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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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nach Hause schickten. Auch in Thorda hatten sie -- dort waren es Holtaner --
mit deutscher Gründlichkeit ihr Plünderungösystem durchgeführt. -- Dies sind
Thatsache", die von den Sachsen nicht abgeleugnet werden können. -- Im refor-
mirten Kollegium zu Enyed hatte kaiserliches Militär, wiewohl mäßiger, mit den
Andern, den Sachsen und Walachen, sich brüderlich in die reiche Leute der Mün¬
zen- und Medailleusammluug der Bibliothek und des Museums getheilt. Kost¬
bare Gemälde, Kupferstiche und Bücher von hohem Werthe wurden abermals ans
Wagen geladen und mit Frachtscheinen in das Sachsenland versendet. Die unge¬
bildeteren Soldaten "ud Walachei, heizten mit den Schätzen der Wissenschaft die
Oefen ihrer Quartiere und spielten in Mußestunden Fangball mit Folianten und
O.markanten, bis diese von den Bayonnetspiizen zerrissen und zersetzt waren. --
Tartaren, Türken und Caraffa's Soldaten hatten dadurch, daß sie sich weder um
die Bibliothek, uoch um das Museum und die Münzensammlung bekümmerten
und sie gar nicht berührten, größere Rohheit und Barbarei an den Tag gelegt,
als Sachsen, Walachen und Grenzer A'., die doch nachher von sich sagen konnten,
sie hätten sich mit den Erzeugnissen des menschlichen Geistes beschäftigt und sogar
zur Verbreitung nützlicher Kenntniße uuter dem Volke beigetragen, denn sie hatten
allerdings die Bücher uuter die Leute gebracht und die Münzensammlung unter
Viele vertheilt. Freilich, wenn z. B. ein Sachse IW Bände Folianten ver¬
schiedener Werte aus all allen Zweigen der Wissenschaft mit heimbrachte, so hatte
er von Allem Etwas, und während die Söhne des einen z. B. den I!net"1i> ^
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wenigstens einen Band zu besitzen. Ist doch unser Wissen Stückwerk! Um dem
Enyeder Publikum Naturgeschichte, Physik, Chemie, praktisch anschaulich zu machen,
wurde ein großer Theil des Museums, des physikalischen Cabinets und des che¬
mischen Laboratoriums auf die Straße geworfen. Es fehlte nnr an Professoren,
um Vorträge im Freien zu halten, da man in der Straße des Kollegiums buch¬
stäblich fast bei jedem Schritte auf irgeud einen interessanten Gegenstand stieß.
War man der Bewunderung eines Kolibris müde, so streifte das Auge gleich
darauf eine seltene Ausgabe eines Klassikers, "in dann ans dem Bruchstücke einer Elek-
trisirmaschine zu ruhen. Alles lag gemüthlich im weißen Schnee zusammen. Für die
kostbare Münzensammlung soll sich besonders das Grenzermilitär interessirt haben,
und wie ich höre trugen Alle mit redlichem Eiser dazu bei, so viel als möglich
zu retten, um in ruhigeren Zeiten die zerstreuten Münzen dem Collegium zurück¬
zuerstatten. Läßt sich auch leider diese Absicht uicht mehr verwirklichen, weil das Kolle¬
gium in der Morduacht abbrannte, so besitzen doch diese Tapferen goldene und
silberne Erinnerungen an die schönen Stunden, die sie in Enyed im Studium
des antiken, mittelalterlichen und neueren Münzwesens zubrachte.

Dieses systematische Uebergehen der Besitztümer aus den Händen von Leuten
eines Stammes in diejenigen mehrerer Stämme dauerte bereits seit Wochen


nach Hause schickten. Auch in Thorda hatten sie — dort waren es Holtaner —
mit deutscher Gründlichkeit ihr Plünderungösystem durchgeführt. — Dies sind
Thatsache», die von den Sachsen nicht abgeleugnet werden können. — Im refor-
mirten Kollegium zu Enyed hatte kaiserliches Militär, wiewohl mäßiger, mit den
Andern, den Sachsen und Walachen, sich brüderlich in die reiche Leute der Mün¬
zen- und Medailleusammluug der Bibliothek und des Museums getheilt. Kost¬
bare Gemälde, Kupferstiche und Bücher von hohem Werthe wurden abermals ans
Wagen geladen und mit Frachtscheinen in das Sachsenland versendet. Die unge¬
bildeteren Soldaten »ud Walachei, heizten mit den Schätzen der Wissenschaft die
Oefen ihrer Quartiere und spielten in Mußestunden Fangball mit Folianten und
O.markanten, bis diese von den Bayonnetspiizen zerrissen und zersetzt waren. —
Tartaren, Türken und Caraffa's Soldaten hatten dadurch, daß sie sich weder um
die Bibliothek, uoch um das Museum und die Münzensammlung bekümmerten
und sie gar nicht berührten, größere Rohheit und Barbarei an den Tag gelegt,
als Sachsen, Walachen und Grenzer A'., die doch nachher von sich sagen konnten,
sie hätten sich mit den Erzeugnissen des menschlichen Geistes beschäftigt und sogar
zur Verbreitung nützlicher Kenntniße uuter dem Volke beigetragen, denn sie hatten
allerdings die Bücher uuter die Leute gebracht und die Münzensammlung unter
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Enyeder Publikum Naturgeschichte, Physik, Chemie, praktisch anschaulich zu machen,
wurde ein großer Theil des Museums, des physikalischen Cabinets und des che¬
mischen Laboratoriums auf die Straße geworfen. Es fehlte nnr an Professoren,
um Vorträge im Freien zu halten, da man in der Straße des Kollegiums buch¬
stäblich fast bei jedem Schritte auf irgeud einen interessanten Gegenstand stieß.
War man der Bewunderung eines Kolibris müde, so streifte das Auge gleich
darauf eine seltene Ausgabe eines Klassikers, »in dann ans dem Bruchstücke einer Elek-
trisirmaschine zu ruhen. Alles lag gemüthlich im weißen Schnee zusammen. Für die
kostbare Münzensammlung soll sich besonders das Grenzermilitär interessirt haben,
und wie ich höre trugen Alle mit redlichem Eiser dazu bei, so viel als möglich
zu retten, um in ruhigeren Zeiten die zerstreuten Münzen dem Collegium zurück¬
zuerstatten. Läßt sich auch leider diese Absicht uicht mehr verwirklichen, weil das Kolle¬
gium in der Morduacht abbrannte, so besitzen doch diese Tapferen goldene und
silberne Erinnerungen an die schönen Stunden, die sie in Enyed im Studium
des antiken, mittelalterlichen und neueren Münzwesens zubrachte.

Dieses systematische Uebergehen der Besitztümer aus den Händen von Leuten
eines Stammes in diejenigen mehrerer Stämme dauerte bereits seit Wochen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/318>, abgerufen am 22.07.2024.