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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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trvffenen i'ulvr et'aar^lau und ü-alvr pinvurna; vor ihnen ans dem Tische stehen
mehre geleerte und zu leerende Flaschen, anch an Braten ist kein Mangel, und
die frommen Männer scheinen die Leiden Christi, die in mehreren Bildern an
die Wand gemalt sind, gänzlich vergessen zu haben, obwohl der Wandkalender
anzeigt, daß eben heute Charfreitag ist. Man kann sich deuten, wie empört ein
tutor prot, über solch' frevelhafte Angriffe auf seine Ordensgelübde sein muß;
er sängt an zu inquiriren, zu drohen, zu schiiupsen, allein es will ihm nicht ge¬
lingen, dem Verbrecher aus die Spur zu kommen; indessen hat die Uhr X) ge¬
schlagen, er entläßt also seine Schüler, gibt nam aber die feierliche Versicherung,
nicht eher sein Haupt ruhig niederlegen zu wollen, bis er der Schlange ans
den Kopf getreten hat. Nach Mittag beginnt mit einiger Abwechselung wieder
das Spiel von heute Morgen; einige des Attentats Verdächtige werden provo¬
cirt und mit solcher Strenge über ihre Aufgabe geprüft, daß sie endlich erliegen
müssen nud mit sentio^ oder oil^ac> regalirt werden.

Nachdem dieses Spiel nenn Monate gedauert hat, wird ein Monat mit
Correctaschreiben und den Peüfnngen ausgefüllt. Zur Leitern erscheinen die
Professoren, der juten' 5>nur">ii.ur, der Rector, oft der Provineial des Klosters
und einige Honoratioren der Stadt. Die Jungen werden nach dem Alphabet
provocirt und müssen nun ihre durch i) Monate aufgespeicherte Gelehrsamkeit
auskramen. Das Ganze endigt gewöhnlich mit der höchsten Zufriedenheit der
anwesenden Gäste, mit einer BelobnngSrede des Rectors oder Proviucials für
Lehrer und Schüler, und der Gymnasiast steigt nach deu Ferien nur eine Classe
höher, oder geht, wenn er in der ^c-xkc war, in den philosophischen Curs über.
Ncjeetionen finden an den Gymnasien selten statt.

Bevor ich dies Kapüel schließe, habe ich noch eine Crscheinung zu er¬
wähnen, die in Ungarn eine ziemlich laritirte und zur Beurtheilung der
Nationalitätsverhältnisse nicht ohne Interesse ist. In Dentschland würde man
sie mit den Worten "armer Studio" bezeichnen, in Ungarn heißt sie "l,,l >><-"><"
(slowakischer Student). Der >"!, ne-ik ist immer ein Nordslave und nnr aus¬
schließlich ans katholischen Gymnasien anzutreffen '). Der Vater muß in den
Sommermonaten seine Heimath verlassen, um sich ans deu reichen Kornfeldern
der Magyaren das Brod mit dem Schweiße seines Angesichts zu erarbeiten; hat er
einen Sohn, der Neigung zum geistlichen Stande zeigt, was bei nordslavischen
Bauern sehr hänfig der Fall ist, den er aber in den heimathlichen Schulen nicht



Wer dem März durften katholische Knaben auf keiner protestantische" Schule stu-
dire", während den Protestanten und Juden jede Sehnte erkant't war. Seit dem März
haben "ichrcrc Katholiken dies Gesetz <I>- l'"et.o aufgehoben, indem sie ihre Kinder in die
besser bestellten protestantischen Schulen schickten. Die neue Kirchenordnung und die Jesuiten,
die wir früher in Ungarn gar nicht kannte" und die schon fiir Ofen a"gelu"tige sind, werde"
diese Abtrünnige" in de" Schooß der allein seligmachenden Lehrhallen zurückführen.

trvffenen i'ulvr et'aar^lau und ü-alvr pinvurna; vor ihnen ans dem Tische stehen
mehre geleerte und zu leerende Flaschen, anch an Braten ist kein Mangel, und
die frommen Männer scheinen die Leiden Christi, die in mehreren Bildern an
die Wand gemalt sind, gänzlich vergessen zu haben, obwohl der Wandkalender
anzeigt, daß eben heute Charfreitag ist. Man kann sich deuten, wie empört ein
tutor prot, über solch' frevelhafte Angriffe auf seine Ordensgelübde sein muß;
er sängt an zu inquiriren, zu drohen, zu schiiupsen, allein es will ihm nicht ge¬
lingen, dem Verbrecher aus die Spur zu kommen; indessen hat die Uhr X) ge¬
schlagen, er entläßt also seine Schüler, gibt nam aber die feierliche Versicherung,
nicht eher sein Haupt ruhig niederlegen zu wollen, bis er der Schlange ans
den Kopf getreten hat. Nach Mittag beginnt mit einiger Abwechselung wieder
das Spiel von heute Morgen; einige des Attentats Verdächtige werden provo¬
cirt und mit solcher Strenge über ihre Aufgabe geprüft, daß sie endlich erliegen
müssen nud mit sentio^ oder oil^ac> regalirt werden.

Nachdem dieses Spiel nenn Monate gedauert hat, wird ein Monat mit
Correctaschreiben und den Peüfnngen ausgefüllt. Zur Leitern erscheinen die
Professoren, der juten' 5>nur«>ii.ur, der Rector, oft der Provineial des Klosters
und einige Honoratioren der Stadt. Die Jungen werden nach dem Alphabet
provocirt und müssen nun ihre durch i) Monate aufgespeicherte Gelehrsamkeit
auskramen. Das Ganze endigt gewöhnlich mit der höchsten Zufriedenheit der
anwesenden Gäste, mit einer BelobnngSrede des Rectors oder Proviucials für
Lehrer und Schüler, und der Gymnasiast steigt nach deu Ferien nur eine Classe
höher, oder geht, wenn er in der ^c-xkc war, in den philosophischen Curs über.
Ncjeetionen finden an den Gymnasien selten statt.

