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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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neral Wardener, der seine Vereinigung mit Urban nicht hatte bewerkstelligen kön¬
nen, war mit seiner Truppe nach Thorda gegangen. Urbün flüchtete sich l'el
Nacht und Nebel nach Naszod in seinen Grenzbezirk.

Die von so vielen Bedrängnissen heimgesuchten Cnyeder lebten bei dieser
Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer noch denselben Abend in der Stadt verbreitet
hatte, weiter auf. Allgemein hofften sie, Bem werde über Thorda und Enyed
gegen Heemauustadt operiren und die Stadt endlich von den Feinden befreien. --
Aber der polnische General wollte nicht, die Carlöburger Festung im Rücken, durch
einen schnellen Angriff ans Hermannstadt, von Enyed her, seinen Rückzug compro-
mittiren, außerdem war uoch Oberst Urian's Corps in Bistritz, und mußte zuvor
beseitigt werden, ehe an deu Kampf mit der Macht des M. L. Puchncr, welche
den Ungarn an regulären Militär allein schon zweifach überlegen war, gedacht werden
konnte. Deshalb marschirte Bem am 28. Januar nach Bistritz, schlug Oberst
Urian und nöthigte ihn, rastlos in dem strengsten Winterfroste seinen Schritten
folgend, in der Bukowina eine Zuflucht zu suchen. Nach Bistrijz zurückgekehrt,
ruhte er mit seinen ermüdeten Truppen einige Tage in dieser sächsischen Stadt
ans, und legte ihr eine allerdings starke Contribution ans, die jedoch endlich ans
den ganzen District repartirt wurde. Sodann rückte er nach Zurücklassung einer
nicht unbedeutenden Abtheilung im Tchulzer Passe mit der Hauptmacht, -- etwa
3600 Maun gegen MaroS Vüs^rhely vor, während sein rechter Flügel uuter Oberst
Ezccz von Klansenbnrg aus auf der Maroslinie operiren und vor Hermannstadt
sich mit ihm vereinigen sollte. -- Durch diese Combination wurde Enyed gänzlich
blosgestellt, indem anch das Czeezische Corps, statt den Ort zu berühren, von
Thorda aus links abschwenkte und ans BMsfalva marschirte.

Der zweite Weihnachtöfeiertag, welcher den Enyedern eine so freudige Botschaft
als Christgescheuk brachte, gab auch der Familie der Wittwe wieder einmal
Freiidenstnnden.

" Noch lebt der alte Gott Ungarns, noch liebt er das Volk, das er 1000 Jahre
lang geliebt und geschützt hat," sprach die Szeklerin, "darum gehe ich, einen
Punsch zu machen, wir wollen die Ungarn und den berühmten polnischen General
leben lassen."

Draußen war grimmiger Frost. Der Wind erhob sich von Zeit zu Zeit und
erschütterte mit furchtbarer Kraft Fenster und Thüren, peitschte die Menschen, so
ans der Straße gingell, vor sich her, und drehte die zerstreuten Papiere, aus-
gestopften Vögel, Schlangen und anderes Gethier, das der Muthwille der Sol¬
daten und Landstürmer umhergeworfen, und schlenderte sie an die festgefrorenen
Fenster der Hänser, daß die Inwohner hoch zusammenführen. Cs war keine
günstige Zeit zum Kriegführen, und doch hatten die Bem'schen Soldaten Tags
vorher bei gleich ungestümer und kalter Witterung einen zwölfstündigen Marsch
gemacht.


neral Wardener, der seine Vereinigung mit Urban nicht hatte bewerkstelligen kön¬
nen, war mit seiner Truppe nach Thorda gegangen. Urbün flüchtete sich l'el
Nacht und Nebel nach Naszod in seinen Grenzbezirk.

Die von so vielen Bedrängnissen heimgesuchten Cnyeder lebten bei dieser
Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer noch denselben Abend in der Stadt verbreitet
hatte, weiter auf. Allgemein hofften sie, Bem werde über Thorda und Enyed
gegen Heemauustadt operiren und die Stadt endlich von den Feinden befreien. —
Aber der polnische General wollte nicht, die Carlöburger Festung im Rücken, durch
einen schnellen Angriff ans Hermannstadt, von Enyed her, seinen Rückzug compro-
mittiren, außerdem war uoch Oberst Urian's Corps in Bistritz, und mußte zuvor
beseitigt werden, ehe an deu Kampf mit der Macht des M. L. Puchncr, welche
den Ungarn an regulären Militär allein schon zweifach überlegen war, gedacht werden
konnte. Deshalb marschirte Bem am 28. Januar nach Bistritz, schlug Oberst
Urian und nöthigte ihn, rastlos in dem strengsten Winterfroste seinen Schritten
folgend, in der Bukowina eine Zuflucht zu suchen. Nach Bistrijz zurückgekehrt,
ruhte er mit seinen ermüdeten Truppen einige Tage in dieser sächsischen Stadt
ans, und legte ihr eine allerdings starke Contribution ans, die jedoch endlich ans
den ganzen District repartirt wurde. Sodann rückte er nach Zurücklassung einer
nicht unbedeutenden Abtheilung im Tchulzer Passe mit der Hauptmacht, — etwa
3600 Maun gegen MaroS Vüs^rhely vor, während sein rechter Flügel uuter Oberst
Ezccz von Klansenbnrg aus auf der Maroslinie operiren und vor Hermannstadt
sich mit ihm vereinigen sollte. — Durch diese Combination wurde Enyed gänzlich
blosgestellt, indem anch das Czeezische Corps, statt den Ort zu berühren, von
Thorda aus links abschwenkte und ans BMsfalva marschirte.

