgcspannö u»d der" ComitatSfiökale» de» oberste» Gerichtshof des Councils. Und da zu diesem Amte gewöhnlich eilte, dnrch Besitz, vieljährige politische Thätigkeit in- Siime der Majorität und moralischen Lebenswandel empfohlene J»dividucn ernannt wurde», und sich i» diesen alle Schroffheiten «ut nationale» Eigenthümlichkeiten eines ungarischen Gmizbote». I, 1850. 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/65>, abgerufen am 01.07.2024.