Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hätten gegen die Throne agitirt ohne einen bestimmten Zweck; wir agitirten zu
Gunsten eiues bestimmten Thrones. Wir haben eine Absicht bei unserer Agitation!
-- Das ist allerdings sehr unhöflich von uns, aber es ist in der That so.

Ja wir agitiren zu Gunsten einer Macht, die uns desavouirt, die uns im
Stillen ebenso haßt, als uns die Großdeutschen hassen -- die Großdeutschen mit
und ohne Handschuhen. Wir thun es auch nicht zu Gefälle" dieses oder jenes
Königs, dieses oder jenes Ministers und es ist daher sehr verkehrt, vou Undank,
Täuschung u. tgi. zu reden. Wir thun es lediglich für "us. Wir glauben, daß
Freiheit, Gesetz, Wohlstand und die höhern Guter des sittlichen Lebens nur
in einem souveränen und mächtigen Staat zu erreichen siud, und diesen Staat
wollen nur wenigstens unsern Kindern hinterlassen, wenn nur selbst uns seiner nicht
mehr erfreuen sollten. -- Zur Bildung eiues solchen Staats führt aber nur Ein
Weg: Absorption der Kleinstaaten dnrch denjenigen Staat, in welchem die Grund¬
lagen künftiger Größe und Freiheit vorhanden siud, oder anders ausgedrückt,
Ausdehnung der Union über ganz Deutschland und allmälige Fortbildung der¬
selben zu einem wirkliche" Staat -- möge dieser Staat Preußen oder Deutschland
heißen, zwei oder drei Farben, oder anch sämmtliche Farben des Regenbogens
in seinem Wappen führen.

In dieser Ueberzeugung und in diesem Bestreben sind wir fest und uner¬
schütterlich. In unserer Ansicht über die Weisheit oder Thorheit der Herren
v. Manteuffel, Nadowitz u. s. w. und von der Zweckmäßigkeit Dessen, was sie
augenblicklich vorhaben, können wir uns freilich einer solchen Consequenz uicht
erfreuen, aus sehr begreiflichen Gründen. Aber wenn wir auch schwanken in un¬
sern einzelnen Bewegungen, wie der Reiter eines unsteten Rosses, so stört dieses
Schwanken die gerade Richtung des Ganzen keineswegs. Wir wissen, daß Preu¬
ßen, trotz des Übeln Willens und der schiefen Einsicht, die seine Staatsmänner
verwirrt, durch eine ebenso unvermeidliche Nothwendigkeit getrieben wird, nach
der Trennung vou Oestreich und der Hegemonie des übrigen Deutschlands zu
streben, als dieses nach der Hegemonie Preußens streben muß. Ja auch Oest¬
reich, trotz seiner ErobernngSgelüstc, muß zuletzt dieses Verhältniß für sich selbst
als das zweckmäßigste anerkennen. Da die Sache so steht, haben wir nicht Noth,
ungeduldig zu werden und dem Laufe der Geschichte vorzugreifen; wir sind nicht
pressirt. In Beziehung auf diesen Punkt reicht die stille Propaganda vollkommen
aus, und wir thun am besten, uus direct in die nächsten Schritte gar nicht zu
mischen. Preußen ist doch zuletzt zu dem ersten Schritte gekommen, der auf
die richtige Bahn lenkt; es hat die Uuiousbehvrdc constituirt; der Bruch mit
Frankfurt muß und wird darauf folgen, darauf die parlamentarische Ergänzung
jener ersten Anous-Anlage, nud dann wird es sich seinerseits veranlaßt sehen,
mit uns in irgeud ein Verhältniß zu treten.

Allein ein anderer Umstand erfordert unsere ganze Wachsamkeit. Weil die


61*

hätten gegen die Throne agitirt ohne einen bestimmten Zweck; wir agitirten zu
Gunsten eiues bestimmten Thrones. Wir haben eine Absicht bei unserer Agitation!
— Das ist allerdings sehr unhöflich von uns, aber es ist in der That so.

Ja wir agitiren zu Gunsten einer Macht, die uns desavouirt, die uns im
Stillen ebenso haßt, als uns die Großdeutschen hassen — die Großdeutschen mit
und ohne Handschuhen. Wir thun es auch nicht zu Gefälle« dieses oder jenes
Königs, dieses oder jenes Ministers und es ist daher sehr verkehrt, vou Undank,
Täuschung u. tgi. zu reden. Wir thun es lediglich für »us. Wir glauben, daß
Freiheit, Gesetz, Wohlstand und die höhern Guter des sittlichen Lebens nur
in einem souveränen und mächtigen Staat zu erreichen siud, und diesen Staat
wollen nur wenigstens unsern Kindern hinterlassen, wenn nur selbst uns seiner nicht
mehr erfreuen sollten. — Zur Bildung eiues solchen Staats führt aber nur Ein
Weg: Absorption der Kleinstaaten dnrch denjenigen Staat, in welchem die Grund¬
lagen künftiger Größe und Freiheit vorhanden siud, oder anders ausgedrückt,
Ausdehnung der Union über ganz Deutschland und allmälige Fortbildung der¬
selben zu einem wirkliche« Staat — möge dieser Staat Preußen oder Deutschland
heißen, zwei oder drei Farben, oder anch sämmtliche Farben des Regenbogens
in seinem Wappen führen.

