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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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kratischen Blatter und die Demagogen das Volk direct aufgefordert, Fractur-
schrift zu schreiben.

ES ist nur aber völlig unbekannt, daß damals, oder jetzt, oder zu irgend
einer Zeit ein demokratisches Blatt die Lehre aufgestellt hatte, daß der Königs-
mord etwas Erlaubtes sei, oder daß an das Leben deö jetzigen Königs von
Preußen der Sieg der conservativen Partei geknüpft sei, daß durch seinen Tod
die Sache der Demokratie gefördert werden könne.

Etwas der Art müßte doch aber vorgekommen sein, wenn man jenes Ver¬
brechen mit der Demokratie in Verbindung bringen wollte. -- Bei den Königö-
mördern Jacques Clement und Ravaillac stand die Sache anders. Diese waren
nicht nur dnrch Jesuiten unmittelbar z>l ihrer Schandthat angereiht, mit all dem
Mißbrauch kirchlicher Formen, durch welche dieser schändliche Orden, der jetzt
wieder die Hauptstütze der Legitimität geworden ist, auf schwärmerische Gemüther
eine so unheilige Wirkung ausübte; sondern der Orden hatte in seinen offiziellen
Schriften, die von seinen Obern sanctionirt waren, offen und ausführlich
die Lehre vorgetragen, daß der Mord eines ketzerischen Königs erlaubt und
unter Umständen geboten sei. --- Wenn man also damals den Jesuiten den Mord
beider Könige zuschrieb, so hatte man eine positive Grundlage für diese Be¬
hauptung.

Der Königsmord ist nicht eine Erfindung der Demokratie; er ist vorzugs¬
weise herrschend in despotischen Staaten: in Staaten, wo der Wille des
Ein einen über dem Gesetz steht, und das Leben dieses Einzelnen (eines Nero?e.)
schädlicher sei" kauu, als die Erschütterung, welche das göttliche und menschliche
Recht durch seinen Tod erleidet. Im römischen Kaiserreich, in der jüdischen
Theokraiie, bei den Byzantinern, den Türken und den Nüssen sind die meisten
Königsmorde vorgekommen.

Die Königsmorde der neuesten Zeit -- ich erinnere an Gustav >!!,, Peter 1l.,
Paul I. -- ginge" theils von ungeduldigen Erben ans, theils von der aristo¬
kratischen Reaction, welche sich des gekrönten liberalen Neuerers entledigen wollte.

Selbst der an einem Könige begangene Justizmord, den man in der Negel
der Demokratie zuschreibt, ist die Nachahmung einer monarchischen Unthat. ---
Karl I. war der Enkel der Maria Stuart. Eine Königin ist es, welche die
Welt darüber belehrt hat, daß die Majestät nicht vor dem Schaffot schützt. --

Wollte man sagen, die Demokratie trage darum die Mitschuld an dem
Morde, weil sie den Haß der blinden Menge gegen die Person des Königs von
Preuße", gelenkt hat, so ist Folgendes darauf zu ecwiederu. -- Einmal fallen
diese Aufreizungen meist in das Jahr Damals ist kein Attentat vorge¬
kommen, während lange vorher der abgesetzte Bürgermeister Thebens, von Privat¬
rache getrieben, sein Pistol auf den König abschoß. In der letzten Zeit sind die
Augriffe gegen die Person deö Königs viel seltener geworden, und wenn man


kratischen Blatter und die Demagogen das Volk direct aufgefordert, Fractur-
schrift zu schreiben.

ES ist nur aber völlig unbekannt, daß damals, oder jetzt, oder zu irgend
einer Zeit ein demokratisches Blatt die Lehre aufgestellt hatte, daß der Königs-
mord etwas Erlaubtes sei, oder daß an das Leben deö jetzigen Königs von
Preußen der Sieg der conservativen Partei geknüpft sei, daß durch seinen Tod
die Sache der Demokratie gefördert werden könne.

Etwas der Art müßte doch aber vorgekommen sein, wenn man jenes Ver¬
brechen mit der Demokratie in Verbindung bringen wollte. — Bei den Königö-
mördern Jacques Clement und Ravaillac stand die Sache anders. Diese waren
nicht nur dnrch Jesuiten unmittelbar z>l ihrer Schandthat angereiht, mit all dem
Mißbrauch kirchlicher Formen, durch welche dieser schändliche Orden, der jetzt
wieder die Hauptstütze der Legitimität geworden ist, auf schwärmerische Gemüther
eine so unheilige Wirkung ausübte; sondern der Orden hatte in seinen offiziellen
Schriften, die von seinen Obern sanctionirt waren, offen und ausführlich
die Lehre vorgetragen, daß der Mord eines ketzerischen Königs erlaubt und
unter Umständen geboten sei. —- Wenn man also damals den Jesuiten den Mord
beider Könige zuschrieb, so hatte man eine positive Grundlage für diese Be¬
hauptung.

