Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wahrscheinlich mit Pulver und Blei. Die Ansicht jedoch, daß die Italiener sich
l'eenen werden, ihre Papiermünzen gegen Staatsschnldpapiere umzutauschen, ist
eine vorherrschende, und hat ihren natürlichen Grund in Folgendem:

Das Geldpapier, die IMIeM, sind nur im Lande auszugeben, und außerhalb
der lombardisch-venetianischen Provinz, in Trieft und im italienischen Tirol kaum
mit großem Verlust anzubringen; östreich. Staatspapiere aber haben an jeder
Börse einen Cours, und selbst große Summen finden, wenn auch mit Nachlaß,
augenblickliche Käufer gegen baare Münze. Für 100 si. (300 Lire) in LiglistU
bekommt man jetzt beiläufig 82 si. Silber; der Cours der Sprocent. Metalliques
ist beiläufig 79--80 haar. Die Abgeber der.MBeU,i hatten daher blos eine
Steuer von 3 bis -4 Procent zu zahlen, wären aber sonach von allen Chancen
befreit, welche die Cvursdisfereuzeu zwischen Papier und Silber aufbürden.

Mau glaubt daher, daß die Italiener die 120 Mill. Lire vollständig sub-
scribiren und früher einzahlen werden, als bestimmt ist; hingegen wird der Bvr-
senmarkt mit diesen Fonds überschüttet werden, da die Italiener eben so wenig
Vertrauen in östreich. Staats-, als in östreich. Geldpapiereu haben. Ein Steigen
der Metall- und ein Fallen der Papiercourse ist die nächste Folge; der Finanz-
minister aber hat wieder einen Tag verlebt.

Wenn auch vielleicht hiermit eine Besserung der Geldverhältnisse im Verkehr
der italienischen Provinz erzielt wird, so geht doch das ganze Manoeuvre spurlos
am Gesanuuistaate vorüber. Die Summe von 40 Mill. Gulden ist zwar kein
Tropfen im Meere, aber sie stillt doch nicht den Durst reellen Bedarfs. Da der
Staat 70 Mill. papierne Lire einlöst, so bekommt er nur 50 Mill. Lire zur Dis¬
position, womit im günstigsten Falle die Armee 2 oder 3 Monate erhalten werden
kann; hingegen ist dieses Capital dem Erwerbsbetrieb entzogen, der ohnehin durch
die ueuauferlegteu Steuern gedrückt ist.

Die erfahrenen Engländer berechnen bereits die Folgen dieses vitiösen Cirkels,
und nachdem sie seit beiläufig einem Jahre den Credit an östreichische Kaufleute
stillschweigend beschränkten, erklären sie jetzt offen und freimüthig, daß ihnen die
Zustände leine genügende Garantie für ihr Guthaben gäben.

Die östreichischen NegieruugSmäuner werden wieder böse Gesinnung und poli¬
tische Agitation hinter einem Schritte wittern, der doch nichts als eine kaufmännische
Vorsorge für rechtmäßigen Handel ist. Die Londoner Portefeuilles waren stets
mit Wiener Briefen reichlich angefüllt. Der Passivhandcl Oestreichs steckt in dieser
schwebenden Wechselschuld, deren Betrag kein geringer sein kann, da er zugleich
den Pcrsonalcredit der östreichischen Handelsleute auf den: englischen Markte dar¬
stellt. Viele Millionen Pfund Sterling lagen in Tratten östreichischer Kaufleute,
zahlbar in Wien oder Triest, in den Comptoirs der Londoner Bankers.

In den letzten Jahren haben die Bedrängnisse der Valuten ihren Einfluß aus
diese Wcchselpapiere besonders stark ausgeübt. Die englischem Kaufleute creditirten


wahrscheinlich mit Pulver und Blei. Die Ansicht jedoch, daß die Italiener sich
l'eenen werden, ihre Papiermünzen gegen Staatsschnldpapiere umzutauschen, ist
eine vorherrschende, und hat ihren natürlichen Grund in Folgendem:

Das Geldpapier, die IMIeM, sind nur im Lande auszugeben, und außerhalb
der lombardisch-venetianischen Provinz, in Trieft und im italienischen Tirol kaum
mit großem Verlust anzubringen; östreich. Staatspapiere aber haben an jeder
Börse einen Cours, und selbst große Summen finden, wenn auch mit Nachlaß,
augenblickliche Käufer gegen baare Münze. Für 100 si. (300 Lire) in LiglistU
bekommt man jetzt beiläufig 82 si. Silber; der Cours der Sprocent. Metalliques
ist beiläufig 79—80 haar. Die Abgeber der.MBeU,i hatten daher blos eine
Steuer von 3 bis -4 Procent zu zahlen, wären aber sonach von allen Chancen
befreit, welche die Cvursdisfereuzeu zwischen Papier und Silber aufbürden.

Mau glaubt daher, daß die Italiener die 120 Mill. Lire vollständig sub-
scribiren und früher einzahlen werden, als bestimmt ist; hingegen wird der Bvr-
senmarkt mit diesen Fonds überschüttet werden, da die Italiener eben so wenig
Vertrauen in östreich. Staats-, als in östreich. Geldpapiereu haben. Ein Steigen
der Metall- und ein Fallen der Papiercourse ist die nächste Folge; der Finanz-
minister aber hat wieder einen Tag verlebt.

