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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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den Uebertritt nach Ungarn zu ermöglichen, ehe ich aber selbst noch ging, wollte
ich unsern Bemühungen den Stempel der Allgemeinheit und Nationalität geben,
theilte demnach den vorzüglichem Patrioten Krakaus meine Absichten mit, die mit
feuriger Erregung ausgenommen wurden. Hierauf ging ich uach Lemberg, wo
ein bedeutender Theil der patriotischen jungen Leute schou denselben Gedanken
gefaßt, sogar schon eine Deputation nach Ungarn geschickt hatte. Hier traf ich
den Obristen Bulharyu, der in Ungarn früher sich aufhaltend, sich die Mission
erbeten hatte mit deu galizischen Patrioten im magyarischen Interesse zu unter¬
handeln. Die Deputation kehrte bald zurück mit den schriftlichen Bedingungen
der magyarischen Regierung, nach welcher den Polen nnr erlaubt sein sollte ein
Corps vou 1200 Man" zu bilden, was offenbar das Mißtrauen der Negierung
bekundete, und durch die Ereignisse in Prag und Wien wohl begründet worden
war. Aus diesem Motiv wünschte ich sobald als möglich nach Ungarn zu kom¬
men, "in dieses Mißtrauen zu beseitigen, mußte aber eine gültige Vollmacht be¬
sitze", um mich als Deputirter zu legitiinire". Mit zweien meiner Landsleute, deren
Namen ich verschweigen muß, da sie vielleicht noch im Lande sind, erhielt ich die
Vollmacht mit der magyarischen Regierung zu verhandeln. Wir fuhren über Krakau,
wo wir uns auch eine Vvlluiacht ausstellen ließe", uach Pesth, wo wir tu den
letzten Tagen deö Octobers anlangten. Unterwegs trafen wir schon viele Ab¬
theilungen polnischer Zuzügler, namentlich in Preszow den Capitain Malczynsti
mit etwa 100 Mann und in Pesth den Hauptmann Czernik mit einer eben so
großen Abtheilung. Wir ersuchten diese Zuzügler nicht eher mit der Negierung
Verpflichtungen abzuschließen, bis wir nicht für sie eine vielleicht günstigere Con¬
vention würden abgemacht haben. In Preßburg baten wir beim Präsidenten
Kossuth um Audienz, welche wir deu andern Tag erhielten. Schon hatten wir
uach einer zweimaligen Konferenz das Zugeständnis; erhalten eine Legion von 15
-- 20,000 Mann zu bilden, der Sorge für das künftige Loos der Legiouisten
und unbestreitbarer Vortheile für unser Vaterland; es ging nur noch um unbedeutende
Abänderungen, da zeigte sich unerwartet Bem in Preßburg und nun ging alles
so den Krebsgang, daß Kossuth erklärte, nur mit Uebereinstimmung der übrigen
Negiernngsmitgliedcr die Convention unterzeichnen zu können. Der Präsident
behandelte uus sehr kalt und vermied uns, erklärte endlich, daß der General
Lein sich jeder Convention mit uns widersetze, da unsere Vollmacht von keiner
wirklichen Behörde unterzeichnet sei. Die Wuth unsrer jungen Leute über dieses
Verfahren Beins war so groß, daß ein junger Mann Kolodziejsli den General
anfiel, auf ihn schoß und am Kops leicht verwundete. Bein trat hierauf in einem
voll ihm selbst unterschriebenen PaSquil gegen die Demokratie auf, nannte sie die
von den Nüssen bezahlte Partei, mich einen moscovitischen Agenten und Anstifter
des Mordaufallö. Ich würde mich sell'se beschimpft haben, auf solche Schmähun¬
gen zu antworten, und schwieg, und es scheint, daß die Negierung dieses Schwei-


den Uebertritt nach Ungarn zu ermöglichen, ehe ich aber selbst noch ging, wollte
ich unsern Bemühungen den Stempel der Allgemeinheit und Nationalität geben,
theilte demnach den vorzüglichem Patrioten Krakaus meine Absichten mit, die mit
feuriger Erregung ausgenommen wurden. Hierauf ging ich uach Lemberg, wo
ein bedeutender Theil der patriotischen jungen Leute schou denselben Gedanken
gefaßt, sogar schon eine Deputation nach Ungarn geschickt hatte. Hier traf ich
den Obristen Bulharyu, der in Ungarn früher sich aufhaltend, sich die Mission
erbeten hatte mit deu galizischen Patrioten im magyarischen Interesse zu unter¬
handeln. Die Deputation kehrte bald zurück mit den schriftlichen Bedingungen
der magyarischen Regierung, nach welcher den Polen nnr erlaubt sein sollte ein
Corps vou 1200 Man» zu bilden, was offenbar das Mißtrauen der Negierung
bekundete, und durch die Ereignisse in Prag und Wien wohl begründet worden
war. Aus diesem Motiv wünschte ich sobald als möglich nach Ungarn zu kom¬
men, »in dieses Mißtrauen zu beseitigen, mußte aber eine gültige Vollmacht be¬
sitze», um mich als Deputirter zu legitiinire». Mit zweien meiner Landsleute, deren
Namen ich verschweigen muß, da sie vielleicht noch im Lande sind, erhielt ich die
Vollmacht mit der magyarischen Regierung zu verhandeln. Wir fuhren über Krakau,
wo wir uns auch eine Vvlluiacht ausstellen ließe«, uach Pesth, wo wir tu den
letzten Tagen deö Octobers anlangten. Unterwegs trafen wir schon viele Ab¬
theilungen polnischer Zuzügler, namentlich in Preszow den Capitain Malczynsti