Der Königsmord ist nicht eine Erfindung der Demokratie; er ist vorzugs¬
weise herrschend in despotischen Staaten: in Staaten, wo der Wille des
Ein einen über dem Gesetz steht, und das Leben dieses Einzelnen (eines Nero?e.)
schädlicher sei» kauu, als die Erschütterung, welche das göttliche und menschliche
Recht durch seinen Tod erleidet. Im römischen Kaiserreich, in der jüdischen
Theokraiie, bei den Byzantinern, den Türken und den Nüssen sind die meisten
Königsmorde vorgekommen.

Die Königsmorde der neuesten Zeit — ich erinnere an Gustav >!!,, Peter 1l.,
Paul I. — ginge» theils von ungeduldigen Erben ans, theils von der aristo¬
kratischen Reaction, welche sich des gekrönten liberalen Neuerers entledigen wollte.

Selbst der an einem Könige begangene Justizmord, den man in der Negel
der Demokratie zuschreibt, ist die Nachahmung einer monarchischen Unthat. —-
Karl I. war der Enkel der Maria Stuart. Eine Königin ist es, welche die
Welt darüber belehrt hat, daß die Majestät nicht vor dem Schaffot schützt. —

Wollte man sagen, die Demokratie trage darum die Mitschuld an dem
Morde, weil sie den Haß der blinden Menge gegen die Person des Königs von
Preuße», gelenkt hat, so ist Folgendes darauf zu ecwiederu. — Einmal fallen
diese Aufreizungen meist in das Jahr Damals ist kein Attentat vorge¬
kommen, während lange vorher der abgesetzte Bürgermeister Thebens, von Privat¬
rache getrieben, sein Pistol auf den König abschoß. In der letzten Zeit sind die
Augriffe gegen die Person deö Königs viel seltener geworden, und wenn man


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[0370] kratischen Blatter und die Demagogen das Volk direct aufgefordert, Fractur- schrift zu schreiben. ES ist nur aber völlig unbekannt, daß damals, oder jetzt, oder zu irgend einer Zeit ein demokratisches Blatt die Lehre aufgestellt hatte, daß der Königs- mord etwas Erlaubtes sei, oder daß an das Leben deö jetzigen Königs von Preußen der Sieg der conservativen Partei geknüpft sei, daß durch seinen Tod die Sache der Demokratie gefördert werden könne. Etwas der Art müßte doch aber vorgekommen sein, wenn man jenes Ver¬ brechen mit der Demokratie in Verbindung bringen wollte. — Bei den Königö- mördern Jacques Clement und Ravaillac stand die Sache anders. Diese waren nicht nur dnrch Jesuiten unmittelbar z>l ihrer Schandthat angereiht, mit all dem Mißbrauch kirchlicher Formen, durch welche dieser schändliche Orden, der jetzt wieder die Hauptstütze der Legitimität geworden ist, auf schwärmerische Gemüther eine so unheilige Wirkung ausübte; sondern der Orden hatte in seinen offiziellen Schriften, die von seinen Obern sanctionirt waren, offen und ausführlich die Lehre vorgetragen, daß der Mord eines ketzerischen Königs erlaubt und unter Umständen geboten sei. —- Wenn man also damals den Jesuiten den Mord beider Könige zuschrieb, so hatte man eine positive Grundlage für diese Be¬ hauptung. Der Königsmord ist nicht eine Erfindung der Demokratie; er ist vorzugs¬ weise herrschend in despotischen Staaten: in Staaten, wo der Wille des Ein einen über dem Gesetz steht, und das Leben dieses Einzelnen (eines Nero?e.) schädlicher sei» kauu, als die Erschütterung, welche das göttliche und menschliche Recht durch seinen Tod erleidet. Im römischen Kaiserreich, in der jüdischen Theokraiie, bei den Byzantinern, den Türken und den Nüssen sind die meisten Königsmorde vorgekommen. Die Königsmorde der neuesten Zeit — ich erinnere an Gustav >!!,, Peter 1l., Paul I. — ginge» theils von ungeduldigen Erben ans, theils von der aristo¬ kratischen Reaction, welche sich des gekrönten liberalen Neuerers entledigen wollte. Selbst der an einem Könige begangene Justizmord, den man in der Negel der Demokratie zuschreibt, ist die Nachahmung einer monarchischen Unthat. —- Karl I. war der Enkel der Maria Stuart. Eine Königin ist es, welche die Welt darüber belehrt hat, daß die Majestät nicht vor dem Schaffot schützt. — Wollte man sagen, die Demokratie trage darum die Mitschuld an dem Morde, weil sie den Haß der blinden Menge gegen die Person des Königs von Preuße», gelenkt hat, so ist Folgendes darauf zu ecwiederu. — Einmal fallen diese Aufreizungen meist in das Jahr Damals ist kein Attentat vorge¬ kommen, während lange vorher der abgesetzte Bürgermeister Thebens, von Privat¬ rache getrieben, sein Pistol auf den König abschoß. In der letzten Zeit sind die Augriffe gegen die Person deö Königs viel seltener geworden, und wenn man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/370>, abgerufen am 22.07.2024.