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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Gelegenheit hatten, von dem Fleiß und den Kämpfen des armen Studio Notiz zu
nehmen, seinen Leide" ein Ende machen, indem sie ihn zu sich ins Haus nehmen
und als Famulus oder Erzieher bei kleinen Kindern gebrauchen.

In seinem Aeußern ist der tot. elent nichts weniger als eine elegante, aber auch
keineswegs abschreckende Erscheinung. Das blonde Haar, dem die Mutter beim
Abschied zum ersten Male mit der Scheere nahete, trägt der >.se 60ÜK immer ge¬
glättet und ungelockt; das blaue Auge blickt zwar nicht ohne Scheu, aber immer
mit Herzlichkeit auf seine Gönner; die mehr breite als hohe Stirn, die trotz aller Noth
immer frischen, rosigen Wangen und die offenen etwas gestülpten Nüstern mit dem
hervorstehenden Kinn, lassen die Energie und den Eifer ahnen, der einst den
Berufsmann charakterisiere" wird., und der starke, stämmige Ban seines Körpers
sichert ihm den Sieg über alle Entbehrungen. Die Bekleidung ist meist armselig,
aber reinlich, oft geflickt, aber nie zerrissen. Die Beine werden von einer engen
Pantalon ans grobem Tuch oder ordinärem Sommerstoff bedeckt, kann nur mit
Mühe über die breiten großen. Stiefeln herabgezogen werden und endigt mit
einem bedeutenden Minus von 3--4 Zoll oberhalb der Knöchel. Die Brust
ist in ein enges Gilet von bunten Kattun, ein Ueberrest des heimathlichen Journals,
gesperrt, der Rock ist meist aus blauem Tuche, hat einen kurzen Leib und lauge
Schöße, der Kops trägt eine nach deu östreichischen Commodlappen geformte Mütze
mit einem graden horizontal stehenden Schirm. Die Mangelhaftigkeit der Di¬
mensionen in den Kleidungsstücken des tot üvük hat meist in dem Mißverhältniß
zwischen dem Wachsthum seines Körpers und dem seiner Kasse ihrem Grund;
indessen ist dieser eigenthüntliche Anzug nur bei dem tot alunt, der ans seiner
Heimath kommt, anzutreffen, später, wemr sich seine Gönner vermehrt haben, wird
sein Körper ein wahrer Trvdlcrkram, wo man die verschiedenen Modell und
Süchanöanzüge beisammen findet.

Der tot acuto widmet sich, wie bereits erwähnt, meist dem geistlichen Stande,
und der ungarische EleruS hat manchen, großen Namen auszuweisen, der nrsprlulglich
einem tot <!ont gehörte. Alis thuen werden später die meisten Gymnasiallehrer,
die besten Dorf- und Städtcpfarrer und nicht selten Bischöfe und hohe Würden¬
träger der Kirche. Ja, Kaiser Ferdinand wurde voll einem ungarischen Neichsprimas
gekrönt, der in seiner Jugend zu dieser armen Burschenschaft gehörte. Er hieß
Nudnai, war aus KrizS bei Neustadtl an der Wag vou armen Banerneltern geboren,
und lebt, wegen seiner hohen Geistesgaben und besonders wegen des prachtvollen
Gra-mer Doms, den er zu bauen anfing, in dem Andenken aller ungarischen Katho¬
liken. Uebrigens geht der >."l u^-ik noch eine Methaniorphose ein, die auf sein
ganzes Leben einen bedeutenden Einfluß.übt; er wird nämlich vollkommen ma-
gyarisirt, und obwohl er für immer das Magyarische etwas breit spricht, so ist er
doch ein fleißiger Bearbeiter der magyarischen Literatur, und diese zählt manchen
derselben zu ihren besten Vertretern, und selbst wenn er durch sein Amt in seine


Gelegenheit hatten, von dem Fleiß und den Kämpfen des armen Studio Notiz zu
nehmen, seinen Leide» ein Ende machen, indem sie ihn zu sich ins Haus nehmen
und als Famulus oder Erzieher bei kleinen Kindern gebrauchen.

In seinem Aeußern ist der tot. elent nichts weniger als eine elegante, aber auch
keineswegs abschreckende Erscheinung. Das blonde Haar, dem die Mutter beim
Abschied zum ersten Male mit der Scheere nahete, trägt der >.se 60ÜK immer ge¬
glättet und ungelockt; das blaue Auge blickt zwar nicht ohne Scheu, aber immer
mit Herzlichkeit auf seine Gönner; die mehr breite als hohe Stirn, die trotz aller Noth
immer frischen, rosigen Wangen und die offenen etwas gestülpten Nüstern mit dem
hervorstehenden Kinn, lassen die Energie und den Eifer ahnen, der einst den
Berufsmann charakterisiere» wird., und der starke, stämmige Ban seines Körpers
sichert ihm den Sieg über alle Entbehrungen. Die Bekleidung ist meist armselig,
aber reinlich, oft geflickt, aber nie zerrissen. Die Beine werden von einer engen
Pantalon ans grobem Tuch oder ordinärem Sommerstoff bedeckt, kann nur mit
Mühe über die breiten großen. Stiefeln herabgezogen werden und endigt mit
einem bedeutenden Minus von 3—4 Zoll oberhalb der Knöchel. Die Brust
ist in ein enges Gilet von bunten Kattun, ein Ueberrest des heimathlichen Journals,
gesperrt, der Rock ist meist aus blauem Tuche, hat einen kurzen Leib und lauge
Schöße, der Kops trägt eine nach deu östreichischen Commodlappen geformte Mütze
mit einem graden horizontal stehenden Schirm. Die Mangelhaftigkeit der Di¬
mensionen in den Kleidungsstücken des tot üvük hat meist in dem Mißverhältniß
zwischen dem Wachsthum seines Körpers und dem seiner Kasse ihrem Grund;
indessen ist dieser eigenthüntliche Anzug nur bei dem tot alunt, der ans seiner
Heimath kommt, anzutreffen, später, wemr sich seine Gönner vermehrt haben, wird
sein Körper ein wahrer Trvdlcrkram, wo man die verschiedenen Modell und
Süchanöanzüge beisammen findet.

Der tot acuto widmet sich, wie bereits erwähnt, meist dem geistlichen Stande,
und der ungarische EleruS hat manchen, großen Namen auszuweisen, der nrsprlulglich
einem tot <!ont gehörte. Alis thuen werden später die meisten Gymnasiallehrer,
die besten Dorf- und Städtcpfarrer und nicht selten Bischöfe und hohe Würden¬
träger der Kirche. Ja, Kaiser Ferdinand wurde voll einem ungarischen Neichsprimas
gekrönt, der in seiner Jugend zu dieser armen Burschenschaft gehörte. Er hieß
Nudnai, war aus KrizS bei Neustadtl an der Wag vou armen Banerneltern geboren,
und lebt, wegen seiner hohen Geistesgaben und besonders wegen des prachtvollen
Gra-mer Doms, den er zu bauen anfing, in dem Andenken aller ungarischen Katho¬
liken. Uebrigens geht der >.«l u^-ik noch eine Methaniorphose ein, die auf sein
ganzes Leben einen bedeutenden Einfluß.übt; er wird nämlich vollkommen ma-
gyarisirt, und obwohl er für immer das Magyarische etwas breit spricht, so ist er
doch ein fleißiger Bearbeiter der magyarischen Literatur, und diese zählt manchen
derselben zu ihren besten Vertretern, und selbst wenn er durch sein Amt in seine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/359>, abgerufen am 01.07.2024.