mit etwa 100 Mann und in Pesth den Hauptmann Czernik mit einer eben so
großen Abtheilung. Wir ersuchten diese Zuzügler nicht eher mit der Negierung
Verpflichtungen abzuschließen, bis wir nicht für sie eine vielleicht günstigere Con¬
vention würden abgemacht haben. In Preßburg baten wir beim Präsidenten
Kossuth um Audienz, welche wir deu andern Tag erhielten. Schon hatten wir
uach einer zweimaligen Konferenz das Zugeständnis; erhalten eine Legion von 15
— 20,000 Mann zu bilden, der Sorge für das künftige Loos der Legiouisten
und unbestreitbarer Vortheile für unser Vaterland; es ging nur noch um unbedeutende
Abänderungen, da zeigte sich unerwartet Bem in Preßburg und nun ging alles
so den Krebsgang, daß Kossuth erklärte, nur mit Uebereinstimmung der übrigen
Negiernngsmitgliedcr die Convention unterzeichnen zu können. Der Präsident
behandelte uus sehr kalt und vermied uns, erklärte endlich, daß der General
Lein sich jeder Convention mit uns widersetze, da unsere Vollmacht von keiner
wirklichen Behörde unterzeichnet sei. Die Wuth unsrer jungen Leute über dieses
Verfahren Beins war so groß, daß ein junger Mann Kolodziejsli den General
anfiel, auf ihn schoß und am Kops leicht verwundete. Bein trat hierauf in einem
voll ihm selbst unterschriebenen PaSquil gegen die Demokratie auf, nannte sie die
von den Nüssen bezahlte Partei, mich einen moscovitischen Agenten und Anstifter
des Mordaufallö. Ich würde mich sell'se beschimpft haben, auf solche Schmähun¬
gen zu antworten, und schwieg, und es scheint, daß die Negierung dieses Schwei-


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[0519] den Uebertritt nach Ungarn zu ermöglichen, ehe ich aber selbst noch ging, wollte ich unsern Bemühungen den Stempel der Allgemeinheit und Nationalität geben, theilte demnach den vorzüglichem Patrioten Krakaus meine Absichten mit, die mit feuriger Erregung ausgenommen wurden. Hierauf ging ich uach Lemberg, wo ein bedeutender Theil der patriotischen jungen Leute schou denselben Gedanken gefaßt, sogar schon eine Deputation nach Ungarn geschickt hatte. Hier traf ich den Obristen Bulharyu, der in Ungarn früher sich aufhaltend, sich die Mission erbeten hatte mit deu galizischen Patrioten im magyarischen Interesse zu unter¬ handeln. Die Deputation kehrte bald zurück mit den schriftlichen Bedingungen der magyarischen Regierung, nach welcher den Polen nnr erlaubt sein sollte ein Corps vou 1200 Man» zu bilden, was offenbar das Mißtrauen der Negierung bekundete, und durch die Ereignisse in Prag und Wien wohl begründet worden war. Aus diesem Motiv wünschte ich sobald als möglich nach Ungarn zu kom¬ men, »in dieses Mißtrauen zu beseitigen, mußte aber eine gültige Vollmacht be¬ sitze», um mich als Deputirter zu legitiinire». Mit zweien meiner Landsleute, deren Namen ich verschweigen muß, da sie vielleicht noch im Lande sind, erhielt ich die Vollmacht mit der magyarischen Regierung zu verhandeln. Wir fuhren über Krakau, wo wir uns auch eine Vvlluiacht ausstellen ließe«, uach Pesth, wo wir tu den letzten Tagen deö Octobers anlangten. Unterwegs trafen wir schon viele Ab¬ theilungen polnischer Zuzügler, namentlich in Preszow den Capitain Malczynsti mit etwa 100 Mann und in Pesth den Hauptmann Czernik mit einer eben so großen Abtheilung. Wir ersuchten diese Zuzügler nicht eher mit der Negierung Verpflichtungen abzuschließen, bis wir nicht für sie eine vielleicht günstigere Con¬ vention würden abgemacht haben. In Preßburg baten wir beim Präsidenten Kossuth um Audienz, welche wir deu andern Tag erhielten. Schon hatten wir uach einer zweimaligen Konferenz das Zugeständnis; erhalten eine Legion von 15 — 20,000 Mann zu bilden, der Sorge für das künftige Loos der Legiouisten und unbestreitbarer Vortheile für unser Vaterland; es ging nur noch um unbedeutende Abänderungen, da zeigte sich unerwartet Bem in Preßburg und nun ging alles so den Krebsgang, daß Kossuth erklärte, nur mit Uebereinstimmung der übrigen Negiernngsmitgliedcr die Convention unterzeichnen zu können. Der Präsident behandelte uus sehr kalt und vermied uns, erklärte endlich, daß der General Lein sich jeder Convention mit uns widersetze, da unsere Vollmacht von keiner wirklichen Behörde unterzeichnet sei. Die Wuth unsrer jungen Leute über dieses Verfahren Beins war so groß, daß ein junger Mann Kolodziejsli den General anfiel, auf ihn schoß und am Kops leicht verwundete. Bein trat hierauf in einem voll ihm selbst unterschriebenen PaSquil gegen die Demokratie auf, nannte sie die von den Nüssen bezahlte Partei, mich einen moscovitischen Agenten und Anstifter des Mordaufallö. Ich würde mich sell'se beschimpft haben, auf solche Schmähun¬ gen zu antworten, und schwieg, und es scheint, daß die Negierung dieses Schwei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/519>, abgerufen am 01.07.2024.