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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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vier Du cateil und ein besäbelter Studio". Doch ich will suchen, mich
verständlicher zu machen.

Unter den vielen Rechten, welcher der ungarische Edelmann genoß, war gewiß
das ",ius draeliü" eines der bedeutendsten und eigenthümlichsten. Dies bestand
darin, daß in einem Rechtsakte zwischen zwei Edelleuten, wo die Verwickelung der
Verhältnisse und die Mangelhaftigkeit des Landescodex die Fällung eines defini¬
tiven Urtheils erschwerten oder gar unmöglich machten, die streitenden Parteien,
oder vielmehr deren Anwälte vor dein streitigen Hanse, Ackerfeld oder Weingarten
erschienen, und sich ihr Recht mit der Faust z" erkämpfen suchten. Der Anwalt
des inaelus erschien, in Nationaleostüm, mit dein Säbel an der Seite, und einer
Anzahl Unterthanen des bisherigen Besitzers und stellte sich mit denselben vor dem
in Frage stehenden Gute in Schlachtordnung ans. Der Anwalt des Aetorö erschien
ebenfalls in Begleitung einer Anzahl Bauern und forderte den erstem feierlich ans,
ihm das in Frage stehende Gut für N. N. wegen angeführter Gründe zu über¬
lasse". Dies wurde natürlich verweigert, und nun entstand ein Stoßen und
Drängen von beiden Seiten, die Anwälte zogen ihre Säbel und begannen zur
Belustigung der zahlreichen Zuschauer ein Scheingefecht, das nie zu blutigen Auf¬
tritten führte und immer damit endigte, daß der Anwalt des Klägers weichen und
dem alten Besitzer das Gut überlassen mußte; nur soviel hatte er gewonnen, daß
er durch diesen Scheinangriff das Recht erlangte, den Prozeß mit neuen Docu-
menten wieder erneuern nud seinem Meuten neue -- Gebühren abnehmen zu
tonnen.

Dieses famose ,of brant,!! hat sich von dem Rechtsgebiete anch ans die
Schule verpflanzt. Der junge Edelmann sah hier nämlich sein Recht als Mitglied
des alleinigen " poMas vvrlwe/ianus" schrecklich bedroht; denn es konnte dem
Sohne eines bürgerlichen Schustermeisters oder gar eines Handelsjuden einfallen,
die Schulbibliothek recht fleißig eiuzubüfselu, und sich dadurch die ersten Classen
in der Schule zu vindiciren; dem mußte also vorgebeugt werden, und der "us^"
trat anch hier zum Schutz der verbrieften Rechte seiner Lieblinge in die Schranken. Er
leitete nämlich folgendes Verfahren ein. Einige Tage vor der Prüfung erschien der
Vater oder Vormund des jungen man^ (Edelmann), der ganz andere Dinge als
mathematische Probleme und Syllogismen im Kopfe hatte, beim Herrn Professor,
erlegte die Taxe von zwei bis vier Ducaten (sie war in den verschiedenen
Lehranstalten, verschieden) mit der Erklärung, sein Sohn, Neffe oder Mündel
wünsche zu "defendiren" ; der Herr Professor zog aus dem reichen Füllhorn
seines Wissens einen Zettel, worauf eine Thesis aus den vorgetragene" Wissen¬
schaften mit beigefügte" Anmerkungen nud Argumentationen geschrieben waren,
und welche dann von dein gebornen Gesetzgeber einstudirt wurde". Am Tage des
Gerichts erschie" der junge. Arpadide in Nationaleostüm, mit dem Säbel an der
Seite, bespornt und befranst, betrat die Cathedra und declamirte von da aus in


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vier Du cateil und ein besäbelter Studio". Doch ich will suchen, mich
verständlicher zu machen.

Unter den vielen Rechten, welcher der ungarische Edelmann genoß, war gewiß
das „,ius draeliü" eines der bedeutendsten und eigenthümlichsten. Dies bestand
darin, daß in einem Rechtsakte zwischen zwei Edelleuten, wo die Verwickelung der
Verhältnisse und die Mangelhaftigkeit des Landescodex die Fällung eines defini¬
tiven Urtheils erschwerten oder gar unmöglich machten, die streitenden Parteien,
oder vielmehr deren Anwälte vor dein streitigen Hanse, Ackerfeld oder Weingarten
erschienen, und sich ihr Recht mit der Faust z» erkämpfen suchten. Der Anwalt
des inaelus erschien, in Nationaleostüm, mit dein Säbel an der Seite, und einer
Anzahl Unterthanen des bisherigen Besitzers und stellte sich mit denselben vor dem
in Frage stehenden Gute in Schlachtordnung ans. Der Anwalt des Aetorö erschien
ebenfalls in Begleitung einer Anzahl Bauern und forderte den erstem feierlich ans,
ihm das in Frage stehende Gut für N. N. wegen angeführter Gründe zu über¬
lasse». Dies wurde natürlich verweigert, und nun entstand ein Stoßen und
Drängen von beiden Seiten, die Anwälte zogen ihre Säbel und begannen zur
Belustigung der zahlreichen Zuschauer ein Scheingefecht, das nie zu blutigen Auf¬
tritten führte und immer damit endigte, daß der Anwalt des Klägers weichen und
dem alten Besitzer das Gut überlassen mußte; nur soviel hatte er gewonnen, daß
er durch diesen Scheinangriff das Recht erlangte, den Prozeß mit neuen Docu-
menten wieder erneuern nud seinem Meuten neue — Gebühren abnehmen zu
tonnen.

Dieses famose ,of brant,!! hat sich von dem Rechtsgebiete anch ans die
Schule verpflanzt. Der junge Edelmann sah hier nämlich sein Recht als Mitglied
des alleinigen „ poMas vvrlwe/ianus" schrecklich bedroht; denn es konnte dem
Sohne eines bürgerlichen Schustermeisters oder gar eines Handelsjuden einfallen,
die Schulbibliothek recht fleißig eiuzubüfselu, und sich dadurch die ersten Classen
in der Schule zu vindiciren; dem mußte also vorgebeugt werden, und der „us^"
trat anch hier zum Schutz der verbrieften Rechte seiner Lieblinge in die Schranken. Er
leitete nämlich folgendes Verfahren ein. Einige Tage vor der Prüfung erschien der
Vater oder Vormund des jungen man^ (Edelmann), der ganz andere Dinge als
mathematische Probleme und Syllogismen im Kopfe hatte, beim Herrn Professor,
erlegte die Taxe von zwei bis vier Ducaten (sie war in den verschiedenen
Lehranstalten, verschieden) mit der Erklärung, sein Sohn, Neffe oder Mündel
wünsche zu „defendiren" ; der Herr Professor zog aus dem reichen Füllhorn
seines Wissens einen Zettel, worauf eine Thesis aus den vorgetragene» Wissen¬
schaften mit beigefügte» Anmerkungen nud Argumentationen geschrieben waren,
und welche dann von dein gebornen Gesetzgeber einstudirt wurde». Am Tage des
Gerichts erschie» der junge. Arpadide in Nationaleostüm, mit dem Säbel an der
Seite, bespornt und befranst, betrat die Cathedra und declamirte von da aus in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/427>, abgerufen am 03.07.2024.