In dieser Ueberzeugung und in diesem Bestreben sind wir fest und uner¬
schütterlich. In unserer Ansicht über die Weisheit oder Thorheit der Herren
v. Manteuffel, Nadowitz u. s. w. und von der Zweckmäßigkeit Dessen, was sie
augenblicklich vorhaben, können wir uns freilich einer solchen Consequenz uicht
erfreuen, aus sehr begreiflichen Gründen. Aber wenn wir auch schwanken in un¬
sern einzelnen Bewegungen, wie der Reiter eines unsteten Rosses, so stört dieses
Schwanken die gerade Richtung des Ganzen keineswegs. Wir wissen, daß Preu¬
ßen, trotz des Übeln Willens und der schiefen Einsicht, die seine Staatsmänner
verwirrt, durch eine ebenso unvermeidliche Nothwendigkeit getrieben wird, nach
der Trennung vou Oestreich und der Hegemonie des übrigen Deutschlands zu
streben, als dieses nach der Hegemonie Preußens streben muß. Ja auch Oest¬
reich, trotz seiner ErobernngSgelüstc, muß zuletzt dieses Verhältniß für sich selbst
als das zweckmäßigste anerkennen. Da die Sache so steht, haben wir nicht Noth,
ungeduldig zu werden und dem Laufe der Geschichte vorzugreifen; wir sind nicht
pressirt. In Beziehung auf diesen Punkt reicht die stille Propaganda vollkommen
aus, und wir thun am besten, uus direct in die nächsten Schritte gar nicht zu
mischen. Preußen ist doch zuletzt zu dem ersten Schritte gekommen, der auf
die richtige Bahn lenkt; es hat die Uuiousbehvrdc constituirt; der Bruch mit
Frankfurt muß und wird darauf folgen, darauf die parlamentarische Ergänzung
jener ersten Anous-Anlage, nud dann wird es sich seinerseits veranlaßt sehen,
mit uns in irgeud ein Verhältniß zu treten.