Der zweite Weihnachtöfeiertag, welcher den Enyedern eine so freudige Botschaft
als Christgescheuk brachte, gab auch der Familie der Wittwe wieder einmal
Freiidenstnnden.

„ Noch lebt der alte Gott Ungarns, noch liebt er das Volk, das er 1000 Jahre
lang geliebt und geschützt hat," sprach die Szeklerin, „darum gehe ich, einen
Punsch zu machen, wir wollen die Ungarn und den berühmten polnischen General
leben lassen."

Draußen war grimmiger Frost. Der Wind erhob sich von Zeit zu Zeit und
erschütterte mit furchtbarer Kraft Fenster und Thüren, peitschte die Menschen, so
ans der Straße gingell, vor sich her, und drehte die zerstreuten Papiere, aus-
gestopften Vögel, Schlangen und anderes Gethier, das der Muthwille der Sol¬
daten und Landstürmer umhergeworfen, und schlenderte sie an die festgefrorenen
Fenster der Hänser, daß die Inwohner hoch zusammenführen. Cs war keine
günstige Zeit zum Kriegführen, und doch hatten die Bem'schen Soldaten Tags
vorher bei gleich ungestümer und kalter Witterung einen zwölfstündigen Marsch
gemacht.


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[0320] neral Wardener, der seine Vereinigung mit Urban nicht hatte bewerkstelligen kön¬ nen, war mit seiner Truppe nach Thorda gegangen. Urbün flüchtete sich l'el Nacht und Nebel nach Naszod in seinen Grenzbezirk. Die von so vielen Bedrängnissen heimgesuchten Cnyeder lebten bei dieser Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer noch denselben Abend in der Stadt verbreitet hatte, weiter auf. Allgemein hofften sie, Bem werde über Thorda und Enyed gegen Heemauustadt operiren und die Stadt endlich von den Feinden befreien. — Aber der polnische General wollte nicht, die Carlöburger Festung im Rücken, durch einen schnellen Angriff ans Hermannstadt, von Enyed her, seinen Rückzug compro- mittiren, außerdem war uoch Oberst Urian's Corps in Bistritz, und mußte zuvor beseitigt werden, ehe an deu Kampf mit der Macht des M. L. Puchncr, welche den Ungarn an regulären Militär allein schon zweifach überlegen war, gedacht werden konnte. Deshalb marschirte Bem am 28. Januar nach Bistritz, schlug Oberst Urian und nöthigte ihn, rastlos in dem strengsten Winterfroste seinen Schritten folgend, in der Bukowina eine Zuflucht zu suchen. Nach Bistrijz zurückgekehrt, ruhte er mit seinen ermüdeten Truppen einige Tage in dieser sächsischen Stadt ans, und legte ihr eine allerdings starke Contribution ans, die jedoch endlich ans den ganzen District repartirt wurde. Sodann rückte er nach Zurücklassung einer nicht unbedeutenden Abtheilung im Tchulzer Passe mit der Hauptmacht, — etwa 3600 Maun gegen MaroS Vüs^rhely vor, während sein rechter Flügel uuter Oberst Ezccz von Klansenbnrg aus auf der Maroslinie operiren und vor Hermannstadt sich mit ihm vereinigen sollte. — Durch diese Combination wurde Enyed gänzlich blosgestellt, indem anch das Czeezische Corps, statt den Ort zu berühren, von Thorda aus links abschwenkte und ans BMsfalva marschirte. Der zweite Weihnachtöfeiertag, welcher den Enyedern eine so freudige Botschaft als Christgescheuk brachte, gab auch der Familie der Wittwe wieder einmal Freiidenstnnden. „ Noch lebt der alte Gott Ungarns, noch liebt er das Volk, das er 1000 Jahre lang geliebt und geschützt hat," sprach die Szeklerin, „darum gehe ich, einen Punsch zu machen, wir wollen die Ungarn und den berühmten polnischen General leben lassen." Draußen war grimmiger Frost. Der Wind erhob sich von Zeit zu Zeit und erschütterte mit furchtbarer Kraft Fenster und Thüren, peitschte die Menschen, so ans der Straße gingell, vor sich her, und drehte die zerstreuten Papiere, aus- gestopften Vögel, Schlangen und anderes Gethier, das der Muthwille der Sol¬ daten und Landstürmer umhergeworfen, und schlenderte sie an die festgefrorenen Fenster der Hänser, daß die Inwohner hoch zusammenführen. Cs war keine günstige Zeit zum Kriegführen, und doch hatten die Bem'schen Soldaten Tags vorher bei gleich ungestümer und kalter Witterung einen zwölfstündigen Marsch gemacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/320>, abgerufen am 24.08.2024.