Wenn auch vielleicht hiermit eine Besserung der Geldverhältnisse im Verkehr
der italienischen Provinz erzielt wird, so geht doch das ganze Manoeuvre spurlos
am Gesanuuistaate vorüber. Die Summe von 40 Mill. Gulden ist zwar kein
Tropfen im Meere, aber sie stillt doch nicht den Durst reellen Bedarfs. Da der
Staat 70 Mill. papierne Lire einlöst, so bekommt er nur 50 Mill. Lire zur Dis¬
position, womit im günstigsten Falle die Armee 2 oder 3 Monate erhalten werden
kann; hingegen ist dieses Capital dem Erwerbsbetrieb entzogen, der ohnehin durch
die ueuauferlegteu Steuern gedrückt ist.

Die erfahrenen Engländer berechnen bereits die Folgen dieses vitiösen Cirkels,
und nachdem sie seit beiläufig einem Jahre den Credit an östreichische Kaufleute
stillschweigend beschränkten, erklären sie jetzt offen und freimüthig, daß ihnen die
Zustände leine genügende Garantie für ihr Guthaben gäben.

Die östreichischen NegieruugSmäuner werden wieder böse Gesinnung und poli¬
tische Agitation hinter einem Schritte wittern, der doch nichts als eine kaufmännische
Vorsorge für rechtmäßigen Handel ist. Die Londoner Portefeuilles waren stets
mit Wiener Briefen reichlich angefüllt. Der Passivhandcl Oestreichs steckt in dieser
schwebenden Wechselschuld, deren Betrag kein geringer sein kann, da er zugleich
den Pcrsonalcredit der östreichischen Handelsleute auf den: englischen Markte dar¬
stellt. Viele Millionen Pfund Sterling lagen in Tratten östreichischer Kaufleute,
zahlbar in Wien oder Triest, in den Comptoirs der Londoner Bankers.

