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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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ein, aber die Täuschung verschwand den Logenbrüdern, als die Pariser Schreckens-
zeit kam. Die deutschen Idealisten sagten: "o nein, so war es nicht gemeint! Die
Aufklärung hat ihre Grenzen, für Eingeweihte ist sie ganz brauchbar, für" die
Masse kann sie leicht Gift werden." -- Die Staatsregierungen aber hatten
Mißtrauen gegen alle geheime Gesellschaften gesaßt. "Die Politik werde zwar
in hen maurerischen Statuten ausgeschlossen, aber gar leicht könne sie sich hinter
die vieldeutigen Formeln derselben verstecken." Manche Untersuchung wurde deshalb
in den neunziger Jahren gegen ganz Unschuldige geführt. Wir erwähnen nur in
Preußen die sonderbare gegen Zerboni ti Sposetti, Kaufes und Contessa in Schlesien,
deren Aktenstücke gedruckt sind und die mit völliger Freisprechung endete, weil sich
ergab, daß der Plan, eine neue Freimanrervcrbrnderuilg unter dem Namen der
"Evergeteu" zu begründen, als ein staatsgefährliches Komplott dem König
Friedrich Wilhelm II. dargestellt worden war. Nichtsdestoweniger wurden bald
darauf einzelne Logen i" Preußen aufgehoben, wenn auch das Institut als Ganzes
sich ferneren Schutzes des Staates erfreute. Die protestantischen Herrscher
ließen ihm sämmtlich denselben angedeihen, die katholischen hatten sich bereits
von ihm abgewandt und hielten die Kirche und deren Regiment für einen
ungleich mächtigeren und zuverlässigeren Verbündeten. Gleichzeitig mit so ungün-
stigen äußeren Umständen wurde in der deutschen Literatur eine vorher nie geahnte
Abneigung gegen die Ordensverbindung bemerklich, wir meinen die Ironie, wo¬
mit die anflennende romantische Schule gegen den Cultus der Sittlichkeit zu Felde
zog. Die Freimaurerei begann man als ein Denkmal des Philisterthums aufzu¬
fassen und ihre Geheinlnißkränlerei zu verhöhnen. Hierzu gab unter Anderem,
obwohl ganz unschuldigerweise, ein Meisterwerk deutscher Tonkunst, nämlich
Mozart's Zauberflöte, vielfache Gelegenheit, weil der Stempel des Genies,
der der Musik aufgedrückt war, diese seltsame Wiener Zanberposse vor der Ver¬
gessenheit sicherte. Welche Fülle vou Unsinn ist diesem Mährchen, worin Schika-
neder eine Allegorie des unter Joseph blühenden FrcimanrerregimenteS geben
wollte, beigemischt. Mozart halte sich durch Einzelheiten seiner Musik sogar selbst
als Eingeweihten verrathen. Wahrend die Kritiker über den Unsinn der Hand¬
lung die Nase rümpften, das Volk über die Affen und Dekorationen jubelte, die
Musiker das Ideal komischer Gattung bewunderten, sahen die zahlreichen
Freimaurer aller Orten einander fragend an, der Orden war profanirt durch den
Text, selbst durch die Musik. Wie viele Gründe kamen hier zusammen, um das
Stück zum Casseilstück zu machen! ES wurde aber seit jener Zeit immer
gebräuchlicher, von Freimaurerei öffentlich zu reden. Die Anzahl von Warnungen,
kritischen Beurtheilungen der Sache, auch wohl der Verläumdungen in unserer Lite¬
ratur nahm zu. Manche, die in dem Orden irgend welche Enttäuschung erlebt
hatten, beeilten sich, seine Gebräuche der neugierigen Lesewelt zu verrathen; so
entstanden im Lause der Jahre die bekannten Werke: "Sarsena", "Mac-Be.


ein, aber die Täuschung verschwand den Logenbrüdern, als die Pariser Schreckens-
zeit kam. Die deutschen Idealisten sagten: „o nein, so war es nicht gemeint! Die
Aufklärung hat ihre Grenzen, für Eingeweihte ist sie ganz brauchbar, für" die
Masse kann sie leicht Gift werden." — Die Staatsregierungen aber hatten
Mißtrauen gegen alle geheime Gesellschaften gesaßt. „Die Politik werde zwar
in hen maurerischen Statuten ausgeschlossen, aber gar leicht könne sie sich hinter
die vieldeutigen Formeln derselben verstecken." Manche Untersuchung wurde deshalb
in den neunziger Jahren gegen ganz Unschuldige geführt. Wir erwähnen nur in
Preußen die sonderbare gegen Zerboni ti Sposetti, Kaufes und Contessa in Schlesien,
deren Aktenstücke gedruckt sind und die mit völliger Freisprechung endete, weil sich
ergab, daß der Plan, eine neue Freimanrervcrbrnderuilg unter dem Namen der
„Evergeteu" zu begründen, als ein staatsgefährliches Komplott dem König
Friedrich Wilhelm II. dargestellt worden war. Nichtsdestoweniger wurden bald
darauf einzelne Logen i» Preußen aufgehoben, wenn auch das Institut als Ganzes
sich ferneren Schutzes des Staates erfreute. Die protestantischen Herrscher
ließen ihm sämmtlich denselben angedeihen, die katholischen hatten sich bereits
von ihm abgewandt und hielten die Kirche und deren Regiment für einen
ungleich mächtigeren und zuverlässigeren Verbündeten. Gleichzeitig mit so ungün-
stigen äußeren Umständen wurde in der deutschen Literatur eine vorher nie geahnte
Abneigung gegen die Ordensverbindung bemerklich, wir meinen die Ironie, wo¬
mit die anflennende romantische Schule gegen den Cultus der Sittlichkeit zu Felde
zog. Die Freimaurerei begann man als ein Denkmal des Philisterthums aufzu¬
fassen und ihre Geheinlnißkränlerei zu verhöhnen. Hierzu gab unter Anderem,
obwohl ganz unschuldigerweise, ein Meisterwerk deutscher Tonkunst, nämlich
Mozart's Zauberflöte, vielfache Gelegenheit, weil der Stempel des Genies,
der der Musik aufgedrückt war, diese seltsame Wiener Zanberposse vor der Ver¬
gessenheit sicherte. Welche Fülle vou Unsinn ist diesem Mährchen, worin Schika-
neder eine Allegorie des unter Joseph blühenden FrcimanrerregimenteS geben
wollte, beigemischt. Mozart halte sich durch Einzelheiten seiner Musik sogar selbst
als Eingeweihten verrathen. Wahrend die Kritiker über den Unsinn der Hand¬
lung die Nase rümpften, das Volk über die Affen und Dekorationen jubelte, die
Musiker das Ideal komischer Gattung bewunderten, sahen die zahlreichen
Freimaurer aller Orten einander fragend an, der Orden war profanirt durch den
Text, selbst durch die Musik. Wie viele Gründe kamen hier zusammen, um das
Stück zum Casseilstück zu machen! ES wurde aber seit jener Zeit immer
gebräuchlicher, von Freimaurerei öffentlich zu reden. Die Anzahl von Warnungen,
kritischen Beurtheilungen der Sache, auch wohl der Verläumdungen in unserer Lite¬
ratur nahm zu. Manche, die in dem Orden irgend welche Enttäuschung erlebt
hatten, beeilten sich, seine Gebräuche der neugierigen Lesewelt zu verrathen; so
entstanden im Lause der Jahre die bekannten Werke: „Sarsena", „Mac-Be.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/253>, abgerufen am 22.07.2024.