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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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schweifenden und wundersamen Gelüste bestreiten zu sonnen, zu welchen seiue
fruchtbare, aber überspannte Phantasie ihn trieb.

Ich brauche wohl kaum zu bemerken, daß dieser junge Wüstling der zu
europäischer Berühmtheit gelangte Versasser der "Geheimnisse von Paris" und
des "Irrenden Juden" ist, derselbe, welcher einst einem Wucherer einen Wechsel
von 15,000 Francs unterschrieb, um seine Garderobe zu vervollständigen, derselbe,
welcher so eben in den Pariser Ersatzwahlen als Kandidat der Socialisten siegreich
aus der Wahlurne hervorgegangen ist.

Eugen Tue wußte seinem väterlichen Namen Ehre zu machen, und in ele¬
ganten Tollheiten die überspanntesten Lions von Paris zu überflügeln. Als Bei¬
spiel sei hier eine kleine, etwa fünfzehn Jahre zurückdatirende Scene aus seinem
Leben angeführt, deren Thatsächlichkeit verbürgt ist.

Engen Tue hatte einmal mitten im Winter alle seltenen Blumen aufkaufen
lassen, die in Paris um diese Jahreszeit zu bekommen waren. Mit Anbruch der
Nacht (am Tage geht er niemals aus) macht er" Toilette in einer, selbst für einen
Lion, excentrischen Weise, und ohne den Stock ir lZal/^c (d. h. ein Stock mit
goldenem, diamantengcschmücktem Knopf) zu vergessen, wirst er sich in seinen vier¬
spännigen, blnmenbeladeueu Wagen und läßt sich mit Extrapost durch die Ltu-
riöre ä'Lnkee uach Orleans fahren, welches etwa 15 Postmeilen von Paris
entfernt liegt. Ein Banquier seiner Familie gab dort einen großen Ball.

Man deute sich das Staunen der Gäste, als Eugen Sue plötzlich in die
hellerleuchteten Salons tritt, seinen diamauteuglitzerudeu Stock mit Blumen um¬
wunden, selbst von Kopf bis zu Fuß mit Kränzen behängen, eine Blumenkrone
auf dem Kopfe, und in seinem Gefolge ein Dutzend Leute, welche die ganze Blu-
meuladuug seines Wagens in den Salons nmherstreueu.

Die Musik schweigt; die Tänzer stehen still und sperren verblüfft die Mäuler
auf, während die Damen ganz bezaubert siud vou der magischen Wirkung der
nächtlichen Erscheinung und des BlumeuregeuS mitten im Winter.

Befriedigt mit dem Ausgange seines kostspieligen Abenteuers,, läßt er die
Gäste in ihrer Verwirrung steheu, wirst sich wieder in deu Wagen und sährt in
gestrecktem Galopp, wie er gekommen, nach Paris zurück, wo er schou vor an¬
brechendem Morgen wieder in seiner Wohnung anlangte. Ein Pferd hatte er
auf der Hinreise und zwei Pferde auf der Rückreise zu Tode gejagt.

Das war eines der nächtlichen Abenteuer Eugen Sue'S, --Abenteuer, die
sich so oft wiederholen, daß man in Paris seine Pferde immer nur eKvvMx-äo-
null (Nachtmähren) zu nennen pflegte.

In seinem prachtvollen Schlosse aux IZm-an-s lebt Engen Sue ans eine Weise,
die an die "rivis most. rince"M" eiues Childe Harold, oder die üppige" Schil¬
derungen eines Petrvnins erinnert. Seine Tafel seufzt unter der Last der seltensten
Gerichte und Weine; die herrlichste" Nenner zieren seine Ställe; seine Höfe wiu-


schweifenden und wundersamen Gelüste bestreiten zu sonnen, zu welchen seiue
fruchtbare, aber überspannte Phantasie ihn trieb.

Ich brauche wohl kaum zu bemerken, daß dieser junge Wüstling der zu
europäischer Berühmtheit gelangte Versasser der „Geheimnisse von Paris" und
des „Irrenden Juden" ist, derselbe, welcher einst einem Wucherer einen Wechsel
von 15,000 Francs unterschrieb, um seine Garderobe zu vervollständigen, derselbe,
welcher so eben in den Pariser Ersatzwahlen als Kandidat der Socialisten siegreich
aus der Wahlurne hervorgegangen ist.

Eugen Tue wußte seinem väterlichen Namen Ehre zu machen, und in ele¬
ganten Tollheiten die überspanntesten Lions von Paris zu überflügeln. Als Bei¬
spiel sei hier eine kleine, etwa fünfzehn Jahre zurückdatirende Scene aus seinem
Leben angeführt, deren Thatsächlichkeit verbürgt ist.

Engen Tue hatte einmal mitten im Winter alle seltenen Blumen aufkaufen
lassen, die in Paris um diese Jahreszeit zu bekommen waren. Mit Anbruch der
Nacht (am Tage geht er niemals aus) macht er" Toilette in einer, selbst für einen
Lion, excentrischen Weise, und ohne den Stock ir lZal/^c (d. h. ein Stock mit
goldenem, diamantengcschmücktem Knopf) zu vergessen, wirst er sich in seinen vier¬
spännigen, blnmenbeladeueu Wagen und läßt sich mit Extrapost durch die Ltu-
riöre ä'Lnkee uach Orleans fahren, welches etwa 15 Postmeilen von Paris
entfernt liegt. Ein Banquier seiner Familie gab dort einen großen Ball.

