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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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letzten Zwanziger daran, um seinem Stückchen Geltung nild Nllert'ellnnng zu ver¬
schaffen, und verziehe es seinem besten Freunde nicht, wenn er an diesem vnluni.
etwas auszusetzen wagte. Zinn aber bleibt selbst diese unschuldige Unge¬
zogenheit von der Militärherrschaft nicht verschont; in einer Verordnung der
Militärpvlizei wird den in den Gasthäusern musicirenden Zigeunerbanden an¬
befohlen, ihre Plöner uach einem gewissen vorgelegten Program vorzutragen und
t eines derselbe" zu wiederholen. Diese Maßregel soll, uach dem Wortlaute der
Verordnung zur Verhinderung von Ruhestörungen dienen, aber ich fürchte sehr,
daß die Wirkung dem Zwecke gerade entgegengesetzt sein dürste.

Außer dieser Verordnung beschäftigt in den letzten Tagen die Entsetzung
mehrerer Unwersitätsprofefsoren die Gemüther. Die Individuell, welche durch
dieses Säbeldecret für immer aus den Hörsälen verbannt werden, sind die in
ihren Fächern befähigtsten, und es dürfte fast unmöglich sein, sie zu ersetzen. Die
Exeommuilicirten send Folgende: Dalassa, Professor der chirurgischen Klinik;
Dugüt, Professor der Physiologie, Pathologie und Pharmarkologie für Chirurgen;
Tipula, Prof. der Rechte; Peczelt, Prof. der prall. Geonletrie für Ingenieure;
Srabn, Prof, der Theologie. Das sonderbarste in dieser Maßregel ist, daß die
Meisten dieser Lehrer in den Märztagen von den Studirenden als Reactionäre
gehaßt und angefeindet wurden; ja gegen Tipula lind Peczelt sind Studenten-
versammlungen abgehalten und einstinimig beschlossen worden, das Cnltuöminifte-
vinm durch eine Deputation nul Entfernnlig dieser dem Fortschritt feindlichen
Individuen von der Hochschule zu ersuchen, was anch voll Eötvös versprochen
wurde, und nun vou Hayuau ausgeführt wird. Von Dalassa, dem besten Ope¬
rateur Ungarns, heißt eS, daß er wieder restituirt wird.

Für jetzt ist die Aufmerksamkeit der Einwohner durch zwei neue Ereignisse
von diesem Gegenstand abgezogen. Erstens sind in den. letzten Tagen mehrere
Truppenabtheililugen und besonders zahlreiches Geschütz uach den untern Gren¬
zen abgegangen. Die Radikalen jauchzen, denn der Krieg mit der Türkei, mit
England, ja sogar mit Rußland steht vor der Thüre, und eine vou deu krieg¬
führenden Parteien wird doch immer die gefesselte Pannonia befreien und zu
seiner Bundesgenossin machen wollen. Die Gutgesinnten deuten auf die Macht
Oestreichs hiu, das selbst gegen seinen treuesten VnndcSgenossen gerüstet ist
und die Interessen der Monarchie in deu Donaufürstenthümern sichern will
u. s. w. So viel ist gewiß, daß an der südlichen Grenze in, der Linie von Kron¬
stäbe bis Semlin ein, ObservationScorpö aufgestellt ist, und daß Hayuau bald
uach seiner Rückkehr nach der Grenze reisen wird, um dort persönlich den Ober¬
befehl zu leiten, während Lichtenstein seinen Posten in der Hauptstadt vertritt.

Zweitens wurden am 1. Mai zwei Compagnien ungarischer Grenadiere ent¬
waffnet und unter starker Escorte hier eingebracht?, und bis jetzt so bewacht,
daß es noch Niemanden gelingen konnte, etwas über die Veranlassung dieser


letzten Zwanziger daran, um seinem Stückchen Geltung nild Nllert'ellnnng zu ver¬
schaffen, und verziehe es seinem besten Freunde nicht, wenn er an diesem vnluni.
etwas auszusetzen wagte. Zinn aber bleibt selbst diese unschuldige Unge¬
zogenheit von der Militärherrschaft nicht verschont; in einer Verordnung der
Militärpvlizei wird den in den Gasthäusern musicirenden Zigeunerbanden an¬
befohlen, ihre Plöner uach einem gewissen vorgelegten Program vorzutragen und
t eines derselbe» zu wiederholen. Diese Maßregel soll, uach dem Wortlaute der
Verordnung zur Verhinderung von Ruhestörungen dienen, aber ich fürchte sehr,
daß die Wirkung dem Zwecke gerade entgegengesetzt sein dürste.

Außer dieser Verordnung beschäftigt in den letzten Tagen die Entsetzung
mehrerer Unwersitätsprofefsoren die Gemüther. Die Individuell, welche durch
dieses Säbeldecret für immer aus den Hörsälen verbannt werden, sind die in
ihren Fächern befähigtsten, und es dürfte fast unmöglich sein, sie zu ersetzen. Die
Exeommuilicirten send Folgende: Dalassa, Professor der chirurgischen Klinik;
Dugüt, Professor der Physiologie, Pathologie und Pharmarkologie für Chirurgen;
Tipula, Prof. der Rechte; Peczelt, Prof. der prall. Geonletrie für Ingenieure;
Srabn, Prof, der Theologie. Das sonderbarste in dieser Maßregel ist, daß die
Meisten dieser Lehrer in den Märztagen von den Studirenden als Reactionäre
gehaßt und angefeindet wurden; ja gegen Tipula lind Peczelt sind Studenten-
versammlungen abgehalten und einstinimig beschlossen worden, das Cnltuöminifte-
vinm durch eine Deputation nul Entfernnlig dieser dem Fortschritt feindlichen
Individuen von der Hochschule zu ersuchen, was anch voll Eötvös versprochen
wurde, und nun vou Hayuau ausgeführt wird. Von Dalassa, dem besten Ope¬
rateur Ungarns, heißt eS, daß er wieder restituirt wird.

Für jetzt ist die Aufmerksamkeit der Einwohner durch zwei neue Ereignisse
von diesem Gegenstand abgezogen. Erstens sind in den. letzten Tagen mehrere
Truppenabtheililugen und besonders zahlreiches Geschütz uach den untern Gren¬
zen abgegangen. Die Radikalen jauchzen, denn der Krieg mit der Türkei, mit
England, ja sogar mit Rußland steht vor der Thüre, und eine vou deu krieg¬
führenden Parteien wird doch immer die gefesselte Pannonia befreien und zu
seiner Bundesgenossin machen wollen. Die Gutgesinnten deuten auf die Macht
Oestreichs hiu, das selbst gegen seinen treuesten VnndcSgenossen gerüstet ist
und die Interessen der Monarchie in deu Donaufürstenthümern sichern will
u. s. w. So viel ist gewiß, daß an der südlichen Grenze in, der Linie von Kron¬
stäbe bis Semlin ein, ObservationScorpö aufgestellt ist, und daß Hayuau bald
uach seiner Rückkehr nach der Grenze reisen wird, um dort persönlich den Ober¬
befehl zu leiten, während Lichtenstein seinen Posten in der Hauptstadt vertritt.

Zweitens wurden am 1. Mai zwei Compagnien ungarischer Grenadiere ent¬
waffnet und unter starker Escorte hier eingebracht?, und bis jetzt so bewacht,
daß es noch Niemanden gelingen konnte, etwas über die Veranlassung dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/322>, abgerufen am 01.07.2024.