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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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zu wenig diese Herausforderung; sie zeigen zu iveuig, daß sie es sind, die dein
Staat eine von der Demokratie angefeindete Richtung geben, und wenn sie eS ge¬
legentlich sagen, so glaubt man ihnen schwer.

DaS Königthum soll aber zu heilig sein, um sich in jene Partei zu versenken,
welche die Partei über das Vaterland stellt; denen, ähnlich wie den Rothen, ihre
Parteigenossen in Rußland und Oestreich näher stehen, als ihre Mitbürger von
anderer Färbung. Preußen kaun nur dadurch groß werden, ja es kann nnr da¬
durch existiren, wenn seine Bürger ohne Unterschied mehr Preußen sind, als Legi-
timisten, Liberale oder Demokraten. Das Vaterland steht über der Partei, so
soll es anch das Königthum. -- --

Noch eine Bemerkung kaun ich nicht unterdrücken. Die Organe der Reaction
fordern im Tone eines Inquisitors die gesammie Presse auf, die Art und Weise
ihrer Empfindungen über jenen verbrecherischen Versuch auszusprechen, um nach
dem Grade deS darin enthaltenen Patriotismus die Duldung abzumessen, welche
mau ihr zu gewähren habe.

Wir halten dafür, daß kein Patriotismus dazu gehört, ein Verbrechen als
Verbrechen zu empfinden. Um einen Mörder zu verabscheuen, braucht man nicht
diese oder jene Cocarde am Hut zu tragen.

Wir wissen ferner, daß die unmittelbare Erschütterung über ein Verbrechen
sich nach der Stärke deS Bandes richtet, welches uns mit demjenigen verknüpft,
gegen den das Verbrechen sich richtete. Die Verlesung eines Verwandten berührt
uns näher, als die Verlegung eines Fremden; ein Attentat gegen unsern König,
den Mittelpunkt unseres politischen Lebens, den Repräsentanten unserer Geschichte,
näher, als ein Attentat gegen Louis Philipp oder gegen Königin Victoria.

Wenn aber der Nnndschaner der Kreiszeitung das gesammte preußische Volk
auffordert, Buße zu thun in Sack und Asche für das Verbrechen eines Einzelnen,
weil mit diesem die ganze Station sich entehrt habe, so muß die Nation diese Ansicht,
als ob sie es erst nöthig habe, zu erkläre", daß sie eine" Mord für ein Verbre¬
chen halte, mit tiefer Verachtung zurückweisen. -- Was wir von der Nacht des
18. März, was wir von dem Badischen Aufstand ans unsere Schultern zu nehmen
haben, ist eine andere Sache. Es gibt Kreise im Volt -- und es ist diese
Richtung auf das Entschiedenste zu bekämpfen -- die durch eine Jnsurrection unter
Umständen der geselMhen Entwickelung vorgreifen zu müssen glauben; es gibt
aber keine Sphäre im Volk, die im Meuchelmord das Werkzeug der Befreiung
sucht. -- Die Nation wird den Bnsitag uicht halten, denn ihre Hand und ihr
Herz ist rein vou diesem Verbrechen.

Wir möchten eher der Reaction empfehlen, einen Bußtag auszuschreiben für
die Schmach, die sie sich selber in Kassel zugefügt hat. Bei uns ist es nicht
vorgekommen, daß wir einen, eines diffamirenden Verbrechens Bezüchtigteu, in
den Rath unsers Königs eingeführt hätten.




zu wenig diese Herausforderung; sie zeigen zu iveuig, daß sie es sind, die dein
Staat eine von der Demokratie angefeindete Richtung geben, und wenn sie eS ge¬
legentlich sagen, so glaubt man ihnen schwer.

DaS Königthum soll aber zu heilig sein, um sich in jene Partei zu versenken,
welche die Partei über das Vaterland stellt; denen, ähnlich wie den Rothen, ihre
Parteigenossen in Rußland und Oestreich näher stehen, als ihre Mitbürger von
anderer Färbung. Preußen kaun nur dadurch groß werden, ja es kann nnr da¬
durch existiren, wenn seine Bürger ohne Unterschied mehr Preußen sind, als Legi-
timisten, Liberale oder Demokraten. Das Vaterland steht über der Partei, so
soll es anch das Königthum. — —

Noch eine Bemerkung kaun ich nicht unterdrücken. Die Organe der Reaction
fordern im Tone eines Inquisitors die gesammie Presse auf, die Art und Weise
ihrer Empfindungen über jenen verbrecherischen Versuch auszusprechen, um nach
dem Grade deS darin enthaltenen Patriotismus die Duldung abzumessen, welche
mau ihr zu gewähren habe.

Wir halten dafür, daß kein Patriotismus dazu gehört, ein Verbrechen als
Verbrechen zu empfinden. Um einen Mörder zu verabscheuen, braucht man nicht
diese oder jene Cocarde am Hut zu tragen.

Wir wissen ferner, daß die unmittelbare Erschütterung über ein Verbrechen
sich nach der Stärke deS Bandes richtet, welches uns mit demjenigen verknüpft,
gegen den das Verbrechen sich richtete. Die Verlesung eines Verwandten berührt
uns näher, als die Verlegung eines Fremden; ein Attentat gegen unsern König,
den Mittelpunkt unseres politischen Lebens, den Repräsentanten unserer Geschichte,
näher, als ein Attentat gegen Louis Philipp oder gegen Königin Victoria.

Wenn aber der Nnndschaner der Kreiszeitung das gesammte preußische Volk
auffordert, Buße zu thun in Sack und Asche für das Verbrechen eines Einzelnen,
weil mit diesem die ganze Station sich entehrt habe, so muß die Nation diese Ansicht,
als ob sie es erst nöthig habe, zu erkläre», daß sie eine» Mord für ein Verbre¬
chen halte, mit tiefer Verachtung zurückweisen. — Was wir von der Nacht des
18. März, was wir von dem Badischen Aufstand ans unsere Schultern zu nehmen
haben, ist eine andere Sache. Es gibt Kreise im Volt — und es ist diese
Richtung auf das Entschiedenste zu bekämpfen — die durch eine Jnsurrection unter
Umständen der geselMhen Entwickelung vorgreifen zu müssen glauben; es gibt
aber keine Sphäre im Volk, die im Meuchelmord das Werkzeug der Befreiung
sucht. — Die Nation wird den Bnsitag uicht halten, denn ihre Hand und ihr
Herz ist rein vou diesem Verbrechen.

Wir möchten eher der Reaction empfehlen, einen Bußtag auszuschreiben für
die Schmach, die sie sich selber in Kassel zugefügt hat. Bei uns ist es nicht
vorgekommen, daß wir einen, eines diffamirenden Verbrechens Bezüchtigteu, in
den Rath unsers Königs eingeführt hätten.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/373>, abgerufen am 22.07.2024.