Allein ein anderer Umstand erfordert unsere ganze Wachsamkeit. Weil die


61*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185828"/>
          <p xml:id="ID_1890" prev="#ID_1889"> hätten gegen die Throne agitirt ohne einen bestimmten Zweck; wir agitirten zu<lb/>
Gunsten eiues bestimmten Thrones. Wir haben eine Absicht bei unserer Agitation!<lb/>
&#x2014; Das ist allerdings sehr unhöflich von uns, aber es ist in der That so.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1891"> Ja wir agitiren zu Gunsten einer Macht, die uns desavouirt, die uns im<lb/>
Stillen ebenso haßt, als uns die Großdeutschen hassen &#x2014; die Großdeutschen mit<lb/>
und ohne Handschuhen. Wir thun es auch nicht zu Gefälle« dieses oder jenes<lb/>
Königs, dieses oder jenes Ministers und es ist daher sehr verkehrt, vou Undank,<lb/>
Täuschung u. tgi. zu reden. Wir thun es lediglich für »us. Wir glauben, daß<lb/>
Freiheit, Gesetz, Wohlstand und die höhern Guter des sittlichen Lebens nur<lb/>
in einem souveränen und mächtigen Staat zu erreichen siud, und diesen Staat<lb/>
wollen nur wenigstens unsern Kindern hinterlassen, wenn nur selbst uns seiner nicht<lb/>
mehr erfreuen sollten. &#x2014; Zur Bildung eiues solchen Staats führt aber nur Ein<lb/>
Weg: Absorption der Kleinstaaten dnrch denjenigen Staat, in welchem die Grund¬<lb/>
lagen künftiger Größe und Freiheit vorhanden siud, oder anders ausgedrückt,<lb/>
Ausdehnung der Union über ganz Deutschland und allmälige Fortbildung der¬<lb/>
selben zu einem wirkliche« Staat &#x2014; möge dieser Staat Preußen oder Deutschland<lb/>
heißen, zwei oder drei Farben, oder anch sämmtliche Farben des Regenbogens<lb/>
in seinem Wappen führen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1892"> In dieser Ueberzeugung und in diesem Bestreben sind wir fest und uner¬<lb/>
schütterlich. In unserer Ansicht über die Weisheit oder Thorheit der Herren<lb/>
v. Manteuffel, Nadowitz u. s. w. und von der Zweckmäßigkeit Dessen, was sie<lb/>
augenblicklich vorhaben, können wir uns freilich einer solchen Consequenz uicht<lb/>
erfreuen, aus sehr begreiflichen Gründen. Aber wenn wir auch schwanken in un¬<lb/>
sern einzelnen Bewegungen, wie der Reiter eines unsteten Rosses, so stört dieses<lb/>
Schwanken die gerade Richtung des Ganzen keineswegs. Wir wissen, daß Preu¬<lb/>
ßen, trotz des Übeln Willens und der schiefen Einsicht, die seine Staatsmänner<lb/>
verwirrt, durch eine ebenso unvermeidliche Nothwendigkeit getrieben wird, nach<lb/>
der Trennung vou Oestreich und der Hegemonie des übrigen Deutschlands zu<lb/>
streben, als dieses nach der Hegemonie Preußens streben muß. Ja auch Oest¬<lb/>
reich, trotz seiner ErobernngSgelüstc, muß zuletzt dieses Verhältniß für sich selbst<lb/>
als das zweckmäßigste anerkennen. Da die Sache so steht, haben wir nicht Noth,<lb/>
ungeduldig zu werden und dem Laufe der Geschichte vorzugreifen; wir sind nicht<lb/>
pressirt. In Beziehung auf diesen Punkt reicht die stille Propaganda vollkommen<lb/>
aus, und wir thun am besten, uus direct in die nächsten Schritte gar nicht zu<lb/>
mischen. Preußen ist doch zuletzt zu dem ersten Schritte gekommen, der auf<lb/>
die richtige Bahn lenkt; es hat die Uuiousbehvrdc constituirt; der Bruch mit<lb/>
Frankfurt muß und wird darauf folgen, darauf die parlamentarische Ergänzung<lb/>
jener ersten Anous-Anlage, nud dann wird es sich seinerseits veranlaßt sehen,<lb/>
mit uns in irgeud ein Verhältniß zu treten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1893" next="#ID_1894"> Allein ein anderer Umstand erfordert unsere ganze Wachsamkeit.  Weil die</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 61*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0491] hätten gegen die Throne agitirt ohne einen bestimmten Zweck; wir agitirten zu Gunsten eiues bestimmten Thrones. Wir haben eine Absicht bei unserer Agitation! — Das ist allerdings sehr unhöflich von uns, aber es ist in der That so. Ja wir agitiren zu Gunsten einer Macht, die uns desavouirt, die uns im Stillen ebenso haßt, als uns die Großdeutschen hassen — die Großdeutschen mit und ohne Handschuhen. Wir thun es auch nicht zu Gefälle« dieses oder jenes Königs, dieses oder jenes Ministers und es ist daher sehr verkehrt, vou Undank, Täuschung u. tgi. zu reden. Wir thun es lediglich für »us. Wir glauben, daß Freiheit, Gesetz, Wohlstand und die höhern Guter des sittlichen Lebens nur in einem souveränen und mächtigen Staat zu erreichen siud, und diesen Staat wollen nur wenigstens unsern Kindern hinterlassen, wenn nur selbst uns seiner nicht mehr erfreuen sollten. — Zur Bildung eiues solchen Staats führt aber nur Ein Weg: Absorption der Kleinstaaten dnrch denjenigen Staat, in welchem die Grund¬ lagen künftiger Größe und Freiheit vorhanden siud, oder anders ausgedrückt, Ausdehnung der Union über ganz Deutschland und allmälige Fortbildung der¬ selben zu einem wirkliche« Staat — möge dieser Staat Preußen oder Deutschland heißen, zwei oder drei Farben, oder anch sämmtliche Farben des Regenbogens in seinem Wappen führen. In dieser Ueberzeugung und in diesem Bestreben sind wir fest und uner¬ schütterlich. In unserer Ansicht über die Weisheit oder Thorheit der Herren v. Manteuffel, Nadowitz u. s. w. und von der Zweckmäßigkeit Dessen, was sie augenblicklich vorhaben, können wir uns freilich einer solchen Consequenz uicht erfreuen, aus sehr begreiflichen Gründen. Aber wenn wir auch schwanken in un¬ sern einzelnen Bewegungen, wie der Reiter eines unsteten Rosses, so stört dieses Schwanken die gerade Richtung des Ganzen keineswegs. Wir wissen, daß Preu¬ ßen, trotz des Übeln Willens und der schiefen Einsicht, die seine Staatsmänner verwirrt, durch eine ebenso unvermeidliche Nothwendigkeit getrieben wird, nach der Trennung vou Oestreich und der Hegemonie des übrigen Deutschlands zu streben, als dieses nach der Hegemonie Preußens streben muß. Ja auch Oest¬ reich, trotz seiner ErobernngSgelüstc, muß zuletzt dieses Verhältniß für sich selbst als das zweckmäßigste anerkennen. Da die Sache so steht, haben wir nicht Noth, ungeduldig zu werden und dem Laufe der Geschichte vorzugreifen; wir sind nicht pressirt. In Beziehung auf diesen Punkt reicht die stille Propaganda vollkommen aus, und wir thun am besten, uus direct in die nächsten Schritte gar nicht zu mischen. Preußen ist doch zuletzt zu dem ersten Schritte gekommen, der auf die richtige Bahn lenkt; es hat die Uuiousbehvrdc constituirt; der Bruch mit Frankfurt muß und wird darauf folgen, darauf die parlamentarische Ergänzung jener ersten Anous-Anlage, nud dann wird es sich seinerseits veranlaßt sehen, mit uns in irgeud ein Verhältniß zu treten. Allein ein anderer Umstand erfordert unsere ganze Wachsamkeit. Weil die 61*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/491
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/491>, abgerufen am 28.09.2024.