In den letzten Jahren haben die Bedrängnisse der Valuten ihren Einfluß aus
diese Wcchselpapiere besonders stark ausgeübt. Die englischem Kaufleute creditirten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185606"/>
            <p xml:id="ID_942" prev="#ID_941"> wahrscheinlich mit Pulver und Blei. Die Ansicht jedoch, daß die Italiener sich<lb/>
l'eenen werden, ihre Papiermünzen gegen Staatsschnldpapiere umzutauschen, ist<lb/>
eine vorherrschende, und hat ihren natürlichen Grund in Folgendem:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_943"> Das Geldpapier, die IMIeM, sind nur im Lande auszugeben, und außerhalb<lb/>
der lombardisch-venetianischen Provinz, in Trieft und im italienischen Tirol kaum<lb/>
mit großem Verlust anzubringen; östreich. Staatspapiere aber haben an jeder<lb/>
Börse einen Cours, und selbst große Summen finden, wenn auch mit Nachlaß,<lb/>
augenblickliche Käufer gegen baare Münze. Für 100 si. (300 Lire) in LiglistU<lb/>
bekommt man jetzt beiläufig 82 si. Silber; der Cours der Sprocent. Metalliques<lb/>
ist beiläufig 79&#x2014;80 haar. Die Abgeber der.MBeU,i hatten daher blos eine<lb/>
Steuer von 3 bis -4 Procent zu zahlen, wären aber sonach von allen Chancen<lb/>
befreit, welche die Cvursdisfereuzeu zwischen Papier und Silber aufbürden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_944"> Mau glaubt daher, daß die Italiener die 120 Mill. Lire vollständig sub-<lb/>
scribiren und früher einzahlen werden, als bestimmt ist; hingegen wird der Bvr-<lb/>
senmarkt mit diesen Fonds überschüttet werden, da die Italiener eben so wenig<lb/>
Vertrauen in östreich. Staats-, als in östreich. Geldpapiereu haben. Ein Steigen<lb/>
der Metall- und ein Fallen der Papiercourse ist die nächste Folge; der Finanz-<lb/>
minister aber hat wieder einen Tag verlebt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_945"> Wenn auch vielleicht hiermit eine Besserung der Geldverhältnisse im Verkehr<lb/>
der italienischen Provinz erzielt wird, so geht doch das ganze Manoeuvre spurlos<lb/>
am Gesanuuistaate vorüber. Die Summe von 40 Mill. Gulden ist zwar kein<lb/>
Tropfen im Meere, aber sie stillt doch nicht den Durst reellen Bedarfs. Da der<lb/>
Staat 70 Mill. papierne Lire einlöst, so bekommt er nur 50 Mill. Lire zur Dis¬<lb/>
position, womit im günstigsten Falle die Armee 2 oder 3 Monate erhalten werden<lb/>
kann; hingegen ist dieses Capital dem Erwerbsbetrieb entzogen, der ohnehin durch<lb/>
die ueuauferlegteu Steuern gedrückt ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_946"> Die erfahrenen Engländer berechnen bereits die Folgen dieses vitiösen Cirkels,<lb/>
und nachdem sie seit beiläufig einem Jahre den Credit an östreichische Kaufleute<lb/>
stillschweigend beschränkten, erklären sie jetzt offen und freimüthig, daß ihnen die<lb/>
Zustände leine genügende Garantie für ihr Guthaben gäben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_947"> Die östreichischen NegieruugSmäuner werden wieder böse Gesinnung und poli¬<lb/>
tische Agitation hinter einem Schritte wittern, der doch nichts als eine kaufmännische<lb/>
Vorsorge für rechtmäßigen Handel ist. Die Londoner Portefeuilles waren stets<lb/>
mit Wiener Briefen reichlich angefüllt. Der Passivhandcl Oestreichs steckt in dieser<lb/>
schwebenden Wechselschuld, deren Betrag kein geringer sein kann, da er zugleich<lb/>
den Pcrsonalcredit der östreichischen Handelsleute auf den: englischen Markte dar¬<lb/>
stellt. Viele Millionen Pfund Sterling lagen in Tratten östreichischer Kaufleute,<lb/>
zahlbar in Wien oder Triest, in den Comptoirs der Londoner Bankers.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_948" next="#ID_949"> In den letzten Jahren haben die Bedrängnisse der Valuten ihren Einfluß aus<lb/>
diese Wcchselpapiere besonders stark ausgeübt. Die englischem Kaufleute creditirten</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0269] wahrscheinlich mit Pulver und Blei. Die Ansicht jedoch, daß die Italiener sich l'eenen werden, ihre Papiermünzen gegen Staatsschnldpapiere umzutauschen, ist eine vorherrschende, und hat ihren natürlichen Grund in Folgendem: Das Geldpapier, die IMIeM, sind nur im Lande auszugeben, und außerhalb der lombardisch-venetianischen Provinz, in Trieft und im italienischen Tirol kaum mit großem Verlust anzubringen; östreich. Staatspapiere aber haben an jeder Börse einen Cours, und selbst große Summen finden, wenn auch mit Nachlaß, augenblickliche Käufer gegen baare Münze. Für 100 si. (300 Lire) in LiglistU bekommt man jetzt beiläufig 82 si. Silber; der Cours der Sprocent. Metalliques ist beiläufig 79—80 haar. Die Abgeber der.MBeU,i hatten daher blos eine Steuer von 3 bis -4 Procent zu zahlen, wären aber sonach von allen Chancen befreit, welche die Cvursdisfereuzeu zwischen Papier und Silber aufbürden. Mau glaubt daher, daß die Italiener die 120 Mill. Lire vollständig sub- scribiren und früher einzahlen werden, als bestimmt ist; hingegen wird der Bvr- senmarkt mit diesen Fonds überschüttet werden, da die Italiener eben so wenig Vertrauen in östreich. Staats-, als in östreich. Geldpapiereu haben. Ein Steigen der Metall- und ein Fallen der Papiercourse ist die nächste Folge; der Finanz- minister aber hat wieder einen Tag verlebt. Wenn auch vielleicht hiermit eine Besserung der Geldverhältnisse im Verkehr der italienischen Provinz erzielt wird, so geht doch das ganze Manoeuvre spurlos am Gesanuuistaate vorüber. Die Summe von 40 Mill. Gulden ist zwar kein Tropfen im Meere, aber sie stillt doch nicht den Durst reellen Bedarfs. Da der Staat 70 Mill. papierne Lire einlöst, so bekommt er nur 50 Mill. Lire zur Dis¬ position, womit im günstigsten Falle die Armee 2 oder 3 Monate erhalten werden kann; hingegen ist dieses Capital dem Erwerbsbetrieb entzogen, der ohnehin durch die ueuauferlegteu Steuern gedrückt ist. Die erfahrenen Engländer berechnen bereits die Folgen dieses vitiösen Cirkels, und nachdem sie seit beiläufig einem Jahre den Credit an östreichische Kaufleute stillschweigend beschränkten, erklären sie jetzt offen und freimüthig, daß ihnen die Zustände leine genügende Garantie für ihr Guthaben gäben. Die östreichischen NegieruugSmäuner werden wieder böse Gesinnung und poli¬ tische Agitation hinter einem Schritte wittern, der doch nichts als eine kaufmännische Vorsorge für rechtmäßigen Handel ist. Die Londoner Portefeuilles waren stets mit Wiener Briefen reichlich angefüllt. Der Passivhandcl Oestreichs steckt in dieser schwebenden Wechselschuld, deren Betrag kein geringer sein kann, da er zugleich den Pcrsonalcredit der östreichischen Handelsleute auf den: englischen Markte dar¬ stellt. Viele Millionen Pfund Sterling lagen in Tratten östreichischer Kaufleute, zahlbar in Wien oder Triest, in den Comptoirs der Londoner Bankers. In den letzten Jahren haben die Bedrängnisse der Valuten ihren Einfluß aus diese Wcchselpapiere besonders stark ausgeübt. Die englischem Kaufleute creditirten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/269
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/269>, abgerufen am 22.07.2024.