Man deute sich das Staunen der Gäste, als Eugen Sue plötzlich in die
hellerleuchteten Salons tritt, seinen diamauteuglitzerudeu Stock mit Blumen um¬
wunden, selbst von Kopf bis zu Fuß mit Kränzen behängen, eine Blumenkrone
auf dem Kopfe, und in seinem Gefolge ein Dutzend Leute, welche die ganze Blu-
meuladuug seines Wagens in den Salons nmherstreueu.

Die Musik schweigt; die Tänzer stehen still und sperren verblüfft die Mäuler
auf, während die Damen ganz bezaubert siud vou der magischen Wirkung der
nächtlichen Erscheinung und des BlumeuregeuS mitten im Winter.

Befriedigt mit dem Ausgange seines kostspieligen Abenteuers,, läßt er die
Gäste in ihrer Verwirrung steheu, wirst sich wieder in deu Wagen und sährt in
gestrecktem Galopp, wie er gekommen, nach Paris zurück, wo er schou vor an¬
brechendem Morgen wieder in seiner Wohnung anlangte. Ein Pferd hatte er
auf der Hinreise und zwei Pferde auf der Rückreise zu Tode gejagt.

Das war eines der nächtlichen Abenteuer Eugen Sue'S, —Abenteuer, die
sich so oft wiederholen, daß man in Paris seine Pferde immer nur eKvvMx-äo-
null (Nachtmähren) zu nennen pflegte.

In seinem prachtvollen Schlosse aux IZm-an-s lebt Engen Sue ans eine Weise,
die an die „rivis most. rince»M" eiues Childe Harold, oder die üppige» Schil¬
derungen eines Petrvnins erinnert. Seine Tafel seufzt unter der Last der seltensten
Gerichte und Weine; die herrlichste» Nenner zieren seine Ställe; seine Höfe wiu-


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[0259] schweifenden und wundersamen Gelüste bestreiten zu sonnen, zu welchen seiue fruchtbare, aber überspannte Phantasie ihn trieb. Ich brauche wohl kaum zu bemerken, daß dieser junge Wüstling der zu europäischer Berühmtheit gelangte Versasser der „Geheimnisse von Paris" und des „Irrenden Juden" ist, derselbe, welcher einst einem Wucherer einen Wechsel von 15,000 Francs unterschrieb, um seine Garderobe zu vervollständigen, derselbe, welcher so eben in den Pariser Ersatzwahlen als Kandidat der Socialisten siegreich aus der Wahlurne hervorgegangen ist. Eugen Tue wußte seinem väterlichen Namen Ehre zu machen, und in ele¬ ganten Tollheiten die überspanntesten Lions von Paris zu überflügeln. Als Bei¬ spiel sei hier eine kleine, etwa fünfzehn Jahre zurückdatirende Scene aus seinem Leben angeführt, deren Thatsächlichkeit verbürgt ist. Engen Tue hatte einmal mitten im Winter alle seltenen Blumen aufkaufen lassen, die in Paris um diese Jahreszeit zu bekommen waren. Mit Anbruch der Nacht (am Tage geht er niemals aus) macht er" Toilette in einer, selbst für einen Lion, excentrischen Weise, und ohne den Stock ir lZal/^c (d. h. ein Stock mit goldenem, diamantengcschmücktem Knopf) zu vergessen, wirst er sich in seinen vier¬ spännigen, blnmenbeladeueu Wagen und läßt sich mit Extrapost durch die Ltu- riöre ä'Lnkee uach Orleans fahren, welches etwa 15 Postmeilen von Paris entfernt liegt. Ein Banquier seiner Familie gab dort einen großen Ball. Man deute sich das Staunen der Gäste, als Eugen Sue plötzlich in die hellerleuchteten Salons tritt, seinen diamauteuglitzerudeu Stock mit Blumen um¬ wunden, selbst von Kopf bis zu Fuß mit Kränzen behängen, eine Blumenkrone auf dem Kopfe, und in seinem Gefolge ein Dutzend Leute, welche die ganze Blu- meuladuug seines Wagens in den Salons nmherstreueu. Die Musik schweigt; die Tänzer stehen still und sperren verblüfft die Mäuler auf, während die Damen ganz bezaubert siud vou der magischen Wirkung der nächtlichen Erscheinung und des BlumeuregeuS mitten im Winter. Befriedigt mit dem Ausgange seines kostspieligen Abenteuers,, läßt er die Gäste in ihrer Verwirrung steheu, wirst sich wieder in deu Wagen und sährt in gestrecktem Galopp, wie er gekommen, nach Paris zurück, wo er schou vor an¬ brechendem Morgen wieder in seiner Wohnung anlangte. Ein Pferd hatte er auf der Hinreise und zwei Pferde auf der Rückreise zu Tode gejagt. Das war eines der nächtlichen Abenteuer Eugen Sue'S, —Abenteuer, die sich so oft wiederholen, daß man in Paris seine Pferde immer nur eKvvMx-äo- null (Nachtmähren) zu nennen pflegte. In seinem prachtvollen Schlosse aux IZm-an-s lebt Engen Sue ans eine Weise, die an die „rivis most. rince»M" eiues Childe Harold, oder die üppige» Schil¬ derungen eines Petrvnins erinnert. Seine Tafel seufzt unter der Last der seltensten Gerichte und Weine; die herrlichste» Nenner zieren seine Ställe; seine Höfe wiu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/259>, abgerufen am 22.07.2024.