Bevor ich dies Kapüel schließe, habe ich noch eine Crscheinung zu er¬
wähnen, die in Ungarn eine ziemlich laritirte und zur Beurtheilung der
Nationalitätsverhältnisse nicht ohne Interesse ist. In Dentschland würde man
sie mit den Worten „armer Studio" bezeichnen, in Ungarn heißt sie „l,,l >><-»><"
(slowakischer Student). Der >»!, ne-ik ist immer ein Nordslave und nnr aus¬
schließlich ans katholischen Gymnasien anzutreffen '). Der Vater muß in den
Sommermonaten seine Heimath verlassen, um sich ans deu reichen Kornfeldern
der Magyaren das Brod mit dem Schweiße seines Angesichts zu erarbeiten; hat er
einen Sohn, der Neigung zum geistlichen Stande zeigt, was bei nordslavischen
Bauern sehr hänfig der Fall ist, den er aber in den heimathlichen Schulen nicht



Wer dem März durften katholische Knaben auf keiner protestantische» Schule stu-
dire», während den Protestanten und Juden jede Sehnte erkant't war. Seit dem März
haben »ichrcrc Katholiken dies Gesetz <I>- l'»et.o aufgehoben, indem sie ihre Kinder in die
besser bestellten protestantischen Schulen schickten. Die neue Kirchenordnung und die Jesuiten,
die wir früher in Ungarn gar nicht kannte» und die schon fiir Ofen a»gelu»tige sind, werde»
diese Abtrünnige» in de» Schooß der allein seligmachenden Lehrhallen zurückführen.
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[0357] trvffenen i'ulvr et'aar^lau und ü-alvr pinvurna; vor ihnen ans dem Tische stehen mehre geleerte und zu leerende Flaschen, anch an Braten ist kein Mangel, und die frommen Männer scheinen die Leiden Christi, die in mehreren Bildern an die Wand gemalt sind, gänzlich vergessen zu haben, obwohl der Wandkalender anzeigt, daß eben heute Charfreitag ist. Man kann sich deuten, wie empört ein tutor prot, über solch' frevelhafte Angriffe auf seine Ordensgelübde sein muß; er sängt an zu inquiriren, zu drohen, zu schiiupsen, allein es will ihm nicht ge¬ lingen, dem Verbrecher aus die Spur zu kommen; indessen hat die Uhr X) ge¬ schlagen, er entläßt also seine Schüler, gibt nam aber die feierliche Versicherung, nicht eher sein Haupt ruhig niederlegen zu wollen, bis er der Schlange ans den Kopf getreten hat. Nach Mittag beginnt mit einiger Abwechselung wieder das Spiel von heute Morgen; einige des Attentats Verdächtige werden provo¬ cirt und mit solcher Strenge über ihre Aufgabe geprüft, daß sie endlich erliegen müssen nud mit sentio^ oder oil^ac> regalirt werden. Nachdem dieses Spiel nenn Monate gedauert hat, wird ein Monat mit Correctaschreiben und den Peüfnngen ausgefüllt. Zur Leitern erscheinen die Professoren, der juten' 5>nur«>ii.ur, der Rector, oft der Provineial des Klosters und einige Honoratioren der Stadt. Die Jungen werden nach dem Alphabet provocirt und müssen nun ihre durch i) Monate aufgespeicherte Gelehrsamkeit auskramen. Das Ganze endigt gewöhnlich mit der höchsten Zufriedenheit der anwesenden Gäste, mit einer BelobnngSrede des Rectors oder Proviucials für Lehrer und Schüler, und der Gymnasiast steigt nach deu Ferien nur eine Classe höher, oder geht, wenn er in der ^c-xkc war, in den philosophischen Curs über. Ncjeetionen finden an den Gymnasien selten statt. Bevor ich dies Kapüel schließe, habe ich noch eine Crscheinung zu er¬ wähnen, die in Ungarn eine ziemlich laritirte und zur Beurtheilung der Nationalitätsverhältnisse nicht ohne Interesse ist. In Dentschland würde man sie mit den Worten „armer Studio" bezeichnen, in Ungarn heißt sie „l,,l >><-»><" (slowakischer Student). Der >»!, ne-ik ist immer ein Nordslave und nnr aus¬ schließlich ans katholischen Gymnasien anzutreffen '). Der Vater muß in den Sommermonaten seine Heimath verlassen, um sich ans deu reichen Kornfeldern der Magyaren das Brod mit dem Schweiße seines Angesichts zu erarbeiten; hat er einen Sohn, der Neigung zum geistlichen Stande zeigt, was bei nordslavischen Bauern sehr hänfig der Fall ist, den er aber in den heimathlichen Schulen nicht Wer dem März durften katholische Knaben auf keiner protestantische» Schule stu- dire», während den Protestanten und Juden jede Sehnte erkant't war. Seit dem März haben »ichrcrc Katholiken dies Gesetz <I>- l'»et.o aufgehoben, indem sie ihre Kinder in die besser bestellten protestantischen Schulen schickten. Die neue Kirchenordnung und die Jesuiten, die wir früher in Ungarn gar nicht kannte» und die schon fiir Ofen a»gelu»tige sind, werde» diese Abtrünnige» in de» Schooß der allein seligmachenden Lehrhallen zurückführen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/357>, abgerufen am 22.07.2024.